VwGH Ra 2018/19/0125

VwGHRa 2018/19/012524.5.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Rossmeisel sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Jänner 2018, W155 2122787‑2/3E, betreffend Erlassung eines Einreiseverbotes nach dem FPG (mitbeteiligte Partei: F F, dzt. unbekannten Aufenthalts), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §12a Abs6
EURallg
FNG-AnpassungsG 2014
FrPolG 2005 §53 Abs2
FrPolG 2005 §53 Abs2 idF 2011/I/038
FrPolG 2005 §53 Abs2 idF 2013/I/068
FrPolG 2005 §53 Abs3 idF 2013/I/068
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg
32008L0115 Rückführungs-RL

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018190125.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird in seinem Spruchpunkt A) I. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Der aus Afghanistan stammende Mitbeteiligte stellte im Juni 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 24. Februar 2016 ab und verband dies (ua.) mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG). Die Frist für die freiwillige Ausreise des Mitbeteiligten wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 10. November 2016 abgewiesen.

3 Im Jänner 2017 teilte der Verein Menschenrechte Österreich dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit, dass sich der Mitbeteiligte für die „unterstützte freiwillige Rückkehrhilfe“ angemeldet habe. Er ersuchte ‑ nach den Eintragungen im diesbezüglichen Antragsformular ‑ um Auszahlung einer finanziellen Unterstützung, um im Heimatland ein Unternehmen gründen zu können. Er habe Erfahrungen in der Textilbranche und wolle einen „Laden/Geschäft“ eröffnen.

4 Mit Schreiben vom 17. Jänner 2017 sagte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegenüber dem Verein Menschenrechte zu, die Kosten für die freiwillige Rückkehr zu übernehmen. Es spreche auch nichts gegen die Teilnahme des Mitbeteiligten am Projekt „Restart II Afghanistan“. Die allenfalls auszuzahlende Reintegrationshilfe dürfe aber den Betrag von € 370,‑ nicht übersteigen.

5 Am 23. Jänner 2017 brachte der Verein Menschenrechte per E‑Mail dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Kenntnis, dass der Mitbeteiligte seine Bereitschaft zur freiwilligen Rückkehr widerrufen habe. Er wolle nicht mehr ausreisen.

6 Im Verwaltungsakt findet sich im Weiteren eine auf einen „AFG‑Charter[.] am 29.03.2017“ Bezug nehmende Mitteilung der Regionaldirektion Niederösterreich des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl an die Direktion dieser Behörde. Darin wird der Mitbeteiligte als eine jener Personen geführt, die ‑ offenkundig gemeint: an der Unterkunft ‑ nicht haben angetroffen werden können. Weiters wurde vermerkt: „Rückübernahmeansuchen von BRD am 23.03.2017 gestellt“.

7 Der Mitbeteiligte stellte am 31. Oktober 2017 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung zum Folgeantrag gab er (ua.) an, sich in der Zeit von 20. Jänner 2017 bis 13. Oktober 2017 in Deutschland aufgehalten zu haben. Weiters gestand er zu, dass er bislang falsche Daten zu seiner Person angegeben habe, und er korrigierte sowohl sein Geburtsdatum als auch seinen Familiennamen.

8 Vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Rahmen einer Vernehmung auch zu seinen persönlichen Verhältnissen befragt, führte der Mitbeteiligte wiederum aus, sein Name sei nur falsch aufgeschrieben worden. Er sei nun seit 10. April 2017 verheiratet und habe keine Kinder. Seine Ehefrau lebe in Deutschland. Er könne aber keine Heiratsurkunde vorlegen. Seine Frau sei nämlich noch minderjährig. Die Heirat habe nur traditionell „bei einem Mullah“ stattgefunden. Sie seien in Deutschland auch am Standesamt gewesen, „das“ (offenkundig gemeint: das Ansuchen um staatliche Eheschließung) sei dort aber nicht akzeptiert worden. Daher habe der Mitbeteiligte einen Anwalt eingeschaltet. Seine Frau sei eine weitschichtige Verwandte, die er über Facebook kennengelernt habe. Er habe mit ihr über WhatsApp und Facebook Kontakt. Eine gemeinsame Wohnung hätten sie nicht bewohnt, weil seine Frau noch minderjährig sei. Am 13. Oktober 2017 sei er nach Österreich zurückgeschickt worden.

