VwGH Ra 2017/17/0833

VwGHRa 2017/17/083319.3.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Hofrat Mag. Brandl als Richterin bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision des T M in S in U, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 4. Mai 2017, LVwG-S- 912/001-2016, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Niederösterreich), zu Recht erkannt:

Normen

AbgÄG 2014;
GSpG 1989 §12a Abs2;
GSpG 1989 §2 Abs3;
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1;
GSpG 1989 §52 Abs2;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170833.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 7. März 2016 wurde der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer näher bezeichneten Gesellschaft der Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 erster Fall Glücksspielgesetz (GSpG) mit acht näher bezeichneten Glücksspielgeräten und zwei näher umschriebenen Geräten mit der Bezeichnung "Cash-Center" schuldig erkannt; über ihn wurden zehn Geldstrafen in Höhe von jeweils EUR 3.000,-- (sowie zehn Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht der dagegen erhobenen Beschwerde keine Folge und bestätigte das Straferkenntnis mit der Maßgabe, dass eine bestimmte Wortfolge im Spruch zu entfallen habe. Weiters sprach es aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichthof nicht zulässig sei.

3 Begründend führte das Landesverwaltungsgericht aus, in einem von der Gesellschaft des Revisionswerbers gemieteten Raum in einem näher bezeichneten Lokal sei eine Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz durchgeführt worden, wobei acht näher bezeichnete Glücksspielgeräte (Geräte Nr. 1-8) und zwei sogenannte "Cash-Center" (Gerät Nr. 9 und 10) vorgefunden worden seien.

4 Die gegenständlichen "Cash-Center" hätten zur Aufbuchung mittels Bargeld oder Ticket für das Guthaben auf den Glücksspielgeräten Nr. 1 und 2 bzw. Nr. 7 und 8 gedient. Die Auszahlung sei bei beiden Geräten mittels Ticket erfolgt.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtwidrigkeit des Inhalts bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

6 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte Aufwandersatz.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 Das Landesverwaltungsgericht ist - wie auch die belangte Behörde - von zehn Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG ausgegangen und hat die Verhängung von zehn Geldstrafen dem Grunde und der Höhe nach bestätigt. Dagegen wendet sich die vorliegende Revision, die in ihrem Zulässigkeitsvorbringen unter anderem geltend macht, dass der Revisionswerber für den Betrieb der Geräte mit der Bezeichnung "Cash-Center" nicht gesondert hätte bestraft werden dürfen. Schon mit diesem Vorbringen erweist sich die Revision als zulässig.

Sie ist auch berechtigt.

8 Nach § 2 Abs. 1 GSpG sind Ausspielungen solche Glücksspiele,

1. die ein Unternehmer veranstaltet, organisiert, anbietet

oder zugänglich macht und

2. bei denen Spieler oder andere eine vermögenswerte

Leistung in Zusammenhang mit der Teilnahme am Glücksspiel

erbringen (Einsatz) und

3. bei denen vom Unternehmer, von Spielern oder von

anderen eine vermögenswerte Leistung in Aussicht gestellt wird (Gewinn).

9 Verbotene Ausspielungen sind nach § 2 Abs. 4 GSpG Ausspielungen, für die eine Konzession oder Bewilligung nach diesem Bundesgesetz nicht erteilt wurde und die nicht vom Glücksspielmonopol des Bundes gemäß § 4 GSpG ausgenommen sind.

10 Nach § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG (i.d.F. BGBl. I Nr. 13/2014) begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde in den Fällen der Z 1 mit einer Geldstrafe von bis zu 60.000,-- Euro zu bestrafen, wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 leg. cit. daran beteiligt.

11 Bei Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG mit bis zu drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen ist nach § 52 Abs. 2 GSpG für jeden Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstand eine Geldstrafe in der Höhe von 1.000,-- Euro bis zu 10.000,-- Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 3.000,-- Euro bis zu 30.000,-- Euro, bei Übertretung mit mehr als drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen für jeden Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstand eine Geldstrafe von 3.000,-- Euro bis zu 30.000,-- Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 6.000,-- Euro bis zu 60.000,-- Euro zu verhängen.

