Normen
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §35
AsylG 2005 §35 Abs1
AsylG 2005 §35 Abs4 Z3
AsylG 2005 §60 Abs2
EURallg
NAG 2005 §11 Abs2
NAG 2005 §46
NAG 2005 §46 Abs1 Z2 litc
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg
32003L0086 Familienzusammenführung-RL
32003L0086 Familienzusammenführung-RL Art12 Abs1
32003L0086 Familienzusammenführung-RL Art7 Abs1
62017CJ0380 K und B VORAB
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018190568.L00
Spruch:
Die angefochtenen Erkenntnisse werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.272,36 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Erstrevisionswerberin ist die Mutter der minderjährigen zweit- bis viertrevisionwerbenden Parteien. Sie sind alle syrische Staatsangehörige.
2 Am 6. Juli 2017 stellten die revisionswerbenden Parteien beim Österreichischen Generalkonsulat in Istanbul Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 35 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) und machten geltend, dass der Ehemann bzw. Vater mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 10. Juni 2016 den Status des Asylberechtigten erhalten habe. 3 Auf Vorhalt, dass die Antragstellung außerhalb der dreimonatigen Frist des § 35 Abs. 1 AsylG 2005 erfolgte, brachten die revisionswerbenden Parteien in einer ergänzenden Stellungnahme vor, dass der Familie erst Ende Mai 2017 die Flucht in die Türkei geglückt sei. Weil sich der Ehemann der Erstrevisionswerberin über das Ende der Frist gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 am 10. September 2016 bewusst gewesen sei, habe dieser bereits unmittelbar nach seiner Statuszuerkennung einen Termin für seine Familie beim Österreichischen Generalkonsulat Istanbul für den 1. September 2016 vereinbart. Diese vorhergehende rechtzeitige Terminvereinbarung müsse als fristwahrende Antragstellung gewertet werden. Die Trennung der Familie sei ein Resultat der Fluchtgründe der Bezugsperson, welche aufgrund der in Syrien herrschenden Bedingungen gezwungen gewesen sei, die Heimat zu verlassen. Die Trennung sei nicht freiwillig, sondern zwangsweise erfolgt. Österreich sei der einzige Staat, in dem das gemeinsame Familienleben fortgesetzt werden könne.
4 Mit Bescheid vom 23. Februar 2018 wies die belangte Behörde die Anträge der revisionswerbenden Parteien ab, weil seitens des BFA mitgeteilt worden sei, dass eine Gewährung desselben Schutzes wie der Bezugsperson als nicht wahrscheinlich einzustufen sei. Da die Antragstellung mehr als drei Monate nach der Asylgewährung an die Bezugsperson erfolgt ist, sei § 60 Abs. 2 AsylG 2005 anzuwenden. Die von der Bezugsperson bewohnte, 34 m2 große Wohnung sei für eine Familie mit drei Kindern nicht ortsüblich und deshalb nicht als ausreichend zu bewerten. Zum Zeitpunkt der Antragstellung habe die Bezugsperson über kein eigenes Einkommen jenseits der sozialen Unterstützung durch Bund, Land und Gemeinde verfügt.
5 In den dagegen erhobenen Beschwerden brachten die revisionswerbenden Parteien vor, die Fristversäumung sei weder in ihrem Verschulden noch im Verschulden der Bezugsperson gelegen. Auch wenn kein Nachweis über eine passende Unterkunft und die erforderlichen Einkünfte erbracht werden könne, sei den revisionswerbenden Parteien die Einreise zu gewähren, weil gegenständlich der Ausnahmetatbestand des § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG 2005 zur Anwendung komme und die Bezugsperson somit von der Erfüllung der Erteilungsvoraussetzungen des § 60 Abs. 2 AsylG 2005 ausgenommen sei.
