VwGH Ra 2018/17/0230

VwGHRa 2018/17/02301.4.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner sowie Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des M D in U, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 16. Oktober 2018, LVwG-S-2046/001-2017, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Korneuburg),

Normen

GSpG 1989 §52 Abs2
VStG §19
VStG §19 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018170230.L00

 

Spruch:

1. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruches über die verhängte Strafe und die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens sowie des Beschwerdeverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 21. Juli 2017 wurde der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer näher bezeichneten Gesellschaft der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 erster Fall Glücksspielgesetz (GSpG) schuldig erkannt. Es wurde über ihn gemäß "§ 52 Abs. 2,

1. Fall" GSpG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 5.000,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Weiters wurde ihm ein Beitrag zu den Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens vorgeschrieben. Begründend führte die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg zur Strafbemessung aus, es seien diverse Vormerkungen als erschwerend gewertet worden.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) die gegen das Straferkenntnis erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Es verpflichtete den Revisionswerber zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

3 Begründend führte das LVwG zur Strafbemessung aus, erschwerend zu werten seien sechs einschlägige Vormerkungen des Revisionswerbers. Die im Straferkenntnis verhängte Strafe sei daher angemessen. Außerdem wies das LVwG darauf hin, dass der gesetzliche Strafrahmen von EUR 3.000,-- bis EUR 30.000,-- anzuwenden sei, weil hier ein Wiederholungsfall vorliege.

4 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in

nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer

außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Liegen - wie hier in Bezug auf den Ausspruch von Schuld und Strafe - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu überprüfen (vgl. z.B. VwGH 26.7.2018, Ra 2017/17/0804, mwN).

9 Zum Zulässigkeitsvorbringen der Revision zur behaupteten Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des Glücksspielgesetzes ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09 , Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C- 390/12 , Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15 , Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17 , Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22 ff.). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12 .

10 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH u.a., C- 685/15 , die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. zuletzt auch EuGH 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17 , Rn. 55; sowie VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048, 0049, Rn. 24 ff).

11 Entgegen dem Revisionsvorbringen steht auch das in § 14 Abs. 3 GSpG enthaltene Erfordernis eines inländischen Sitzes für den Erhalt einer Konzession nicht mit Unionsrecht im Widerspruch. Da § 14 Abs. 3 dritter Satz GSpG von diesem Erfordernis bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen auch eine Ausnahme enthält, werden mit dieser Bestimmung keine der unionsrechtlichen Vorgaben verletzt: Zwar stellt auch die Notwendigkeit der Erfüllung der Voraussetzungen für eine Nachsicht von der Sitzverpflichtung - nämlich eine vergleichbare Lotterienkonzession und eine vergleichbare staatliche Glücksspielaufsicht in dem Mitgliedstaat (der EU bzw. des EWR), in dem der Konzessionswerber seinen Sitz hat - eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar. Diese Beschränkung in § 14 Abs. 3 GSpG ist jedoch durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt und genügt den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit, die sich aus der Rechtsprechung des EuGH ergeben (vgl. dazu näher VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048, 0049, Rn. 34 ff). In diesem Zusammenhang wurde somit auch keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt, sodass die Revision diesbezüglich zurückzuweisen ist.

12 Die Revision rügt in der Zulässigkeitsbegründung auch das Bestehen eines Widerspruchs von Spruch und Begründung in Bezug auf die angewendete Strafsanktionsnorm. Sie ist in diesem Umfang auch berechtigt.

13 Die hg. Rechtsprechung räumt dem Beschuldigten ein Recht darauf ein, dass im Spruch die richtige Verwaltungsvorschrift aufscheint, die bei der Festlegung des Strafmittels und des Strafausmaßes heranzuziehen ist (§ 44a Z 3 VStG). Im vorliegenden Fall kommt bei Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG die Strafsanktionsnorm § 52 Abs. 2 GSpG in Betracht. Im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses und somit auch des angefochtenen Erkenntnisses wurde als Strafsanktionsnorm § 52 Abs. 2 erster Fall GSpG angeführt. Im Rahmen der Begründung ging das LVwG allerdings davon aus, dass der Strafrahmen von EUR 3.000,-

- bis zu EUR 30.000,-- anzuwenden sei, weil ein Wiederholungsfall vorliege. Dieser Strafrahmen entspricht allerdings nicht dem ersten Fall des § 52 Abs. 2 GSpG, sondern dessen zweiten Fall, weswegen ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung vorliegt. Es lässt sich dem angefochtenen Erkenntnis nicht eindeutig entnehmen, welcher Strafrahmen angewendet wurde.

14 Das angefochtene Erkenntnis ist daher in Bezug auf die Strafsanktionsnorm wegen des Widerspruches zwischen Spruch und Begründung im Umfang des Ausspruches über die verhängte Strafe sowie des damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Ausspruchs über die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens sowie des Beschwerdeverfahrens gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben (vgl. VwGH 21.9.2018, Ra 2017/17/0735).

15 Für das fortzusetzende Verfahren ist darauf hinzuweisen, dass der im Fall "der erstmaligen und weiteren Wiederholung" vorgesehene zweite Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG nach dem systematischen Aufbau des Gesetzestextes die Bestrafung wegen einer Vortat nach dem ersten Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG voraussetzt, bezieht sich das strafsatzbestimmende Kriterium der Wiederholung doch auf die Übertretung des Abs. 1 Z 1 leg. cit. mit bis zu drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen. Darüber hinaus ist auf das sich aus § 19 Abs. 2 erster Satz VStG ergebende Doppelverwertungsgebot hinzuweisen, wonach die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe nur soweit bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen sind, als sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen. Die für den Tatbestand oder den Strafsatz relevanten Umstände dürfen also nicht noch zusätzlich als Strafzumessungsgründe berücksichtigt werden (vgl. neuerlich VwGH 21.9.2018, Ra 2017/17/0735, mwN).

16 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 1. April 2019

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte