Normen
B-VG Art133 Abs4;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §75 Abs2;
GewO 1994 §75 Abs3;
GewO 1994 §79 Abs1;
GewO 1994 §79a Abs1;
GewO 1994 §79a Abs3;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017040109.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Die mitbeteiligte Partei betreibt auf einem bestimmt bezeichneten Grundstück eine Freibadanlage samt Gastgewerbebetrieb und Gastgarten. Die Betriebsanlagengenehmigung wurde am 7. April 1988 erteilt.
2 Der Revisionswerber kaufte am 27. Juli 1988 die an das Grundstück der Betriebsanlage angrenzende Liegenschaft.
3 Mit Bescheid vom 30. Juli 2015 wurde die Änderung der Betriebsanlage durch Aufstellen einer Musikanlage als Hintergrunduntermalung genehmigt.
4 2. Mit vor dem Verwaltungsgericht bekämpften Bescheid wurde der Antrag des Revisionswerbers gemäß § 79a GewO 1994 auf Einschränkung der genehmigten Betriebszeiten der Betriebsanlage keine Folge gegeben.
5 3. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab. Der Genehmigungsbescheid vom 7. April 1988 enthalte keine Festlegung der Betriebszeiten. Der Antragsteller müsse gemäß § 79a Abs. 3 GewO 1994 nachweisen, dass er zum Zeitpunkt der Genehmigung der Betriebsanlage Nachbar gewesen und durch den konsensmäßigen Betrieb nicht hinreichend geschützt sei. Bei dieser Beurteilung sei darauf abzustellen, aus welcher Änderung die beanstandeten Belastungen resultierten. Ausgehend vom Vorbringen des Antragstellers sei dies der Genehmigungsbescheid vom 7. April 1988. Zu diesem Zeitpunkt sei der Revisionswerber noch nicht Nachbar der Betriebsanlage gewesen, sodass auf die Frage, ob dieser vor den Auswirkungen der Betriebsanlage ausreichend geschützt sei, nicht eingegangen werden müsse. Aus den eingeholten Sachverständigengutachten ergebe sich, dass mit keiner gesundheitlichen Beeinträchtigung durch den Betrieb der Anlage zu rechnen sei, weshalb eine Auflagenvorschreibung gemäß § 79 Abs. 2 GewO 1994 nicht in Betracht komme. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
6 4. Der Revisionswerber erhob zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung derselben mit Beschluss vom 8. Juni 2017, E 2072/2016, abgelehnt und die Beschwerde unter einem an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat.
7 5. Die in der Folge erhobene außerordentliche Revision stellt den Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
8 Zur Zulässigkeit bringt die Revision vor, es sei die grundsätzliche Rechtsfrage zu klären, ob projektimmanente Beschränkungen auch konkludent in einem Genehmigungsbescheid ausgedrückt werden könnten bzw. ob eine faktisch jahrelang eingehaltene Betriebszeit dazu führe, dass ein Nachbar einem Änderungsverfahren zuzuziehen sei. Weiter sei zu prüfen, ob bei einer Erweiterung der Betriebsanlage - fallbezogen durch eine Musikanlage - ein Nachbar, der vor dieser Erweiterung zugezogen sei, als nachträglich zugezogener Nachbar der Gesamtanlage zu werten sei.
9 6. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage "abhängt". Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 17.2.2015, Ra 2014/09/0037, mit Verweis auf VwGH vom 22.7.2014, Ro 2014/04/0055;).
13 Nach dem Erkenntnis VwGH 28.10.1997, 97/04/0084, setzt gemäß dem diesbezüglich eindeutigen Wortlaut des § 79 Abs. 1 GewO 1994 die Vorschreibung von anderen oder zusätzlichen Auflagen nach dieser Gesetzesstelle voraus, dass trotz Einhaltung der dem Genehmigungsbescheid zu Grunde liegenden Betriebsbeschreibung und der dort vorgeschriebenen Auflagen die gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen nicht hinreichend geschützt sind. Hingegen rechtfertigt der Umstand allein, dass die genehmigte Betriebsanlage nicht konsensgemäß betrieben wird, nicht die Vorschreibung einer anderen oder zusätzlichen Auflage mit dem alleinigen Ziel, den konsensgemäßen Betrieb zu gewährleisten. Zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes sieht die GewO 1994 ein anderes Instrumentarium vor (vgl VwGH 20.12.2005, 2001/04/0042, mwN).
14 Insofern die Revision vorbringt, es sei die Frage zu klären, ob die Betriebsanlagengenehmigung konkludent einen Betriebsschluss von 19.00h vorsehe, ist für den Standpunkt des Revisionswerbers nichts gewonnen, weil er Maßnahmen zur Einhaltung dieser - seiner Ansicht nach verbindlichen - Betriebsschlusszeit beantragt hat. Die Einhaltung eines konsensmäßigen Betriebes ist jedoch nicht Gegenstand eines Verfahrens gemäß § 79a GewO 1994.
15 Der Nachbar muss in seinem Antrag gemäß § 79a Abs. 1 GewO 1994 (unter anderem) nachweisen, dass er bereits im Zeitpunkt der Genehmigung der Betriebsanlage oder der betreffenden Betriebsanlagenänderung Nachbar im Sinne des § 75 Abs. 2 und 3 war (§ 79a Abs. 3 GewO 1994). Der Gesetzeswortlaut lässt eine Interpretation im Sinn der Argumentation der Revision nicht zu, die vermeint, es sei denkbar, dass der Revisionswerber hinsichtlich der Betriebsanlage insgesamt als antragsberechtigter Nachbar im Sinne des § 79a Abs. 3 GewO 1994 anzusehen sei, wenn er zwar nach der Betriebsanlagengenehmigung aber noch vor einer erfolgten Änderung derselben Nachbar geworden sei. Wegen der Erwähnung der "betreffenden Betriebsanlagenänderung" ist nämlich auf den für die vorgebrachte Gefährdung relevanten Genehmigungsbescheid abzustellen (in diesem Sinne auch Stangl in Ennöckl/Raschauer/Wessely, Kommentar zur Gewerbeordnung 1994, § 79a, Rz 7; vgl. idS auch VwGH 28.9.2011, 2009/04/0211).
16 Dass es sich bei dem die behauptete Gefährdung betreffenden Genehmigungsbescheid fallbezogen um den Genehmigungsbescheid vom 7. April 1988 handelt, zumal der spätere Änderungsbescheid die Musikanlage betraf, die als solche aber nicht beanstandet wird, wird von der Revision nicht in Zweifel gezogen.
17 Die Revision bringt überdies zur Zulässigkeit vor, es sei zu klären, ob nachträglich zugezogenen Nachbarn Parteistellung in einem Änderungsgenehmigungsverfahren einzuräumen sei.
18 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 20. Dezember 2017
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