VwGH Ra 2018/20/0289

VwGHRa 2018/20/028912.6.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, in der Rechtssache der Revision des S M J, 2. der M J, 3. des S M J, 4. des S A J und 5. der F J, alle in S, alle vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. April 2018, 1) Zl. W257 2172283- 1/11E, 2) Zl. W257 2172278-1/10E, 3) Zl. W257 2172284-1/12E,

4) Zl. W257 2172282-1/9E und 5) Zl. W257 2172277-1/9E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs1 Z5;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018200289.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die revisionswerbenden Parteien sind Staatsangehörige Afghanistans. Der Erstrevisionswerber ist mit der Zweitrevisionswerberin verheiratet, die dritt- bis fünftrevisionswerbenden Parteien sind deren minderjährige Kinder.

2 Am 3. Juli 2015 stellte zunächst der Drittrevisionswerber, am 7. September 2015 jeweils auch die übrigen revisionswerbenden Parteien jeweils Anträge auf internationalen Schutz. Begründend führten sie im Wesentlichen aus, die Stiefbrüder des Erstrevisionswerbers hätten diesen wegen einer Grundstücksstreitigkeit verletzt. Dieser fürchte, im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan von ihnen getötet zu werden.

3 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies die Anträge mit Bescheiden vom 1. September 2017 hinsichtlich der Zuerkennung der Status sowohl der Asylberechtigten als auch der subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ Rückkehrentscheidungen gegen die revisionswerbenden Parteien und stellte unter einem fest, dass ihre Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen festgesetzt.

4 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig. Begründend führte es zusammengefasst aus, das Fluchtvorbringen sei zwar glaubhaft, lege jedoch keine asylrelevante Verfolgung dar. Weil es in Afghanistan kein Melderegister gebe, sei es den revisionswerbenden Parteien zu dem möglich, beispielsweise nach Kabul zu ziehen, wo die Stiefbrüder des Erstrevisionswerbers sie nicht fänden. Überdies stehe es ihnen auch offen, staatlichen Schutz in Anspruch zu nehmen. Asyl sei folglich nicht zuzuerkennen gewesen. Bezüglich der Nichtzuerkennung subsidiären Schutzes legte das BVwG dar, eine Rückkehr in die Heimatprovinz der revisionswerbenden Parteien würde diese in ihren Rechten nach Art. 3 EMRK verletzen, doch stehe ihnen die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul offen. Der Erstrevisionswerber habe Berufserfahrung als Landwirt und sei trotz seiner Verletzungen arbeitsfähig; die Dritt- und Viertrevisionswerber seien im arbeitsfähigen Alter, wobei der Drittrevisionswerber bereits als Tischler gearbeitet habe. Auch die Zweitrevisionswerberin könne einer Arbeit nachgehen. Sohin sei nicht davon auszugehen, dass die revisionswerbenden Parteien in Kabul in eine aussichtslose oder existenzbedrohende Situation gelangen würden.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits betont, dass die Gründe für die Zulässigkeit der Revision (insbesondere auch) gesondert von den Revisionsgründen gemäß § 28 Abs. 1 Z 5 VwGG darzustellen sind. Auch wird der Darstellung von Revisionsgründen nicht dadurch entsprochen, dass auf die Ausführungen zu den Zulässigkeitsgründen verwiesen wird. Auf Vorbringen zur Revisionsbegründung im Zusammenhang mit der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision ist nicht einzugehen, selbst wenn es als Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision bezeichnet ist (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0318, mwN).

9 In Bezug auf das Gebot der gesonderten Darstellung der Gründe nach § 28 Abs. 3 VwGG weist der VwGH in ständiger Rechtsprechung (vgl. VwGH 24.9.2015, Ra 2015/07/0089, und VwGH 1.9.2017, Ra 2017/11/0225, mwN) darauf hin, dass diesem Gebot nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet, Genüge getan wird. Diesem Gebot wird daher insbesondere dann nicht entsprochen, wenn die zur Zulässigkeit der Revision erstatteten Ausführungen der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) darstellen (vgl. zu alldem VwGH 1.9.2017, Ra 2017/11/0225, mwN) oder das Vorbringen zur Begründung der Zulässigkeit der Revision mit Ausführungen, die inhaltlich (bloß) Revisionsgründe darstellen, in einer Weise vermengt ist, dass keine gesonderte Darstellung der Zulässigkeitsgründe im Sinne der Anordnung des § 28 Abs. 3 VwGG vorliegt.