9 Mit Bescheid vom 15. Dezember 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ‑ ohne das Asylverfahren zuzulassen ‑ den Folgeantrag des Mitbeteiligten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Unter einem sprach es aus, dass dem Mitbeteiligten kein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt werde, gegen ihn gestützt auf § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 und § 9 BFA‑Verfahrensgesetz (BFA‑VG) eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt werde, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Weiters erließ die Behörde gegen den Mitbeteiligten nach § 53 Abs. 1 und Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot und sprach aus, dass gemäß § 55a Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe.

10 Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ‑ soweit für das Revisionsverfahren von Interesse betreffend die Erlassung des Einreiseverbotes ‑ aus, dass gegen den Mitbeteiligten bereits eine Rückkehrentscheidung erlassen worden sei. Er sei aber seiner Ausreiseverpflichtung (gemeint: im Sinn des § 52 Abs. 8 FPG, wonach eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, verpflichtet) nicht nachgekommen. Von einer geringfügigen Beeinträchtigung könne hier nicht mehr gesprochen werden. Im Jänner 2017 sei der Mitbeteiligte „unabgemeldet in die Anonymität unter[getaucht]“. In der Folge habe er sich nach Deutschland abgesetzt. Von den deutschen Behörden sei er am 13. Oktober 2017 nach Österreich rücküberstellt worden. Erst seitdem sei er wieder für die österreichische Behörde „greifbar“. Es sei „klar ersichtlich“, dass der Mitbeteiligte die Abschiebung in sein Heimatland mutwillig verhindert habe, indem er untergetaucht sei.

11 Auch wenn das Verhalten des Mitbeteiligten unter keine der Ziffern des § 53 Abs. 2 FPG subsumiert werden könne, sei aufgrund seines Verhaltens davon auszugehen, dass die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet sei und es auch den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Interessen zuwiderlaufe. Bei einem Fremden, dem bloß ein unrechtmäßiger Aufenthalt zur Last zu legen sei, könne die Erlassung eines Einreiseverbotes unterbleiben. Im vorliegenden Fall liege aber nicht bloß ein illegaler Aufenthalt vor, sondern es sei der Ausreisebefehl nach Abschluss des (ersten) Asylverfahrens missachtet worden. Dies könne „in Zeiten eines Migrationsstromes nach Mitteleuropa unter Missbrauch des Asylrechts als Einwanderungsrecht niemals als nur geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen gewertet“ werden. Der Mitbeteiligte sei offenkundig nicht bereit, die österreichische Rechtsordnung und die nach den Gesetzen ergangenen rechtskräftigen Entscheidungen zu beachten. Da er schon bisher gezeigt habe, dass er sich nicht rechtskonform verhalte, lasse dies „für die Zukunft nichts Gutes vermuten“. Es könne somit betreffend den Mitbeteiligten nur eine „negative Zukunftsprognose“ erfolgen.

12 Es sei aber auch der Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG erfüllt. Im Fall des Mitbeteiligten liege kein Anspruch auf Leistungen nach dem niederösterreichischen Grundversorgungsgesetz vor. Er habe die Abschiebung in sein Heimatland durch Untertauchen verhindert; also „die Flüchtlingsunterkunft“ verlassen und sich damit freiwillig in die Mittellosigkeit begeben. Die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme in die staatliche Grundversorgung seien demnach nicht gegeben gewesen. Erst durch die als rechtswidrig anzusehende neuerliche Asylantragstellung habe er die Wiederaufnahme in die Grundversorgung „erzwungen“. Er verfüge über keine Mittel, um für seinen Unterhalt sorgen zu können. Die aktuellen Leistungen aus der Grundversorgung stünden dieser Beurteilung nicht entgegen. Der Mitbeteiligte werde nämlich auch künftig nicht in der Lage sein, die Mittel für seinen Unterhalt aus eigenem aufzubringen. Das ergebe sich schon daraus, dass er in Österreich über kein Aufenthaltsrecht verfüge und keiner legalen Beschäftigung nachgehen könne. Er habe auch nichts vorgebracht, was zur Annahme führen könnte, er werde künftig die Mittel für seinen Unterhalt selbst erwirtschaften können.

