Normen
32011L0095 Status-RL Art9 Abs1;
AsylG 2005 §3 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
EURallg;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs1a;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018180220.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Pakistans und Angehöriger der Religionsgemeinschaft der Ahmadi, stellte am 28. April 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab der Revisionswerber an, er sei aufgrund seiner Religion diskriminiert und misshandelt worden; die Ahmadis in seinem Dorf seien auch einmal bedroht worden.
2 Mit Bescheid vom 25. September 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte die Zulässigkeit der Abschiebung nach Pakistan fest und setzte eine Frist für die freiwillige Ausreise.
3 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 14. März 2018 - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab und erklärte eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig. Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, die vom Revisionswerber behaupteten (für glaubhaft befundenen) konkreten Verfolgungshandlungen erreichten nicht die Schwelle der Asylrelevanz, eine Verfolgung alleine aufgrund der Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Ahmadis liege nicht vor und allenfalls stehe dem Revisionswerber eine näher dargelegte innerstaatliche Fluchtalternative offen.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verhandlungspflicht abgewichen, habe die festgestellten Diskriminierungen und Misshandlungen des Revisionswerbers fälschlich als nicht asylrelevant beurteilt und sich nicht ausreichend mit einer möglichen Gruppenverfolgung der Ahmadis in Pakistan auseinandergesetzt. Überdies sei die herangezogene innerstaatliche Fluchtalternative nicht ausreichend begründet worden. Zur Verhandlungspflicht bringt die Revision im Wesentlichen vor, das BFA hätte keine ausreichenden Feststellungen zur Lage der Ahmadis getroffen, in der Beschwerde sei dem festgestellten Sachverhalt substantiiert entgegengetreten worden, das BFA habe keine Ermittlungen zu in Österreich geführten Verfahren von Verwandten des Revisionswerbers getätigt und einen Beweisantrag übergangen.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die Revision erweist sich als nicht zulässig. 9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" nunmehr folgende Kriterien beachtlich: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017-0018).
10 Die Revision legt nicht dar, inwiefern diese Voraussetzung zum Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht gegeben wäre: Insbesondere wird - entgegen dem Revisionsvorbringen - mit den in der Beschwerde dargelegten Berichten zur Situation der Ahmadis in Pakistan vor dem Hintergrund der bereits im Bescheid des BFA enthaltenen, konkreten und auch die vielfältigen Probleme der Ahmadis darstellenden Länderfeststellungen kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet. Soweit in der Revision Bezug auf mangelnde Ermittlungen zu in Österreich geführten Verfahren von angeblichen Verwandten des Revisionswerbers genommen wird, legt die Revision nicht dar, dass diese Ermittlungen den entscheidungswesentlichen Sachverhalt beträfen. Im Hinblick auf den gestellten Beweisantrag ist auszuführen, dass dieser die Bezeichnung eines Beweisthemas vermissen lässt und sich somit als unbeachtlich erweist (vgl. VwGH 24.10.2016, Ra 2016/02/0189-0191).
11 Unter "Verfolgung" im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist nach der hg. Rechtsprechung ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person ist als "Verfolgung" im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anzusehen, sondern nur solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen (vgl. Art. 9 Abs. 1 der Statusrichtlinie). Ob dies der Fall ist, haben die Asylbehörde bzw. das Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall zu prüfen und in einer die nachprüfende Kontrolle ermöglichenden Begründung darzulegen (vgl. zu alldem VwGH 22.3.2017, Ra 2016/19/0350, mwN).
12 Die Revision zeigt nicht auf, dass das BVwG im konkreten Einzelfall diese Beurteilung in einer unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Insbesondere in Anbetracht der vom BVwG ebenfalls herangezogenen mangelnden Aktualität der Verfolgung kann der Beurteilung des BVwG nicht entgegengetreten werden.
13 Bezüglich des Vorbringens zu einer möglichen Gruppenverfolgung von Ahmadis in Pakistan ist auszuführen, dass sich sowohl das BFA als auch das BVwG mit den herangezogenen Berichten zur Lage der Ahmadis auseinandergesetzt und darauf basierend das Vorliegen einer Gruppenverfolgung verneint haben. Dieser Annahme ist vor dem Hintergrund der eingeschränkten Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht entgegenzutreten (vgl. VwGH 20.12.2016, Ra 2016/01/0098).
14 Mit dem Vorbringen zur mangelnden Begründung einer innerstaatlichen Fluchtalternative wird schon deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dargetan, weil diese Alternativbegründung nicht zum Tragen kommt und das rechtliche Schicksal der Revision somit nicht von der Lösung dieser Frage abhängen kann (vgl. VwGH 20.12.2017, Ra 2017/04/0109).
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 22. Mai 2018
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