10 Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage erweist sich die gegenständliche Revision als nicht gesetzmäßig ausgeführt: Diese ist gegliedert in einen Abschnitt II., der mit "Gründe zur Zulässigkeit der Revision" bezeichnet ist, wobei dieser Abschnitt keine konkrete Rechtsfrage formuliert, sondern sich das erstattete Vorbringen primär gegen die Feststellungen zur Lage in Afghanistan richtet. Im darauf folgenden Abschnitt III. "(Weitere) Revisionsgründe" verweist die Revision "auf das unter oben II) Vorgetragene" Daran schließen als zusätzliches Vorbringen bezeichnete Ausführungen an, die auf das in Abschnitt II erstattete Vorbringen keinen Bezug nehmen. Damit wird das gesamte Revisionsvorbringen einerseits unstrukturiert als Zulässigkeitsvorbringen unterbreitet, andererseits wird der geforderten Darstellung der Zulässigkeitsbegründung und damit der Anordnung des § 28 Abs. 3 VwGG nicht entsprochen (vgl. VwGH 2.5.2018, Ra 2017/02/0236, mwN).

11 Lediglich ergänzend ist darauf zu verweisen, dass die Möglichkeit einer Gefährdung der Fünftrevisionswerberin wegen einer Zwangs- oder Kinderehe (durch Vermittlung der Eltern) erstmals in der Revision vorgebracht wird. Dieses Vorbringen kann vor dem Verwaltungsgerichtshof schon deshalb keine Beachtung finden, weil damit gegen das in § 41 VwGG enthaltene Neuerungsverbot verstoßen wird (vgl. VwGH 13.4.2018, Ra 2018/20/0165, mwN).

12 Soweit die Revision auf die Gefährdung durch die Stiefbrüder des Erstrevisionswerbers (auch) in Kabul sowie die mangelnde Schutzfähigkeit des afghanischen Staats verweist, entfernt sie sich von den im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Feststellungen, ohne dabei jedoch auszuführen, inwieweit die diesbezügliche Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts fehlerhaft wäre (vgl. VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0420, mwN). Auf die ergänzende Annahme des BVwG, es sei aufgrund des Fehlens eines Meldewesens in Afghanistan unwahrscheinlich, dass die revisionswerbenden Parteien von den Stiefbrüdern des Erstrevisionswerbers in Kabul gefunden würden, geht die Revision mit keinem Wort ein.

13 Die Revision wendet sich auch gegen die Annahme der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul. Das diesbezügliche Vorbringen erschöpft sich einerseits in der Wiedergabe von Länderberichten, die auf einen Zeitpunkt nach der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses datiert sind, und andererseits im Vorwurf, das BFA hätte diese Länderinformationen gekannt und vorsätzlich "verheimlicht". Den diesbezüglichen Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts treten die revisionswerbenden Parteien hingegen nicht konkret entgegen. Insbesondere zeigen sie nicht auf, inwiefern ihre individuelle Situation fallbezogen zu einer Unzumutbarkeit der gemeinsamen Rückkehr in ihr Heimatland und dort nach Kabul führen würde (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall VwGH 5.4.2018, Ra 2018/19/0154-0156).

14 Insofern die Revision pauschal ein Abweichen des BVwG von VwGH 22.2.2018, Ra 2017/18/0357-0362, behauptet, legt sie nicht dar, worin diese Abweichung besteht. Wollen sich die revisionswerbenden Parteien mit ihrem Vorbringen auf ein Abweichen von der Rechtsprechung berufen, haben sie konkret darzulegen, in welchen Punkten das angefochtene Erkenntnis von welcher Rechtsprechung abweicht (vgl. VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0174, mwN).

15 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 12. Juni 2018

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