VwGH Ra 2019/01/0050

VwGHRa 2019/01/005028.2.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des T B in W, vertreten durch MMag.Dr. Kazim Yilmaz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Volksgartenstraße 3, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 26. November 2018, Zl. VGW-152/019/5111/2018-15, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §45 Abs2
B-VG Art133 Abs4
StbG 1985 §27 Abs1
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019010050.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis stellte das Verwaltungsgericht Wien - unter Abweisung der gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 23. März 2018 gerichteten Beschwerde des Revisionswerbers - fest, dass der Revisionswerber die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 27 Abs. 1 StbG durch den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit spätestens am 27. Juni 2007 verloren habe und er nicht mehr österreichischer Staatsbürger sei. Die Revision ließ das Verwaltungsgericht nicht zu.

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, dem im Jahr 1943 in der Türkei geborenen Revisionswerber sei mit Bescheid der belangten Behörde vom 4. November 1982 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden, nachdem das Ausscheiden des Revisionswerbers auf dem türkischen Staatsverband mit Schreiben der türkischen Botschaft in Wien bestätigt worden sei.

3 Der Revisionswerber sei Inhaber eines am 27. Juni 2007 ausgestellten türkischen Personalausweises, dessen - näher genannte - Daten mit jenen Datensätzen übereinstimmten, die auf sich auf einem im Akt befindlichen, auf den 27. Oktober 2017 datierten Auszug aus der der belangten Behörde übermittelten "türkischen Wählerevidenzliste" befänden.

4 Der Revisionswerber habe nach seinem Ausscheiden aus dem türkischen Staatsverband im Jahr 1982 zu einem nicht mehr exakt feststellbaren Zeitpunkt - spätestens aber am 27. Juni 2007 - die türkische Staatsbürgerschaft über seinen Antrag neuerlich verliehen bekommen.

5 Sowohl der Revisionswerber als auch seine Ehegattin hätten zunächst im Zuge des Verfahrens vor der belangten Behörde angegeben, dass der Revisionswerber die türkische Staatsangehörigkeit im Jahr 2007 wieder erworben habe und in diesem Zusammenhang den erwähnten, auf den Revisionswerber ausgestellten Staatsbürgerschaftsnachweis vorgelegt. Ein derartiger Staatsbürgerschaftsnachweis habe sowohl nach der türkischen Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Ausstellung als auch nach der aktuellen türkischen Rechtslage die Vermutung für sich, dass der Betroffene türkischer Staatsangehöriger sei. Es handle sich dabei um ein "amtliches Dokument" im Sinne des Art. 3 lit. r des türkischen Gesetzes über das Personenstandswesen Nr. 5940 vom 25. April 2006, weshalb davon auszugehen sei, dass dem Personalausweis - ähnlich wie dem Auszug aus dem türkischen Personenstandsregister (Hinweis auf VwGH 10.7.2018, Ra 2018/01/0094) - ein erheblicher Beweiswert zukomme, dass der Inhaber eines solchen Ausweises türkischer Staatsangehöriger sei.

6 Schließlich verpflichte Art. 11 Abs. 1 des türkischen Gesetzes über das Personenstandswesen jeden türkischen Staatsangehörigen, sich in das Personenstandsregister eintragen zu lassen und einen Personalausweis in Empfang zu nehmen. Auch die Empfangnahme des Personalausweises durch den Revisionswerber spreche somit für den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit des Revisionswerbers spätestens im Jahr 2007.

7 Zur Frage des Vorliegens einer - vom Revisionswerber in Abrede gestellten - auf den Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gerichteten Willenserklärung sei darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 11 des zum maßgeblichen Zeitpunkt (2007) in Kraft gestandenen türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes Nr. 403 vom 11. Februar 1964 für die Bewerbung um die Einbürgerung zur türkischen Staatsangehörigkeit ein Antrag erforderlich sei (Hinweis auf VwGH 10.7.2018, Ra 2018/01/0094, und 19.4.2012, 2010/01/0021). Schon dies spreche dafür, dass der Revisionswerber nach Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft neuerlich einen Antrag auf Verleihung der türkischen Staatsbürgerschaft gestellt habe.