6 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 3. September 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerden als unbegründet ab und erklärte die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
7 Begründend führte das BVwG aus, die Antragstellung der revisionswerbenden Parteien sei mehr als drei Monate nach der rechtskräftigen Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an die Bezugsperson erfolgt, weshalb die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 zu erfüllen seien. Wie auch von den revisionswerbenden Parteien zugestanden, sei dies nicht der Fall. Der klare Wortlaut des § 35 Abs. 1 AsylG 2005 lasse keinen Spielraum für eine Interpretation, wonach es auf ein Verschulden an der Versäumung der Frist ankommen würde. Hinzu komme, dass die Rechtsfolgen der Versäumung der Frist in einem eigenen gesetzlichen Tatbestand geregelt seien, wonach in diesem Fall weitere Einreisevoraussetzungen erfüllt sein müssten. Wollte man sich der Ansicht der "Fristwahrung" aufgrund einer Terminvereinbarung anschließen, hätte dies zur Folge, dass jeder Familienangehörige oder die Bezugsperson "auf gut Glück" sofort nach der rechtskräftigen Statuszuerkennung an die Bezugsperson einen entsprechenden Termin bei einer Vertretungsbehörde im Ausland vereinbaren und damit die Bestimmungen des § 35 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 umgehen könnte. Darüber hinaus sei das BFA im Rahmen der Erstellung der Wahrscheinlichkeitsprognose offensichtlich zu der Ansicht gelangt, dass die Stattgebung der Anträge zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geboten sei.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen gerichtete Revision nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem eine Revisionsbeantwortung vom Österreichischen Generalkonsulat in Istanbul erstattet wurde, die die Zurückweisung, in eventu die Abweisung, der Revision begehrt, erwogen:
9 Die revisionswerbenden Parteien bringen zur Zulässigkeit ihrer Revision vor, dass keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bestehe, ob bei der in § 35 Abs. 1 AsylG 2005 vorgesehenen dreimonatigen Frist ein Nichtverschulden der Revisionswerber berücksichtigt werden müsse. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) habe bereits ausgesprochen, dass eine unterschiedliche Behandlung von Anträgen vor und nach Ablauf der dreimonatigen Frist zulässig sei, wenn die nach drei Monaten erfolgte Antragstellung ohne triftigen Grund verspätet erfolgt ist. Allerdings verhalte es sich anders, wenn die verspätete Stellung eines Antrags aufgrund besonderer Umstände objektiv entschuldbar sei (Hinweis auf EuGH 7.11.2018, KB, C-380/17 ). Zudem gehe das BVwG davon aus, dass die Ausnahmebestimmung des § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG 2005 nicht zum Tragen komme, weil ein Eingriff in das Privat- und Familienleben durch ein Abstellen auf die prognostizierte fehlende wirtschaftliche Erhaltungsfähigkeit gerechtfertigt werden könne. Im Ergebnis unterstelle das BVwG damit aber, dass Art. 8 EMRK nur dann eine Ausnahme von den Bedingungen des § 60 Abs. 2 AsylG 2005 begründe, wenn die Antragsteller den Tatbestand dieser Bestimmung erfüllen würden. Es könne dem Gesetzgeber aber nicht zugesonnen werden, eine Ausnahmebestimmung geschaffen zu haben, die nie zur Anwendung kommen könne, weil die dafür zu erfüllenden Voraussetzungen identisch mit jenen Bedingungen seien, von denen die revisionswerbenden Parteien ausgenommen werden sollten. Letztlich weiche das BVwG von näher zitierter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach ein Unterlassen näherer Feststellungen zu einem konkreten Vorbringen der revisionswerbenden Parteien - in diesem Fall, dass ein Familienleben in der Türkei nicht stattfinden könne - das Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit belaste. Das BVwG habe das Vorbringen weder gewürdigt noch entsprechende Ermittlungsschritte gesetzt.
10 Die Revisionsbeantwortung führt in dem Zusammenhang aus, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 nur eine von mehreren im österreichischen Recht vorgesehenen Möglichkeiten der Familienzusammenführung sei (mit Verweis auf VwGH 3.5.2018, 2017/19/0609). Die Revisionswerber könnten auf das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG 2005), zB § 46 NAG 2005, verwiesen werden. Daran könne auch das Urteil des EuGH vom 7.11.2018, C- 380/17 , nichts ändern.