12 § 52 Abs. 2 GSpG findet nur dann Anwendung, wenn eine Übertretung nach Abs. 1 Z 1 leg. cit. mit einem Glücksspielautomaten oder einem anderen Eingriffsgegenstand erfolgt. Diese Bestimmung wurde durch das Abgabenänderungsgesetz 2014 (AbgÄG 2014), BGBl. I Nr. 13/2014, eingefügt. Nach dem Wortlaut und den Materialien zum AbgÄG 2014 soll mit Abs. 2 leg. cit. aus Gründen der General- und Spezialprävention eine Staffelung der zu verhängenden Strafen je nach Schwere des Eingriffes erfolgen und dabei insbesondere auf die Anzahl der Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstände abgestellt werden (vgl. die ErläutRV 24 BlgNR XXV. GP  22 zum AbgÄG 2014). Je mehr Eingriffsgegenstände beim Verstoß nach § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG verwendet werden, desto schwerwiegender ist der Eingriff in das Glücksspielmonopol und desto höher ist die Strafdrohung. Eine verbotene Ausspielung, bei der beispielsweise in einem Lokal gleichzeitig zehn Glücksspielautomaten bespielt werden können, stellt jedenfalls einen stärkeren Eingriff in das Monopol dar als die Einzelaufstellung eines Glücksspielautomaten und soll daher insgesamt zu einer höheren Strafe führen.

13 Unbeschadet des Fehlens einer Legaldefinition ist unter "Eingriffsgegenstand" als Oberbegriff jedenfalls eine körperliche Sache zu verstehen, mit der in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, indem damit verbotene Ausspielungen veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich gemacht werden. Darunter fallen etwa Glücksspielautomaten (§ 2 Abs. 3 GSpG), Video Lotterie Terminals (VLT, § 12a Abs. 2 GSpG), Roulettetische, Glücksräder oder Kartenspiele (vgl. VwGH vom 15.2.2018, Ra 2017/17/0718).

14 Nicht unter den Begriff des "Eingriffsgegenstandes" fallen hingegen Sachen, die lediglich als Komponente einer (technischen) Vorrichtung Verwendung finden, mit der einem Kunden die Teilnahme an einem Glücksspiel ermöglicht wird, wie etwa Bildschirme, Stromkabel oder Graphikkarten. Diese Komponenten (Bestandteile, Zubehör, etc.) einer solche Vorrichtung können nicht als selbstständige Eingriffsgegenstände einer Bestrafung nach § 52 Abs. 2 GSpG zugrunde gelegt werden. Vielmehr wird insoweit von einem einheitlichen Eingriffsgegenstand auszugehen sein. Am Unrechtsgehalt einer verbotenen Ausspielung vermag der Umstand, dass ein Eingriffsgegenstand allenfalls aus mehreren Komponenten besteht, nichts zu ändern (vgl. VwGH vom 15.2.2018, Ra 2017/17/0718).

15 Im Revisionsfall wurde der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer Gesellschaft für zehn Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG mit insgesamt zehn "Eingriffsgegenständen" bestraft. Weder aus dem Straferkenntnis noch aus der angefochtenen Entscheidung ergeben sich aber Hinweise, wonach mit den sogenannten "Cash-Centern" (Geräte Nr. 9 und 10) selbst Glücksspiele durchgeführt werden konnten. Vielmehr haben diese Geräte ausschließlich dazu gedient, Einsätze für Glücksspiele, die auf anderen Geräten durchgeführt wurden, entgegenzunehmen und allfällige Gewinne auszuzahlen. Da der bloße Betrieb dieser "Cash-Center" demnach noch keine Ausspielung darstellt, konnte damit allein auch nicht gegen § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG verstoßen werden, sodass sich eine diesbezügliche Bestrafung nach § 52 Abs. 2 GSpG als rechtswidrig erweist (vgl. VwGH vom 15.2.2018, Ra 2017/17/0718)

16 Das angefochtene Erkenntnis war daher bereits aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

17 Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff. VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 19. März 2018

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