13 Zur Interessenabwägung nach § 9 BFA‑VG führte die Behörde ‑ anknüpfend an ihre Feststellungen, dass der Mitbeteiligte in Österreich über keine Angehörigen verfüge und seine „angebliche“ Lebensgefährtin in Deutschland aufhältig sei ‑ aus, die familiären und privaten Anknüpfungspunkte in Österreich seien nicht dergestalt, dass nicht von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen auszugehen sei.

14 Der Mitbeteiligte erhob gegen den Bescheid vom 15. Dezember 2017 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, in der er auch beantragte, das Einreiseverbot aufzuheben und in eventu die Dauer des Einreisverbotes herabzusetzen. Argumente, weshalb die Erlassung des Einreiseverbotes gemäß § 53 FPG dem Grunde nach unzulässig wäre, enthält die Beschwerde nicht. Erkennbar in Bezug auf die Interessenabwägung ‑ sowohl betreffend die Erlassung der Rückkehrentscheidung als auch die des Einreiseverbotes ‑ brachte der Mitbeteiligte (lediglich) vor, er sei bemüht, seine Deutschkenntnisse zu verbessern und er versuche, sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren. Zu seinen Integrationsschritten seien keine Feststellungen getroffen worden. Die Beschwerde enthält allerdings keine Ausführungen dazu, um welche „Integrationsschritte“ es sich konkret gehandelt hätte.

15 Mit dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis behob das Bundesverwaltungsgericht den behördlichen Ausspruch über die Erlassung eines Einreiseverbotes. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab. Die in der Beschwerde beantragte Verhandlung führte es unter bloßen Hinweis auf § 21 Abs. 6a BFA‑VG und den Umstand, dass der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 AVG zurückgewiesen worden sei, nicht durch. Die Revision erklärte es für nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig.

16 Das Bundesverwaltungsgericht traf keine Feststellungen zu jenem Verhalten des Mitbeteiligten, das das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl seiner Beurteilung, ein Einreiseverbot sei zu erlassen und die Erlassung desselben sei auch nicht unverhältnismäßig, zugrunde gelegt hat.

17 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht aus, die Behörde habe sich im Spruch ihrer Entscheidung auf § 53 Abs. 1 und Abs. 2 FPG gestützt, ohne eine konkrete Ziffer anzuführen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müsse für die Verhängung eines Einreiseverbotes jedenfalls eine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegen. Der bloße unrechtmäßige Aufenthalt stelle noch keine derartige Störung der öffentlichen Ordnung dar, sodass immer die Erlassung eines Einreiseverbotes geboten wäre. Wenn aufgrund des Fehlverhaltens, das die öffentliche Ordnung oder Sicherheit bloß geringfügig beeinträchtige, die Erlassung eines Einreiseverbotes für die Dauer von 18 Monaten nicht gerechtfertigt sei, sei überhaupt kein Einreiseverbot zu verhängen.