11 Die Revision ist zulässig und auch begründet. 12 Art. 7 und 12 der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (Familienzusammenführungsrichtlinie) lauten auszugsweise:
"Artikel 7
(1) Bei Einreichung des Antrags auf Familienzusammenführung kann der betreffende Mitgliedstaat vom Antragsteller den Nachweis verlangen, dass der Zusammenführende über Folgendes verfügt:
a) Wohnraum, der für eine vergleichbar große Familie in derselben Region als üblich angesehen wird und der die in dem betreffenden Mitgliedstaat geltenden allgemeinen Sicherheits- und Gesundheitsnormen erfüllt;
b) eine Krankenversicherung für ihn selbst und seine Familienangehörigen, die im betreffenden Mitgliedstaat sämtliche Risiken abdeckt, die in der Regel auch für die eigenen Staatsangehörigen abgedeckt sind;
c) feste und regelmäßige Einkünfte, die ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaates für seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen ausreicht. Die Mitgliedstaaten beurteilen diese Einkünfte anhand ihrer Art und Regelmäßigkeit und können die Höhe der Mindestlöhne und -renten sowie die Anzahl der Familienangehörigen berücksichtigen.
..."
"Artikel 12
(1) Abweichend von Artikel 7 verlangen die Mitgliedstaaten in Bezug auf Anträge betreffend die in Artikel 4 Absatz 1 genannten Familienangehörigen von einem Flüchtling und/oder einem (den) Familienangehörigen keinen Nachweis, dass der Flüchtling die in Artikel 7 genannten Bedingungen erfüllt.
Unbeschadet internationaler Verpflichtungen können die Mitgliedstaaten in Fällen, in denen eine Familienzusammenführung in einem Drittstaat möglich ist, zu dem eine besondere Bindung des Zusammenführenden und/oder Familienangehörigen besteht, die Vorlage des in Unterabsatz 1 genannten Nachweises verlangen.
Die Mitgliedstaaten können von dem Flüchtling die Erfüllung der in Artikel 7 Absatz 1 genannten Voraussetzungen verlangen, wenn der Antrag auf Familienzusammenführung nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten nach der Zuerkennung des Flüchtlingsstatuses gestellt wurde.
..."
13 § 35 Abs. 1 und 4 AsylG 2005 (samt Überschrift) lauten:
"Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden
§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.
...
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigen zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),
2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und
3. im Fall eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
..."
§ 60 Abs. 2 AsylG 2005 lautet:
"(2) Aufenthaltstitel gemäß § 56 dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn
1. der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft aufweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,
2. der Drittstaatsangehörige über einen allen Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,
3. der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG 2005) führen könnte, und
4. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden."
§ 11 Abs. 1 und 2 NAG 2005 lautet:
"§ 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn
1. gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;
2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-
Staates oder der Schweiz besteht;
3. gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;
4. eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;
5. eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder
6. er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.
(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn
1. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;
2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;
3. der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;
4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;
5. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden;
6. der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, rechtzeitig erfüllt hat, und
7. in den Fällen der §§ 58 und 58a seit der Ausreise in einen Drittstaat gemäß § 58 Abs. 5 mehr als vier Monate vergangen sind.
..."
§ 46 Abs. 1 NAG 2005 lautet:
"§ 46. (1) Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen ist ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen, und
1. der Zusammenführende einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41, einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 41a Abs. 1, 4 oder 7a, eine Niederlassungsbewilligung
gemäß § 43 Abs. 1, eine ‚Niederlassungsbewilligung - Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit', sofern dieser Niederlassungsbewilligung eine Tätigkeit gemäß § 1 Abs. 2 lit. f und i AuslBG zu Grunde liegt, oder eine ‚Niederlassungsbewilligung - Forscher' gemäß § 43c innehat,
1a. der Zusammenführende als nunmehriger Inhaber eines Aufenthaltstitels ‚Daueraufenthalt - EU' ursprünglich einen Aufenthaltstitel nach Z 1 innehatte,
2. ein Quotenplatz vorhanden ist und der Zusammenführende
- a) einen Aufenthaltstitel ‚Daueraufenthalt - EU' innehat,
- b) einen Aufenthaltstitel ‚Rot-Weiß-Rot - Karte plus', ausgenommen einen solchen gemäß § 41a Abs. 1, 4 oder 7a innehat,
c) Asylberechtigter ist und § 34 Abs. 2 AsylG 2005 nicht gilt, oder
d) als unionsrechtlich aufenthaltsberechtigter Drittstaatsangehöriger über eine Aufenthaltskarte gemäß § 54 oder eine Daueraufenthaltskarte gemäß § 54a verfügt.
..."