8 Außerdem hätten sowohl der Revisionswerber als auch seine Ehegattin im Zuge des Verfahrens vor der belangten Behörde angegeben, dass der Revisionswerber die türkische Staatsangehörigkeit im Jahr 2007 - dem Jahr der Ausstellung des Personalausweises - wieder angenommen habe. Davon ausgehend schienen die in weiterer Folge vor dem Verwaltungsgericht getätigte Aussage des Revisionswerbers und seiner Gattin, wonach der Revisionswerber die Verleihung der türkischen Staatsangehörigkeit zu keinem Zeitpunkt beantragt habe, nicht glaubwürdig. Das Verwaltungsgericht gehe davon aus, dass dem Revisionswerber und seiner Gattin die Konsequenz der Vorlage des türkischen Personalausweises erst im Zuge des weiteren Verfahrens bewusst geworden sei und sie deshalb von ihrer ursprünglichen, vor der belangten Behörde getätigten Aussage abgewichen seien, zumal die die Gattin des Revisionswerbers im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht auch angegeben habe, dass ihnen nicht bewusst gewesen sei, dass "dieser Ausweis gleichbedeutend mit der türkischen Staatsbürgerschaft ist".

9 Zu dem vom Revisionswerber vorgelegten Schreiben des türkischen Generalkonsulats in Wien vom 3. Oktober 2018 - sei auszuführen, dass daraus nicht ersichtlich sei, dass der Revisionswerber nach seiner Entlassung aus dem türkischen Staatsverband im Jahr 1982 nicht zu einem späteren Zeitpunkt die Verleihung der türkischen Staatsangehörigkeit wieder beantragt und diese auch verliehen bekommen habe. Dies sei aber die im vorliegenden Fall zu klärende entscheidungswesentliche Frage. Zu den in diesem Schreiben angesprochenen "Systemfehler" seien keine näheren Angaben enthalten. Es sei davon auszugehen, dass - hätte der Revisionswerber die türkische Staatsbürgerschaft tatsächlich nach der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft im Jahr 1982 nicht angenommen - dies den türkischen Behörden spätestens zu jenem Zeitpunkt hätte auffallen müssen, als dem Revisionswerber im Juni 2007 ein türkischer Personalausweis ausgestellt worden sei.

10 Dieses Schreiben könne daher die sowohl in Art. 38 lit b des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes Nr. 403 vom 11. Februar 1964 als auch in Art. 36 Abs. 2 lit b des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes Nr. 5901 vom 29. Mai 2009 normierte Vermutung der türkischen Staatsangehörigkeit für den Inhaber eines türkischen Personalausweises nicht widerlegen. Ebenso wenig könne daraus abgeleitet werden, dass der Revisionswerber einen neuerlichen Antrag auf Verleihung der türkischen Staatsangehörigkeit gestellt habe, weil auf diese Frage in dem Schreiben nicht eingegangen werde.

11 Im Übrigen habe das Verwaltungsgericht Wien im Hinblick auf das erwähnte Schreiben vom 3. Oktober 2018 eine Anfrage an das türkische Generalkonsulat gerichtet, in dem um Übermittlung näherer Informationen und Bescheinigungsmittel in Bezug auf den erwähnten "Systemfehler" ersucht worden sei. Dieses Ersuchen sei unbeantwortet geblieben.

12 Der Revisionswerber habe gemäß § 27 Abs. 1 StbG die österreichische Staatsbürgerschaft durch den auf seinen Antrag hin erfolgten Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit ex lege verloren.

