VwGH Ra 2018/19/0453

VwGHRa 2018/19/045323.1.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, in der Revisionssache des M E K, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. März 2018, Zl. L525 2138440- 1/20E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3 Abs1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018190453.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Iran, stellte am 27. Mai 2014 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Bereits in der Erstbefragung gab er an, dass er im Iran aufgrund seiner Konversion zum Christentum Verfolgung durch staatliche Behörden ausgesetzt gewesen sei.

2 In Erledigung der vom Revisionswerber mit Schriftsatz vom 15. September 2016 eingebrachten Säumnisbeschwerde trug das Bundesverwaltungsgericht dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Beschluss vom 22. Mai 2017 die niederschriftliche Einvernahme auf, führte am 5. Dezember 2017 eine mündliche Verhandlung durch und erließ das angefochtene, mit 12. März 2018 datierte Erkenntnis.

3 Sowohl in der Einvernahme durch das BFA als auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wiederholte der Revisionswerber sein Vorbringen zu seiner Konversion und führte aus, dass er im Jahr 2003 in der Türkei durch einen Pastor koreanischer Herkunft, der aus dem Iran gekommen sei, getauft worden und einige Monate später in seinen Herkunftsstaat zurückgekehrt sei. Dort habe er mehrere Hauskirchen besucht und sei wiederholt festgenommen worden. Weil man ihn unter Folter dazu gezwungen habe, Geständnisse zu unterschreiben, habe er im Herkunftsstaat nicht mehr leben können. Im Christentum habe er die Antworten gefunden, die er woanders nicht gefunden habe. In Österreich gehe er in eine Kirche und nehme am "kirchlichen Leben" teil.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht den Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers in den Iran zulässig sei und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

In seiner Begründung stellte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen fest, dass sich der Revisionswerber "eben nicht innerlich dem Christentum zugewandt hat" und "die Konversion ausschließlich zur Erlangung eines asylrelevanten Aufenthaltes in Österreich vorgebracht wurde." Ein asylrelevantes Verfolgungsrisiko aufgrund seiner Scheinkonversion sei für den Revisionswerber nicht gegeben. Beweiswürdigend führte es aus, das Vorbringen des Revisionswerbers zu seiner Konversion sei auf Grund einer Vielzahl von Umständen nicht glaubhaft.

5 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, die nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Juni 2018, E 1515/2018-11, dem Verwaltungsgerichtshof über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 29. Juni 2018, E 1515/2018- 13, zur Entscheidung abgetreten wurde.

6 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vor, das Bundesverwaltungsgericht sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Beweiswürdigung abgewichen. Der Revisionswerber habe dem Bundesverwaltungsgericht eine Bestätigung der baptistischen Gemeinde vorgelegt; es wäre notwendig gewesen, den Pastor dieser Gemeinde einzuvernehmen, dieser könne bestätigen, dass er sich für den christlichen Glauben interessiere, sodass eine innerliche Glaubensüberzeugung bejaht werden müsse. Zudem sei aus näher dargestellten Gründen die Beweiswürdigung unschlüssig. Weiters wendet sich der Revisionswerber gegen die Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Die Revision zeigt nicht auf, dass das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes an einem derartigen vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangel leiden würde.

11 Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (vgl. VwGH 22.2.2018, Ra 2017/18/0426; 23.5.2017, Ra 2017/18/0028; 18.10.2018, Ra 2018/19/0236).

12 Wenn der Revisionswerber vorbringt, er habe dem Bundesverwaltungsgericht eine Bestätigung der baptistischen Gemeinde vorgelegt, woraus sich die Pflicht zur Einvernahme des Pastors ergeben hätte, ist darauf hinzuweisen, dass aus dem Akt eine derartige Vorlage nicht ersichtlich ist. Aus diesem ergibt sich vielmehr, dass die Bestätigung erst der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof beigefügt wurde. Einer Berücksichtigung derselben im Revisionsverfahren steht daher das Neuerungsverbot des § 41 VwGG entgegen.

13 Der Revisionswerber hat zwar in der mündlichen Verhandlung angegeben, aktives Mitglied einer Kirchengemeinde in Österreich zu sein und machte nähere Angaben zu seinem Kirchenleben. Er beantragte allerdings weder die Einvernahme des Pastors oder anderer Gemeindemitglieder noch legte er Bestätigungen vor, aus denen sich eine solche Pflicht zur Zeugeneinvernahme hätte ergeben können noch war ein entsprechender Zeuge bei der mündlichen Verhandlung anwesend (vgl. zur beantragten Zeugeneinvernahme VwGH 22.2.2018, Ra 2017/18/0426; zu der sich aus vorgelegten Unterlagen ergebenden Pflicht zur unmittelbaren Beweisaufnahme VwGH 18.10.2018, Ra 2018/19/0236; zur Einvernahmepflicht eines bei der Verhandlung anwesenden Kaplans VwGH 23.5.2017, Ra 2017/18/0028, und vom heutigen Tage Ra 2018/19/0260 bis 0261).

14 Davon ausgehend liegt jedenfalls kein grundsätzliche Rechtsfragen aufwerfender Verfahrensmangel vor, wenn das Bundesverwaltungsgericht keine Nachforschungen getätigt hat, um die Kirchengemeinde des Revisionswerbers ausfindig zu machen und eine Einvernahme des Pastors durchzuführen.

15 Der Revisionswerber gibt in der Revision zudem an, sich "für den christlichen Glauben zu interessieren", wodurch eine innere Glaubensüberzeugung hätte bejaht werden müssen.

16 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist in Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum nicht entscheidend, ob der Religionswechsel bereits - durch die Taufe - erfolgte oder bloß beabsichtigt ist (vgl. VwGH 23.6.2015, Ra 2014/01/0210, mwN). Wesentlich ist vielmehr, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (vgl. VwGH 23.6.2015, Ra 2014/01/0117, mwN).

17 Die Behauptung eines "Interesses am Christentum", wie es die Revision vorbringt, reicht zur Darlegung einer inneren Glaubensüberzeugung und damit zur Geltendmachung einer asylrechtlich relevanten Konversion zum Christentum allerdings nicht aus (vgl. auch VwGH 20.6.2017, Ra 2017/01/0076).

18 Soweit sich der Revisionswerber gegen die Rückkehrentscheidung wendet, ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 22.2.2018, Ra 2018/18/0037, mwN).

19 Die vom Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung vorgenommene Interessenabwägung ist nicht als unvertretbar zu beurteilen. Auf die zugunsten des Revisionswerbers sprechenden Umstände hat das Verwaltungsgericht ausreichend Bedacht genommen und es wurden die für die Interessenabwägung maßgeblichen Gesichtspunkte in vertretbarer Weise gewichtet. Dass sich die diesbezügliche Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichtes nicht auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage gründen würde, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.

20 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 23. Jänner 2019

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