14 In seinem Urteil vom 7. November 2018, KB, C-380/17 , behandelte der EuGH einen Fall, in dem ein in den Niederlanden subsidiär Schutzberechtigter einen Antrag auf Familienzusammenführung zugunsten seiner in Eritrea aufhältigen Ehefrau und seiner minderjährigen Tochter nach Ablauf der vorgesehenen Frist von drei Monaten nach Erteilung des Aufenthaltstitels stellte.
15 Der EuGH sprach in diesem Urteil unter anderem aus, dass Art. 12 Abs. 1 der Familienzusammenführungsrichtlinie einer nationalen Regelung, nach der ein Antrag auf Familienzusammenführung, der für einen Familienangehörigen eines Flüchtlings gemäß den für Flüchtlinge geltenden günstigeren Bestimmungen des Kapitels V dieser Richtlinie gestellt worden sei, abgelehnt werden könne, weil er mehr als drei Monate nach der Zuerkennung des Flüchtlingsstatus an den Zusammenführenden gestellt worden sei, nicht entgegenstehe, sofern diese Regelung unter anderem vorsehe, dass ein solcher Ablehnungsgrund in Fällen unzulässig ist, in denen die verspätete Stellung des ersten Antrags aufgrund besonderer Umstände objektiv entschuldbar sei. 16 Der EuGH legte dar, dass Art. 12 Abs. 1 Unterabsatz 3 der Familienzusammenführungsrichtlinie klarstelle, dass die Mitgliedstaaten von dem Flüchtling die Erfüllung der in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie genannten Voraussetzungen verlangen können, wenn der Antrag auf Familienzusammenführung nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten nach der Zuerkennung des Flüchtlingsstatus gestellt worden sei. Diese Bestimmung könne nicht dahin ausgelegt werden, dass die Mitgliedstaaten davon auszugehen hätten, dass die Überschreitung - ohne triftigen Grund - der Frist für die Stellung eines Antrags auf Familienzusammenführung nach der in Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Richtlinie vorgesehenen günstigeren Regelung nur ein Gesichtspunkt sei, der neben weiteren bei der Gesamtbeurteilung der Begründetheit dieses Antrags zu berücksichtigen sei und durch andere Erwägungen ausgeglichen werden könne. Eine nationale Regelung, nach der ein Antrag auf Familienzusammenführung abgelehnt werden könne, weil er mehr als drei Monate, nachdem dem Zusammenführenden der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden war, gestellt worden sei, die jedoch die Möglichkeit biete, im Rahmen einer anderen Regelung einen neuen Antrag zu stellen, sei als solche nicht geeignet, die Ausübung des durch die Richtlinie verliehenen Rechts auf Familienzusammenführung praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren (Rn 59). Allerdings verhielte es sich anders, wenn die Ablehnung des ersten Antrags auf Familienzusammenführung in Fällen erfolgen könnte, in denen die verspätete Stellung dieses Antrags aufgrund besonderer Umstände objektiv entschuldbar sei (Rn 62).
17 Der Verwaltungsgerichtshof hatte sich in seinem Erkenntnis vom 3. Mai 2018, Ra 2017/19/0609, damit auseinanderzusetzen, inwieweit bei der Auslegung des Begriffes "Familienangehöriger" in § 35 Abs. 5 AsylG 2005 die Bestimmungen der Familienzusammenführungsrichtlinie sowie die dazu ergangene EuGH-Judikatur maßgeblich sind. Dabei ging es um eine Konstellation, in der die in Österreich aufhältige Bezugsperson der Antragsteller während des Visumverfahrens volljährig wurde. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Bezugnahme auf den asylspezifischen Zweck des § 35 AsylG 2005, für die nachziehenden Personen nach Einreise in das Bundesgebiet ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG 2005 zu eröffnen und ihnen denselben Schutz wie dem bereits in Österreich aufhältigen Angehörigen zu gewähren, ausgesprochen, dass sich ein Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 von vornherein als ungeeignetes Mittel erweise, um dem Anliegen der damaligen Revisionswerber auf Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich befindlichen (im Laufe des Verfahrens volljährig gewordenen) Sohn zu entsprechen, weil die Eltern im Zeitpunkt der Beantragung des internationalen Schutzes nach Einreise in das Bundesgebiet nicht mehr dem Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 unterliegen würden. Sie wären daher auf die anderen - im NAG 2005 und im FPG eröffneten - Möglichkeiten der Familienzusammenführung und der Ausstellung von entsprechenden Einreisetiteln zu verweisen (vgl. zu allem VwGH Ra 2017/19/0609).
