VwGH Ra 2018/22/0057

VwGHRa 2018/22/005722.3.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des S I in W, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen das am 20. November 2017 mündlich verkündete und mit Datum vom 18. Dezember 2017 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien, VGW-151/082/4760/2017-16, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §66 Abs4;
EMRK Art6;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §28;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018220057.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 6. Dezember 2016 wies der Landeshauptmann von Wien (belangte Behörde) den Erstantrag des Revisionswerbers, eines serbischen Staatsangehörigen, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" nach § 46 Abs. 1 Z 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) gestützt auf § 11 Abs. 1 Z 4 NAG ab, weil es sich nach Auffassung der belangten Behörde bei der zwischen dem Revisionswerber und der über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügenden serbischen Staatsangehörigen M D geschlossenen Ehe um eine Aufenthaltsehe handle.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie Vernehmung des Revisionswerbers, der M D und mehrerer Zeugen als unbegründet ab und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig.

Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung - gestützt insbesondere auf die Aussagen in der mündlichen Verhandlung und die dabei zu Tage getretenen Widersprüche - zugrunde, dass zwischen dem Revisionswerber und der M D keine tatsächliche familiäre Beziehung und auch keine sonstige persönliche Verbundenheit bestehe. Werde - wie vorliegend - ein gemeinsames Familienleben nicht geführt, könne sich der Revisionswerber auf die so geschlossene Ehe nicht berufen. Das Vorliegen einer Aufenthaltsehe stelle nach § 11 Abs. 1 Z 4 NAG ein absolutes Erteilungshindernis dar. Eine Interessenabwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG sei nicht vorzunehmen.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5 Der Revisionswerber moniert, ein Beweisverfahren mit Parteiengehör habe erst im zweiten Rechtsgang (gemeint: vor dem Verwaltungsgericht) stattgefunden und er könne kein "weiteres Tatsachengericht" mehr anrufen. Im erstinstanzlichen Verfahren habe es kein ausreichendes Beweisverfahren gegeben, der Revisionswerber sei nicht von der belangten Behörde einvernommen worden.

6 Abgesehen davon, dass sich dem vorgelegten Verwaltungsakt entnehmen lässt, dass der Revisionswerber von der belangten Behörde vom Ergebnis der Beweisaufnahme (insbesondere in Form einer Vernehmung vor der Landespolizeidirektion) verständigt und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme oder zur mündlichen Erörterung eingeräumt worden ist, ist diesem Vorbringen entgegenzuhalten, dass allfällige Verfahrensmängel im Verfahren vor der belangten Behörde durch ein mängelfreies Verfahren vor dem Verwaltungsgericht saniert werden (siehe VwGH 26.11.2015, Ra 2015/07/0144, mwN). Bedenken im Hinblick auf das Fehlen einer weiteren gerichtlichen Ebene mit voller Tatsachenkognition bestehen nicht (vgl. zur Rolle des Verwaltungsgerichtshofes einerseits sowie zur vollen Tatsachenkognition der Verwaltungsgerichte andererseits VwGH 30.3.2017, Ro 2015/03/0036, sowie 19.1.2017, Ro 2014/08/0084).

7 Soweit der Revisionswerber moniert, das Verwaltungsgericht dürfe nicht die Beweiswürdigung weglassen, ist darauf hinzuweisen, dass das angefochtene Erkenntnis ohnehin Ausführungen zur Beweiswürdigung enthält und eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unschlüssigkeit dieser Beweiswürdigung nicht aufgezeigt wird (siehe diesbezüglich VwGH 27.7.2017, Ra 2017/22/0082, mwN).

8 Auf die - den Hauptteil des Zulässigkeitsvorbringens einnehmenden, vom Revisionswerber erhobenen - unionsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung des § 117 Fremdenpolizeigesetz 2005 war schon deshalb nicht einzugehen, weil diese Bestimmung im gegenständlichen Verfahren nicht angewendet wurde und auch nicht anzuwenden war. Aus diesem Grund war auch der Anregung, hinsichtlich dieser Bestimmung ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zu richten bzw. ein Gesetzesprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen, nicht näher zu treten.

9 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

10 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 22. März 2018

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