13 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

14 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

15 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

16 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

17 Die Revision macht in den Zulässigkeitsgründen (allein) geltend, durch das Schreiben des türkischen Generalkonsulats vom 3. Oktober 2018 sei unzweifelhaft nachgewiesen, dass der Revisionswerber niemals die türkische Staatsangehörigkeit aufgrund einer positiven Willenserklärung erworben habe und daher die Voraussetzungen für einen Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht gegeben seien. Aus dem Schreiben ergebe sich, dass die Entlassung des Revisionswerbers aus dem türkischen Staatsverband aufgrund eines Systemfehlers nicht in das türkische Personenstandsregister eingetragen worden sei, sodass dieser (nach Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft) weiterhin als türkischer Staatsangehöriger registriert gewesen und tatsächlich nie aus dem türkischen Staatsverband ausgeschieden sei, sodass er die türkische Staatsangehörigkeit auch nicht wiedererwerben habe können.

18 Soweit die Revision in diesem Zusammenhang vorbringt, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis VwGH Ra 2018/01/0094) abgewichen, weil es der "öffentlichen Urkunde" des Generalkonsulats in Wien vom 3. Oktober 2018 keinen erhöhten Beweiswert zugemessen habe, ist dem zu entgegnen, dass sich der Verwaltungsgerichtshof im erwähnten Erkenntnis 2018/01/0094 lediglich mit Eintragungen im türkischen Personenstandsregister und deren Ausfertigungen bzw. "Auszügen" befasst und ausgesprochen hat, dass diese nach türkischem Recht zu den Strengbeweismitteln (kesin delil) gehören. Das Schreiben des türkischen Generalkonsulats stellt keinen derartigen Eintrag bzw. Auszug dar, weshalb ein Abweichen von der genannten Rechtsprechung insofern nicht vorliegt.

19 Soweit die Revision - für den Fall, dass ein Abweichen von der genannten Rechtsprechung nicht vorliege - in den Zulässigkeitsgründen weiters vorbringt, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob eine "Urkunde" des türkischen Generalkonsulats in Wien den Charakter einer öffentlichen Urkunde habe und somit ihre Ausfertigungen - wie die Eintragungen im türkischen Personenstandsregister - nach türkischem Recht zu den "Strengbeweismitteln" zählten, fehle, ist dem zu entgegnen, dass das Schicksal der Revision nicht von dieser Frage abhängt (vgl. zu diesem Erfordernis für das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG etwa VwGH 24.10.2018, Ra 2018/10/0113, mwN):

20 Das Verwaltungsgericht hat sich - im Übrigen nach erfolglosem Auskunftsersuchen an das türkische Generalkonsulat betreffend konkrete Informationen zum erwähnten "Systemfehler" - nämlich beweiswürdigend mit dem Inhalt des Schreibens des türkischen Generalkonsulats vom 3. Oktober 2018 auseinandergesetzt und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass daraus nicht abgeleitet werden könne, dass der Revisionswerber die türkische Staatsangehörigkeit im Jahr 1982 nicht neuerlich angenommen habe. Das Verwaltungsgericht hat beweiswürdigend demnach angenommen, dass diesem Schreiben der vom Revisionswerber behauptete Inhalt (Rn 17) gerade nicht entnommen werden könne.

21 Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt aber nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 14.12.2018, Ra 2018/01/0184, mwN). Eine derart krasse Fehlbeurteilung des BVwG im Rahmen der Beweiswürdigung wird in der Revision nicht dargetan, zumal das Verwaltungsgericht die Annahme des Wiedererwerbs der türkischen Staatsangehörigkeit infolge diesbezüglichen Antrags des Revisionswerbers auf umfassende beweiswürdigende Erwägungen - insbesondere unter Berücksichtigung des erheblichen Beweiswerts des Personalausweises als "amtlicher Urkunde" nach türkischem Recht (vgl. dazu auch VwGH 15.3.2012, 2010/01/0022 - gestützt hat, denen die Revision nicht entgegen tritt.

22 Zusammenfassend ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht von den vom Verwaltungsgerichtshof zu ähnlich gelagerten Fällen zum Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit aufgestellten Leitlinien - insbesondere hinsichtlich der getroffenen Feststellungen zum türkischen Recht und der vorgenommenen Beweiswürdigung - abgewichen (vgl. VwGH Ra 2018/01/0094, Rn 32 ff, sowie die dort angeführte umfängliche Rechtsprechungsübersicht).

23 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 28. Februar 2019

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