18 Der Verwaltungsgerichtshof hat ebenfalls festgehalten, dass das Kapitel V ("Familienzusammenführung von Flüchtlingen") der Familienzusammenführungsrichtlinie Rechtsvorschriften, nach denen Familienangehörigen der Flüchtlingsstatus zuerkannt wird, unberührt lässt und nicht regelt, unter welchen Voraussetzungen einem Familienangehörigen eines Asylberechtigten selbst der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist. Er hat aber auch ausgeführt, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 35 AsylG 2005 auch auf unionsrechtliche Regelungen der Familienzusammenführungsrichtlinie Bedacht genommen hat, was letztlich dazu führen kann, dass in bestimmten Konstellationen der Familienzusammenführung dem Familienangehörigen weitergehende Rechte - etwa durch die Gewährung des Status des Asylberechtigten -
eingeräumt werden als es die Familienzusammenführungsrichtlinie vorsieht (vgl. dazu wiederum VwGH Ra 2017/19/0609, mwN). Die Bestimmungen des § 34 und des § 35 AsylG 2005 können daher Fälle erfassen, die an sich der Familienzusammenführungsrichtlinie unterliegen würden, gleichzeitig aber den Familienangehörigen eine günstigere Rechtsstellung einräumen, als es diese Richtlinie verlangt.
19 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es daher möglich, aber nicht erforderlich, den Vorgaben der Familienzusammenführungsrichtlinie im Wege des § 35 AsylG 2005 zu entsprechen. Ob die EuGH-Judikatur im revisionsgegenständlichen Fall im Wege des § 35 AsylG 2005 oder des NAG 2005 umzusetzen ist und wie dabei dem Willen des Gesetzgebers am ehesten entsprochen wird, ist somit aus einer Interpretation der jeweiligen Gesetzesmaterien zu gewinnen.
20 In dem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass der Gesetzgeber in Fällen, in denen ein Antrag gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 nach drei Monaten gestellt wird, offenkundig - abgesehen von der Ausnahme in § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG 2005 - überhaupt keinen Einreisetitel gewähren wollte, wenn die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 nicht nachgewiesen wurden, weil sich derartige Bedingungen auch in § 46 iVm § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 NAG 2005 finden. Dieses Ziel des Gesetzgebers lässt sich allerdings aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts dann nicht verwirklichen, wenn die Versäumung der Dreimonatsfrist wegen des Vorliegens besonderer Umstände objektiv entschuldbar war. Der EuGH-Rechtsprechung muss daher entweder im Wege der Anwendung des § 35 Abs. 1 AsylG 2005 oder des § 46 iVm § 11 Abs. 2 NAG 2005 Rechnung getragen werden.
21 Die Erläuterungen der Regierungsvorlage zum Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005 und das BFA (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) -Verfahrensgesetz geändert werden, BGBl I Nr. 24/2016, mit dem der letzte Satz in § 35 Abs. 1 AsylG 2005 eingefügt wurde, lauten auszugsweise wie folgt (ErläutRV 996 BlgNR XXV. GP , 1 und 4):
"Allgemeiner Teil:
Im Hinblick auf die Familienzusammenführung kann im Rahmen des Unionsrechts vom zuziehenden Familienangehörigen verlangt werden, eine Unterkunft, eine Krankenversicherung sowie feste und regelmäßige Einkünfte iSd § 11 Abs. 5 NAG 2005 nachzuweisen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz durch den zuziehenden Familienangehörigen nicht binnen drei Monaten nach Zuerkennung des Asylberechtigtenstatus der Bezugsperson gestellt wird. Diese Option wird nun in § 35 AsylG 2005 aufgenommen. Bei Antragstellung innerhalb von drei Monaten nach Zuerkennung des Asylberechtigtenstatus an den Zusammenführenden bleiben die Voraussetzungen für den Familiennachzug zu Asylberechtigten wie bisher.
...
