VwGH Ra 2018/22/0099

VwGHRa 2018/22/009923.5.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Lechner, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 16. März 2018, LVwG-AV-531/001-2017, betreffend Aufenthaltstitel (mitbeteiligte Partei: E O E, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Maria-Theresia-Straße 9), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §47 Abs2;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018220099.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 27. Dezember 2016 wies die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt (belangte Behörde) den Zweckänderungsantrag des Mitbeteiligten, eines nigerianischen Staatsangehörigen, vom 12. April 2016 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" ab.

Nach Ansicht der belangten Behörde handle es sich bei der Ehe des Mitbeteiligten mit der österreichischen Staatsbürgerin A F um eine Aufenthaltsehe. Zudem würden die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel bei weitem unter dem erforderlichen Richtsatz liegen.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich der dagegen erhobenen Beschwerde statt und erteilte dem Mitbeteiligten einen Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" gemäß § 47 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) mit einer Gültigkeitsdauer von zwölf Monaten. Die ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

Das Verwaltungsgericht gelangte zur Feststellung, dass es sich bei der Ehe des Mitbeteiligten nicht um eine Aufenthaltsehe handle. Dabei berücksichtigte es insbesondere die als glaubhaft erachteten Aussagen des Mitbeteiligten und seiner Ehefrau in der mündlichen Verhandlung zum gemeinsamen Familienleben und zur Beziehung des Mitbeteiligten zum - an frühkindlichem Autismus leidenden - Sohn seiner Ehefrau sowie die vorgelegten Fotos.

Weiters ging das Verwaltungsgericht von erforderlichen Einkünften in der Höhe von EUR 1.868,23 aus. Unter Zugrundelegung der Familienbeihilfe im Ausmaß von EUR 414,- stehe aber nur ein Nettoeinkommen in Höhe von EUR 1.560,83 zur Verfügung; der erforderliche Richtsatz werde deutlich unterschritten (nur bei einem - nicht nachgewiesenen - Bezug der erhöhten Familienbeihilfe wäre das Haushaltseinkommen ausreichend). Gemäß § 11 Abs. 3 NAG könne - so das Verwaltungsgericht weiter - ein Aufenthaltstitel aber trotz Ermangelung der Voraussetzung nach § 11 Abs. 2 Z 4 NAG erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten sei. Diesbezüglich gelangte das Verwaltungsgericht mit näherer Begründung zum Ergebnis, dass die privaten Interessen des Mitbeteiligten die öffentlichen Interessen überwiegen würden, weshalb der Aufenthaltstitel zu erteilen sei.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der belangten Behörde.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das Verwaltungsgericht habe die Beweiswürdigung in unvertretbarer Weise vorgenommen.

6 Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt - als Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (siehe VwGH 16.1.2018, Ra 2017/22/0212, mwN). Die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes unterliegt nur in beschränktem Maße, nämlich nur hinsichtlich ihrer Schlüssigkeit, nicht aber hinsichtlich ihrer Richtigkeit, einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. VwGH 22.3.2018, Ra 2018/22/0054, mwN). Eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes vermag die Revisionswerberin mit ihrem Vorbringen allerdings nicht aufzuzeigen, zumal nicht dargelegt wird, dass der in diesem Zusammenhang monierten Würdigung des Vorbringens des Mitbeteiligten betreffend das Ehefähigkeitszeugnis sowie seine Tätigkeit in Linz (bis März 2016) entscheidungserhebliche Bedeutung zugekommen wäre.

7 Soweit die Revisionswerberin geltend macht, "die Einbeziehung der erhöhten Familienbeihilfe als Einkommen" stelle eine ungeklärte Rechtsfrage dar, genügt der Hinweis, dass das Verwaltungsgericht - auch wenn in einem Klammerausdruck festgehalten wurde, das Haushaltseinkommen wäre bei Berücksichtigung des nicht nachgewiesenen Bezugs der erhöhten Familienbeihilfe ausreichend - seiner Entscheidung gerade nicht die Erfüllung der Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 4 und Abs. 5 NAG zugrunde gelegt, sondern die Erteilung des Aufenthaltstitels mit dem Ergebnis der Interessenabwägung nach § 11 Abs. 3 NAG begründet hat. Das rechtliche Schicksal der Revision hängt daher nicht von der behaupteten Rechtsfrage ab (vgl. VwGH 15.3.2017, Ra 2016/04/0037, Rn. 10, mwN).

8 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

9 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 23. Mai 2018

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