18 Die Behörde habe es unterlassen aufzuzeigen, dass der Aufenthalt des Mitbeteiligten im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit in irgendeiner Form gefährde und deswegen der Tatbestand des § 53 Abs. 2 FPG verwirklicht sei. Auch lasse die Begründung der Behörde „jegliche Kriterien“ vermissen, die herangezogen worden seien, um die Dauer des Einreiseverbotes mit zwei Jahren festzulegen. Die Behörde habe somit „die für die Begründung des Bescheides erforderliche Sorgfalt vermissen“ lassen. Die Begründung des Bescheides entspreche nicht „den Erfordernissen einer umfassenden und in sich schlüssigen Begründung einer behördlichen Entscheidung“. Da sich die Erlassung des Einreiseverbotes sohin als unrechtmäßig erweise, sei der entsprechende Spruchpunkt ersatzlos aufzuheben.

19 Den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht bloß mit der Verneinung der in Art. 133 Abs. 4 B‑VG enthaltenen Tatbestände und dem Verweis darauf, dass es keinen Hinweis für das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage im Sinn dieser Bestimmung gebe.

20 Allein gegen jenen Spruchpunkt, mit dem der Beschwerde gegen die Erlassung des Einreiseverbotes stattgegeben wurde, richtet sich die vorliegende Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl. Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Revision nach Vorlage derselben und der Verfahrensakten durch das Bundesverwaltungsgericht sowie nach Einleitung des Vorverfahrens ‑ Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet ‑ erwogen:

21 Die Revision ist im Hinblick darauf, dass das Bundesverwaltungsgericht ‑ was die revisionswerbende Behörde (auch) im Rahmen der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit ihrer Revision darlegt und im Folgenden gezeigt wird ‑ in entscheidungsmaßgeblicher Weise von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist, zulässig und auch begründet.

22 § 53 FPG (samt Überschrift) ‑ in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 145/2017 ‑ lautet:

„Einreiseverbot

§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 11a1b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1.000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs‑ und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;

4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder

9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs‑ und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);

7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder

9. der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.

(6) Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht.“

23 Das Bundesverwaltungsgericht geht in der angefochtenen Entscheidung davon aus, dass die Erlassung eines Einreiseverbotes mit einer geringeren Dauer als 18 Monate nicht zulässig sei. Damit bezieht es sich auf jene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach immer dann, wenn auf Grund des die öffentliche Ordnung oder Sicherheit bloß geringfügig beeinträchtigenden Fehlverhaltens des Drittstaatsangehörigen die Erlassung eines Einreiseverbotes für die Dauer von 18 Monaten nicht gerechtfertigt sei, überhaupt kein Einreiseverbot zu verhängen sei. Diese Rechtsprechung erging allerdings zur Rechtslage nach dem FrÄG 2011 (vgl. VwGH 4.8.2016, Ra 2016/21/0207 u.a.).

24 Mit dem FNG‑Anpassungsgesetz wurde nicht nur die Anordnung, dass mit einer Rückkehrentscheidung stets ein Einreiseverbot einherzugehen habe, eliminiert, sondern auch die 18‑monatige Mindestdauer eines Einreiseverbotes beseitigt (vgl. auch dazu VwGH Ra 2016/21/0207 u.a.).

25 Die bereits mehrfach genannten 18 Monate werden zwar in § 53 Abs. 2 FPG nicht mehr erwähnt. Die Verhängung kurzfristiger Einreiseverbote (insbesondere solcher in einer Dauer von weniger als 18 Monaten) ‑ oder überhaupt das Unterbleiben eines Einreiseverbotes ‑ hat allerdings regelmäßig nur dann stattzufinden, wenn von dem betreffenden Drittstaatsangehörigen keine gravierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausgeht. Das wird verschiedentlich dann der Fall sein, wenn der Drittstaatsangehörige „bloß“ einen der Tatbestände des § 53 Abs. 2 Z 1 bis 9 FPG erfüllt. Ist dagegen davon auszugehen, dass es sich um einen Drittstaatsangehörigen handelt, von dessen Aufenthalt im Sinn des § 53 Abs. 3 FPG eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit ausgeht, so wird in aller Regel ‑ freilich abhängig von den sonstigen Umständen des Einzelfalles ‑ ein längerfristiges Einreiseverbot zu verhängen sein (vgl. nochmals VwGH Ra 2016/21/0207 u.a. unter Hinweis auf die Materialien zum FNG‑Anpassungsgesetz).

