VwGH Ra 2018/17/0151

VwGHRa 2018/17/015111.9.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Krems in 3500 Krems, Drinkweldergasse 15, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 24. Juli 2018, LVwG-S-873/003-2015, betreffend Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz (mitbeteiligte Partei: U s.r.o. nunmehr U s.r.o. in B, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4), zu Recht erkannt:

Normen

GSpG 1989 §52 Abs1 Z1;
GSpG 1989 §52 Abs2;
GSpG 1989 §53;
GSpG 1989 §54;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018170151.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Krems vom 2. Februar 2015 wurde gegenüber der mitbeteiligten Partei wegen des Verdachts der Durchführung von Glücksspielen in der Form von verbotenen Ausspielungen die Beschlagnahme eines näher bezeichneten Glücksspielgerätes, des Kasseninhaltes und eines "Klinkensteckerschlüssels" gemäß § 53 Abs. 1 Z 1 lit. a Glücksspielgesetz (GSpG) angeordnet.

2 Aufgrund der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde der mitbeteiligten Partei hob das Landesverwaltungsgericht im ersten Rechtsgang diesen Bescheid mit Erkenntnis vom 19. Mai 2015 auf. Dieses Erkenntnis wurde infolge einer außerordentlichen Revision der Bezirkshauptmannschaft Krems mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Jänner 2017, Ra 2015/17/0038, mit näherer Begründung aufgehoben.

3 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht der Beschwerde der mitbeteiligten Partei gemäß § 50 VwGVG Folge und hob den angefochtenen Beschlagnahmebescheid auf. Weiters sprach es aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

4 Begründend führte das Landesverwaltungsgericht aus, dass nach der jüngsten "Rechtsmeinung" des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 2018, Ra 2017/17/0833, unbeschadet des Fehlens einer legalen Definition unter "Eingriffsgegenstand" als Oberbegriff jedenfalls eine körperliche Sache zu verstehen sei, mit der in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen werde, indem damit verbotene Ausspielungen veranstaltet, organisiert, angeboten oder zugänglich gemacht würden. Nicht unter den Begriff des "Eingriffsgegenstandes" fielen hingegen Sachen, die lediglich als Komponente einer (technischen) Vorrichtung Verwendung finden, mit der einem Kunden die Teilnahme an einem Glücksspiel ermöglicht werde, wie etwa Bildschirme, Stromkabel oder Graphikkarten. Diese Komponenten (Bestandteile, Zubehör, etc.) einer solcher Vorrichtung könnten nicht als selbständige Eingriffsgegenstände einer Bestrafung nach § 52 Abs. 2 GSpG zugrunde gelegt werden. Das Landesverwaltungsgericht führte aus, dass unabhängig von der Frage, ob seitens der Finanzorgane eine vorläufige Beschlagnahme zu Recht ausgesprochen worden sei und ob die Bezirkshauptmannschaft zu Recht die Beschlagnahme aufrecht erhalten habe, der nach § 53 Abs. 1 GSpG erforderliche Verdacht zum Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde, im Falle der Erhebung einer Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichtes noch gegeben sein müsse. Indem das Vorbringen des "Beschuldigten" in Zusammenhalt mit der neuen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes stichhaltig erscheine, sei spruchgemäß zu entscheiden.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der Bezirkshauptmannschaft Krems mit den Anträgen, der Verwaltungsgerichtshof möge das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufheben sowie, der außerordentlichen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Zur Zulässigkeit wird u.a. vorgebracht, dass ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege; bei Geräten, auf welchen virtuelle Walzenspiele gespielt werden könnten, handle es sich jedenfalls um Eingriffsgegenstände bzw. Glücksspielautomaten iSd GSpG (VwGH 21.12.2012, 2012/17/0417). Ein Gerät auf die Summe seiner Einzelteile zu reduzieren und dadurch diesem Gerät die Qualifikation eines Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenstandes zu nehmen, widerspreche den Grundsätzen des Glücksspielgesetzes.

6 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 Die Revision erweist sich als zulässig, weil das angefochtene Erkenntnis von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Beschlagnahme von Komponenten eines Eingriffsgegenstandes abweicht. Sie ist auch berechtigt.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 15. Februar 2018, Ra 2017/17/0718, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgesprochen, dass es sich etwa bei einem Cash-Center um eine Komponente eines Glücksspielgerätes handelt, die nicht als selbstständiger Eingriffsgegenstand einer Bestrafung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG iVm. § 52 Abs. 2 GSpG zu Grunde gelegt werden darf (vgl. weiters VwGH 19.3.2018, Ra 2017/17/0833; 27.3.2018, Ra 2017/17/0969, u.a.).

9 Als Komponente eines Glücksspielgerätes ist aber etwa ein Cash-Center oder auch ein Internetterminal (vgl. VwGH 15.11.2017, Ra 2017/17/0021) einer Beschlagnahme gemäß § 53 Abs. 1 GSpG und einer Einziehung gemäß § 54 Abs. 1 GSpG zugänglich (vgl. zur Beschlagnahme auch von nicht für das Glücksspiel unbedingt erforderlichen Komponenten eines Glücksspielgeräts VwGH 4.5.2016, Ra 2014/17/0005; 21.8.2014, 2011/17/0248; zur Einziehung von Gegenständen, mit denen gegen § 52 Abs. 1 GSpG verstoßen wurde, vgl. VwGH 27.5.2015, Ro 2014/17/0013; 9.9.2013, 2013/17/0098, u.a.).

10 Während daher in einem Verwaltungsstrafverfahren zu prüfen ist, ob mehrere Gegenstände gemeinsam verwendet werden, um jeweils eine einzige Ausspielung durchzuführen, sodass in diesem Zusammenhang von einem einzigen Eingriffsgegenstand auszugehen ist, der lediglich eine Bestrafung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 iVm. Abs. 2 GSpG nach sich ziehen kann, unterliegen alle Komponenten dieses Eingriffsgegenstandes - bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen - der Beschlagnahme gemäß § 53 GSpG bzw. der Einziehung gemäß § 54 GSpG (vgl. hiezu näher VwGH 18.7.2018, Ra 2017/17/0821).

11 In einem ersten Schritt wären daher Feststellungen zu dem beschlagnahmten Gegenstand zu treffen gewesen. Eine Komponente eines Glücksspielgerätes ist jedoch jedenfalls einer Beschlagnahme zugänglich.

12 Indem das Landesverwaltungsgericht in einem Beschlagnahmeverfahren davon ausging, dass die Voraussetzungen für die Verhängung einer Strafe für jede einzelne Komponente dieses Eingriffsgegenstandes nicht vorlägen, weshalb die Beschlagnahme aufzuheben sei, hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Es war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

13 Damit erübrigte sich eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über den Antrag, der außerordentlichen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 11. September 2018

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