VwGH Ra 2019/03/0045

VwGHRa 2019/03/004526.4.2019



Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, in der Revisionssache des K B in K, vertreten durch Dr. Thomas Krankl, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Lerchenfelder Straße 120/28, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 15. Februar 2019, Zl. LVwG-AV-874/001-2018, betreffend Versagung eines Waffenpasses (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Tulln), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §25a
VwGG §28 Abs3
WaffG 1996 §21 Abs2
WaffG 1996 §22 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019030045.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 A.  Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht im Rechtszug den Antrag der revisionswerbenden Partei auf Ausstellung eines Waffenpasses gemäß §§ 10, 21 Abs. 2 und 22 Abs. 2 des Waffengesetzes 1996 (WaffG) ab (Spruchpunkt 1.) und erachtete eine Revision dagegen als unzulässig

(Spruchpunkt 2.).

2 In sachverhaltsmäßiger Hinsicht wurde begründend festgehalten, dass der Revisionswerber als Inhaber einer Agentur für Pflegedienste regelmäßig mit hohen Geldbeträgen hantiere, da die Pfleger immer wieder auf Barzahlung bestehen würden. Er müsse sich zu jeder Tages- bzw. Nachtzeit an verschiedenen Orten aufhalten und verwahre auch große Geldbeträge in seinem Einfamilienhaus. Bei seinen Patientenbesuchen führe er auch immer große Mengen an rezeptpflichtigen Medikamenten mit sich. Im Jahr 2018 sei es zu einem Einbruchsdiebstahl in seinem Haus gekommen. Auf Grund seines Alters und einer durchgeführten Hüftoperation sei sein mögliches Fluchtverhalten eingeschränkt. 3 B.  Dagegen richtet sich die gegenständliche außerordentliche Revision. In der Zulassungsbegründung wird geltend gemacht, dass das Verwaltungsgericht (VwG) die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht hinreichend beachtet habe. Für den Revisionswerber bestehe auf Grund der sich ändernden örtlichen Gegebenheiten und Tageszeiten im Hinblick auf die von ihm transportierten Geldbeträge und rezeptpflichtigen Medikamente ein erhöhtes Sicherheitsrisiko, das einen waffenrechtlichen Bedarf iSd § 22 Abs. 2 Z 1 WaffG begründe. Die Auffassung des VwG, es müsste in seinem Fall "eine konkrete Gefahr, offensichtlich ein bereits gegebener Überfall" auf den Revisionswerber vorliegen, sei in Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes "weit überzogen".

4 C.  Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG iVm § 25a VwGG ist vom VwG eine ordentliche Revision gegen seine Entscheidungen jedenfalls dann zuzulassen, wenn diese Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, wenn zu den entscheidungswesentlichen Rechtsnormen eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht besteht, oder wenn die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu widersprüchlich ist. In diesen Fällen ist nach den zitierten Rechtsvorschriften eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung gegeben, die zu beantworten der Verwaltungsgerichtshof zuständig ist, ohne dass es auf zusätzliche Überlegungen ankommt.

5 D. Eine (wie vorliegend) bloß formelhafte, im Wesentlichen lediglich den Text des Art. 133 Abs. 4 B-VG wiedergebende Begründung betreffend die Revisionszulässigkeit (§ 28 Abs. 3 VwGG) ist nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 5.9.2018, Ra 2018/03/0085, mwH). Die genannten Rechtsvorschriften gehen im Übrigen dahin, dass das VwG den Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt, was dann die Zulassung der Revision entbehrlich macht. Das VwG wird dieser Verpflichtung nicht gerecht, wenn es in seiner Entscheidungsbegründung die für den zu entscheidenden Fall relevante Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nennt (vgl. VwGH 27.11.2014, Ra 2014/03/0036).

6 E. Ungeachtet dessen erweist sich die Revision im vorliegenden Fall als nicht zulässig, zumal die Entscheidung des VwG im Ergebnis in dem von den Leitlinien der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgesteckten Rahmen liegt. 7 Gemäß § 20 Abs. 1 WaffG ist der Erwerb, der Besitz und das Führen von Schusswaffen der Kategorie B nur auf Grund einer behördlichen Bewilligung zulässig. Die Bewilligung zum Erwerb, Besitz und zum Führen dieser Waffen ist von der Behörde durch die Ausstellung eines Waffenpasses, die Bewilligung zum Erwerb und zum Besitz dieser Waffen ist von der Behörde durch die Ausstellung einer Waffenbesitzkarte zu erteilen. Nach § 21 Abs. 2 WaffG hat die Behörde (ungeachtet der hier nicht maßgebenden Ausnahmefälle iSd § 22 Abs. 2 Z 2 bis 4 WaffG) verlässlichen EWR-Bürgern, die das 21. Lebensjahr vollendet haben, bei denen keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie einen verfassungsgefährdenden Angriff iSd § 6 Abs. 2 PStSG begehen werden, und die einen Bedarf zum Führen von Schusswaffen der Kategorie B nachweisen, einen Waffenpass auszustellen. Die Ausstellung eines Waffenpasses an verlässliche Menschen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und den Nachweis erbringen, dass sie entweder beruflichen oder als Inhaber einer Jagdkarte jagdlichen Bedarf zum Führen von Schusswaffen der Kategorie B haben, liegt im Ermessen der Behörde (vgl. § 21 Abs. 3 WaffG). Gemäß § 22 Abs. 2 Z 1 WaffG ist ein Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 2 WaffG jedenfalls als gegeben anzunehmen, wenn der Betroffene glaubhaft macht, dass er außerhalb von Wohn- oder Betriebsräumen oder seiner eingefriedeten Liegenschaften besonderen Gefahren ausgesetzt ist, denen am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann. Nach § 10 WaffG sind bei der Anwendung der in diesem Bundesgesetz enthaltenen Ermessensbestimmungen private Interessen nur insoweit zu berücksichtigen, als dies ohne unverhältnismäßige Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses, das an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahr besteht, möglich ist. Gemäß § 6 der 2. WaffV darf das der Behörde in § 21 Abs. 2 WaffG eingeräumte Ermessen nur im Rahmen privater Interessen ausgeübt werden, die einem Bedarf iSd § 22 Abs. 2 WaffG nahekommen.