26 In der bisherigen Rechtsprechung wurde aber auch bereits darauf hingewiesen, dass der bloße unrechtmäßige Aufenthalt nach dem System der Rückführungsrichtlinie noch keine derartige Störung der öffentlichen Ordnung darstellt, dass dies immer die Erlassung eines Einreiseverbotes gebieten würde (vgl. abermals VwGH Ra 2016/21/0207 u.a., mwN und die dortige Darstellung der bisherigen Rechtsprechung).

27 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat sich im angefochtenen Bescheid zur Begründung des Einreiseverbotes aber nicht allein darauf gestützt, dass der Mitbeteiligte unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig sei. Insofern trifft der pauschale Vorwurf des Bundesverwaltungsgerichts, die Behörde habe es unterlassen aufzuzeigen, dass die öffentliche Ordnung und Sicherheit in irgendeiner Form gefährdet wäre, nicht zu.

28 Die Behörde führte nämlich aus, dass der Mitbeteiligte entgegen der ihn aufgrund der ‑ infolge des negativen Ausgangs des ersten Asylverfahrens ‑ gegen ihn erlassenen Rückkehrentscheidung treffenden Verpflichtung das Gebiet der Union nicht verlassen habe. Allein um die Verlängerung seines Aufenthalts zu erreichen, habe er zudem nach seiner Rücküberstellung aus Deutschland einen weiteren unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Er missbrauche das Asylrecht „als Einwanderungsrecht“. Weiters legte die revisionswerbende Behörde in ihrem Bescheid mit näherer Begründung dar, weshalb sie davon ausgehe, dass der ebenfalls die Erlassung eines Einreiseverbotes rechtfertigende Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG erfüllt sei.

29 Es kann somit entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts insgesamt keine Rede davon sein, dass es das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unterlassen hätte, aufzuzeigen, dass der Aufenthalt des Mitbeteiligten im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit „in irgendeiner Form“ gefährde.

30 Das Bundesverwaltungsgericht hat sohin zum einen infolge Verkennung der oben dargestellten Rechtslage überhaupt keine Feststellungen zu jenem (Fehl‑)Verhalten des Mitbeteiligten getroffen, das die Verwaltungsbehörde dem Einreiseverbot zugrunde gelegt hat. Der Ansicht, dass sich dieses fallbezogen auf einen bloß unrechtmäßigen Aufenthalt reduzieren ließe, kann vor dem Hintergrund der Ausführungen im angefochtenen Bescheid, nicht ohne Weiteres beigetreten werden. Träfen die Feststellungen der revisionswerbenden Behörde zu, könnte nicht davon gesprochen werden, dass fallbezogen die öffentliche Ordnung und Sicherheit nur als bloß derart geringfügig beeinträchtigt anzusehen wäre, sodass die Erlassung eines Einreiseverbotes ausgeschlossen wäre.

31 Zum anderen hat das Verwaltungsgericht in aktenwidriger Weise verneint, dass sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl für die Erlassung des Einreiseverbotes (auch) auf einen der in § 53 Abs. 2 FPG (demonstrativ) ausgezählten Tatbestände gestützt hätte. Infolgedessen hat es sich in rechtswidriger Weise auch nicht näher damit befasst, ob aufgrund den von der Behörde ins Treffen geführten ‑ aber vom Verwaltungsgericht wegen seiner Fehleinschätzung keinen Feststellungen unterworfenen ‑ Umständen von der Erfüllung des in § 53 Abs. 2 Z 6 FPG angeführten Tatbestandes auszugehen ist.

32 Nach dem Gesagten hat das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung über die Beschwerde gegen die Erlassung eines Einreiseverbotes mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit und mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Das angefochtene Erkenntnis war daher im angefochtenen Umfang aus dem erstgenannten ‑ vorrangig wahrzunehmenden ‑ Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 24. Mai 2018

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