VwGH Ra 2018/21/0014

VwGHRa 2018/21/001415.3.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Samonig, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30. November 2017, I405 1435735- 2/19E, betreffend Rückkehrentscheidung, Ausspruch nach § 9 Abs. 3 BFA-VG und Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 (mitbeteiligte Partei: O U in I, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 21/1), zu Recht erkannt:

Normen

32008L0115 Rückführungs-RL Art2 Abs3;
AsylG 2005 §54 Abs5;
AsylG 2005 §55;
BFA-VG 2014 §9 Abs3;
EURallg;
FrPolG 2005 §52 Abs2;
FrPolG 2005 §52;
VwGG §42 Abs2 Z2;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018210014.L00

 

Spruch:

Das bekämpfte Erkenntnis wird im Umfang seiner Anfechtung (Ausspruch nach § 9 Abs. 3 BFA-VG und Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005) wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufgehoben.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte ist nigerianischer Staatsangehöriger und gelangte 2012 nach Österreich. Er stellte hier einen Antrag auf internationalen Schutz, den das Bundesasylamt mit Bescheid vom 23. Mai 2013 vollinhaltlich abwies; außerdem wies es den Mitbeteiligten nach Nigeria aus.

2 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 21. Oktober 2015, Asyl und subsidiären Schutz betreffend, als unbegründet ab. Im Übrigen verwies es "das Verfahren" gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zurück.

3 Mit Bescheid vom 28. Jänner 2016 sprach das BFA sodann aus, dass dem Mitbeteiligten ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt werde. Unter einem erließ es gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei und setzte die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

4 Der Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 30. November 2017 entschied das BVwG, dass der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 9 BFA-VG stattgegeben und festgestellt werde, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei. Außerdem sprach es aus, dass dem Mitbeteiligten gemäß §§ 54, 55 Abs. 1 und 58 Abs. 2 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten erteilt werde. Eine Revision erklärte das BVwG gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

 

5 Über die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision des BFA, die sich der Sache nach nicht auch gegen die der Beschwerdestattgebung implizit (vgl. VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0193, Rn. 15) zugrunde liegende Aufhebung der vom BFA verhängten Rückkehrentscheidung samt den damit zusammenhängenden Absprüchen richtet, hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Durchführung eines Vorverfahrens - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

6 Das BVwG stellte fest, dass der Mitbeteiligte seit 8. Juli 2017 mit einer italienischen Staatsangehörigen verheiratet sei. Diese sei Arbeitnehmerin in Österreich und verfüge über eine Anmeldebescheinigung. Der Mitbeteiligte wohne mit ihr - in Innsbruck - im gemeinsamen Haushalt.

7 Davon ausgehend ist der Mitbeteiligte, wie in der zulässigen Revision zutreffend aufgezeigt wird, begünstigter Drittstaatsangehöriger.

8 Gegen begünstigte Drittstaatsangehörige kann eine Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG nicht erlassen werden (vgl. nur VwGH 31.8.2017, Ra 2017/21/0133, Rn. 7). Das ordnet das Gesetz zwar ausdrücklich nur für die Konstellation des § 52 Abs. 2 FPG - siehe den letzten Satz dieses Absatzes - an, die generelle Unzulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen begünstigte Drittstaatsangehörige ergibt sich aber schon daraus, dass die mit § 52 FPG umgesetzte Rückführungsrichtlinie (2008/115/EG ) auf begünstigte Drittstaatsangehörige nach ihrem Art. 2 Abs. 3 nicht anzuwenden ist (siehe auch VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0179).

9 Begünstigten Drittstaatsangehörigen kann weiter gemäß § 54 Abs. 5 AsylG 2005 kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen - insbesondere also auch nicht ein solcher nach § 55 AsylG 2005 - erteilt werden.

10 Aber auch eine Feststellung nach § 9 Abs. 3 BFA-VG, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei, kommt in Bezug auf begünstigte Drittstaatsangehörige nicht in Betracht. Denn einerseits liegt einer derartigen Feststellung nach § 9 Abs. 3 BFA-VG zugrunde, dass die Voraussetzungen für eine Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG erfüllt sind (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0224, Rn. 13), und andererseits geht es bei dieser Feststellung nur darum, die Basis für einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 - dessen Erteilung an begünstigte Drittstaatsangehörige nach dem oben Gesagten von vornherein nicht in Betracht kommt - zu schaffen (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101, Punkte 3.3. und 3.4. der Entscheidungsgründe).

11 Das BVwG hätte also, wie von der Amtsrevision richtig ausgeführt wird, weder die gegenständliche Feststellung nach § 9 Abs. 3 BFA-VG treffen noch eine "Aufenthaltsberechtigung plus" nach § 55 AsylG 2005 erteilen dürfen, sondern es hatte nur (wie implizit ohnehin vorgenommen) den Bescheid des BFA vom 28. Jänner 2016, betreffend (insbesondere) die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, ersatzlos zu beheben. Das gegenständliche Erkenntnis ist daher im Umfang seiner Anfechtung mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes behaftet, weshalb es insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben war.

Wien, am 15. März 2018

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