8 Es ist allein Sache des Waffenpasswerbers, das Vorliegen eines Bedarfes zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen nachzuweisen und im Anwendungsbereich des § 22 Abs. 2 WaffG die dort geforderte besondere Gefahrenlage, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann, glaubhaft zu machen. Der Waffenpasswerber hat daher im Verwaltungsverfahren konkret und in substanzieller Weise im Einzelnen darzutun, woraus er für seine Person die geforderte besondere Gefahrenlage ableite, dass diese Gefahr für ihn gleichsam zwangsläufig erwachse und dass es sich hiebei um eine solche qualifizierte Gefahr handle, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne. Bloße Vermutungen und Befürchtungen einer möglichen Bedrohung reichen zur Dartuung einer Gefährdung nicht aus, solange sich Verdachtsgründe nicht derart verdichten, dass sich schlüssig eine ganz konkrete Gefährdung ergibt. Es reicht also nicht aus, dass in bestimmten Situationen das Führen einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe zweckmäßig sein kann, vielmehr ist zum einen glaubhaft zu machen, dass in derartigen Situationen eine solche Waffe geradezu erforderlich ist und dass auf andere Weise der Bedarf nicht befriedigt, das bedarfsbegründende Ziel also nicht erreicht werden kann; zum anderen ist erforderlich, dass der Antragsteller selbst mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in die bedarfsbegründende Situation kommt (vgl. dazu aus der ständigen Judikatur etwa VwGH 19.12.2018, Ra 2018/03/0132, mwH). 9 Der Verwaltungsgerichtshof hat bezüglich der von der revisionswerbenden Partei relevierten Möglichkeit eines räuberischen Überfalls in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass die Durchführung von Geldtransporten (auch in den Abendstunden) und das Mitführen sehr hoher Geldbeträge nicht schon an sich eine Gefahr darstellen, die einen Bedarf zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen begründet. Klargestellt wurde dabei, dass die Notwendigkeit des Transports von Geldbeträgen im Allgemeinen kein deutlich erhöhtes Sicherheitsrisiko bedeutet. Liegt mit Rücksicht auf die maßgebenden örtlichen und zeitlichen Umstände (unbeschadet der für jedermann bestehenden Gefahr, auch zur Tageszeit und in Gebieten mit günstigen Sicherheitsverhältnissen allenfalls das Opfer eines räuberischen Überfalls zu werden) kein erhöhtes Sicherheitsrisiko vor, fehlt es an einem Bedarf zum Führen von Faustfeuerwaffen (vgl. VwGH 13.11.2018, Ra 2018/03/0120, mwH). Wenn das VwG diese Beurteilung auch für den vorliegend relevanten Transport von rezeptpflichtigen Medikamenten für einschlägig erachtete, hat es die Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht verlassen. Ferner liegt wie in der bekämpften Entscheidung angesprochen, die Abwehr von gefährlichen Angriffen (insbesondere die Bedrohung des Lebens bzw. der körperlichen Integrität, wie dies dem Revisionswerber offensichtlich vor Augen steht) bei den Sicherheitsbehörden und der Sicherheitsexekutive. Damit ist es dem Revisionswerber zuzumuten, gegebenenfalls die Sicherheitsbehörden zu verständigen, anstatt sich aus eigenen Stücken in mutmaßliche Gefahrensituationen ohne entsprechende Abwehrvorsorge zu begeben. Dies auch vor dem Hintergrund, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass die Bekämpfung einer etwaigen Gefahrensituation durch Waffengewalt zu einer erheblichen Gefährdung Unbeteiligter führen und der Versuch, Gefahrensituationen mit Waffengewalt hintanzuhalten, eine Erhöhung der Gefährlichkeit solcher Situationen mit sich bringen kann (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung nochmals VwGH 13.11.2018, Ra 2018/03/0120, mwH). Ausgehend davon ist dem VwG eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wie die Revision in ihrer Zulassungsbegründung geltend macht, auch angesichts der vorgebrachten Expansion des Unternehmens des Revisionswerbers nicht unterlaufen.

10 F. In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

11 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 26. April 2019

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