Zu Abs. 1:
Für Anträge von Familienangehörigen eines Asylberechtigten gilt in Hinkunft, dass bei jenen Anträgen auf Erteilung eines Einreisetitels, die mehr als drei Monate nach Zuerkennung des Asylberechtigtenstatus der familienzusammenführenden Bezugsperson eingebracht wurden, die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zusätzlich nachzuweisen sind. Dies entspricht Art. 12 Abs. 1, 3. Unterabsatz der Richtlinie 2003/86/EG betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (Familienzusammenführungs-RL). Diese Voraussetzungen umfassen die Erbringung von Nachweisen einer adäquaten Unterkunft, einer Krankenversicherung sowie fester und regelmäßiger Einkünfte im Sinne des § 11 Abs. 5 NAG 2005."
22 Den Erläuterungen zur Regierungsvorlage ist somit zu entnehmen, dass die Einführung der Dreimonatsfrist in § 35 Abs. 1 AsylG 2005 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die entsprechende Bestimmung der Familienzusammenführungsrichtlinie erfolgte. Der Gesetzgeber wollte daher die in der Richtlinie enthaltenen Vorgaben auch für die Antragstellung nach § 35 AsylG 2005 vorsehen.
23 Im Erkenntnis Ra 2017/19/0609 hat der Verwaltungsgerichtshof mit Hinweis auf den asylspezifischen Zweck des § 35 AsylG 2005, entschieden, dass die Familienzusammenführung in Fällen, in denen den nachziehenden Familienangehörigen ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 nach Einreise in das Bundesgebiet nicht offensteht, über das NAG 2005 zu erfolgen habe. 24 Eine derartige Konstellation ist aber im revisionsgegenständlichen Fall nicht gegeben. Hier handelt es sich um die Ehefrau und die minderjährigen Kinder einer in Österreich aufhältigen asylberechtigten Bezugsperson, denen grundsätzlich nach Einreise in das Bundesgebiet ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 eröffnet ist.
25 § 46 Abs. 1 Z 2 lit. c NAG 2005, der Vorschriften für die Familienzusammenführung von Asylberechtigten vorsieht, ist nach dem Gesetzeswortlaut dann anwendbar, wenn § 34 Abs. 2 AsylG 2005 nicht gilt. Daraus ist zu schließen, dass der Gesetzgeber die Erteilung von Aufenthaltstiteln in jenen Konstellationen, die § 34 Abs. 2 AsylG 2005 unterliegen, nicht über das NAG 2005, sondern über das AsylG 2005 regeln wollte.
26 Im gegenständlichen Fall könnten die revisionswerbenden Parteien nach erfolgter Einreise in das Bundesgebiet unabhängig davon, ob ein Einreistitel nach § 35 AsylG 2005 oder nach den fremdenpolizeilichen Bestimmungen in Verbindung mit dem NAG 2005 erteilt wurde, einen Antrag gemäß § 34 AsylG 2005 stellen. 27 Nach dem Gesagten muss daher in systematischer Interpretation davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber zur Herstellung eines unionsrechtskonformen Zustandes - bei objektiv entschuldbarer Versäumung der Dreimonatsfrist - in jenen Fällen, in denen nach Einreise der Antragsteller in das Bundesgebiet § 34 Abs. 2 AsylG 2005 gilt, diese nicht auf das NAG 2005 verwiesen hätte, weil § 35 AsylG 2005 gerade der Erteilung von Einreisetiteln zum Zwecke der Durchführung eines Familienverfahrens gemäß § 34 AsylG 2005 dient.
28 Vor diesem Hintergrund erweist sich die Ansicht des BVwG als unzutreffend, wonach es fallbezogen bei der Versäumung der Dreimonatsfrist zur Stellung von Anträgen gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 unter keinen Umständen auf die Gründe für diese Versäumung ankommen könne. Bei der Beurteilung der Versäumung der dreimonatigen Frist ist daher auf - von den Parteien im Verfahren vor der Vertretungsbehörde vorgebrachte - besondere Umstände Bedacht zu nehmen, aufgrund derer die Versäumung durch die revisionswerbenden Parteien objektiv entschuldbar gewesen sein könnte. Da eine Berücksichtigung solcher Umstände im vorliegenden Fall nicht erfolgte, hat das BVwG sein Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Im fortgesetzten Verfahren wird demnach zu prüfen sein, ob die verspätete Antragstellung durch die revisionswerbenden Parteien im Sinne ihres Vorbringens aufgrund besonderer Umstände objektiv entschuldbar gewesen ist. 29 Die angefochtenen Erkenntnisse waren daher schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
30 Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 25. Juni 2019
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