Normen
GSpG 1989
MRK Art6
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
VwGVG 2014 §24
VwGVG 2014 §44
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018170052.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Horn vom 3. Mai 2016 wurde der Revisionswerber als Inhaber eines näher bezeichneten Lokals der zweifachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild iVm §§ 1, 2 Abs. 1, 2 und 4 Glücksspielgesetz (GSpG) schuldig erkannt; es wurden über ihn zwei Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 3.000,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.
2 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, in welcher er unter anderem die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragte.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht der Beschwerde - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - insofern statt, als es die Geldstrafen auf je EUR 1.500,-- sowie die Ersatzfreiheitstrafen herabsetzte. Die Kosten des behördlichen Verfahrens wurden mit EUR 300,-- bestimmt. Außerdem sprach das Landesverwaltungsgericht aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte Aufwandersatz.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5 Die Revision ist in Bezug auf die im Zulässigkeitsvorbringen aufgeworfene Rechtsfrage zur Verletzung der Verhandlungspflicht gemäß Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC zulässig und berechtigt.
6 In der beim Landesverwaltungsgericht erhobenen Beschwerde beantragte der Revisionswerber, eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Das Landesverwaltungsgericht hat begründungslos von einer Verhandlung abgesehen.
7 Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist durchzuführen, wenn es um „civil rights“ oder „strafrechtliche Anklagen“ im Sinne des Art. 6 EMRK oder um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art. 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird. Bei einem rechtswidrigen Unterlassen der nach Art. 6 EMRK erforderlichen mündlichen Verhandlung ist keine Relevanzprüfung hinsichtlich des Verfahrensmangels vorzunehmen (vgl. z.B. VwGH 25.9.2018, Ra 2018/17/0141). Schon im Hinblick auf die behauptete Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des Glücksspielgesetzes wegen Verletzung von Grundfreiheiten wäre daher im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung des Glücksspielgesetzes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich gewesen.
8 In der Beschwerde wurden auch Tatsachenfragen aufgeworfen, sodass kein Entfall der Verhandlungspflicht eingetreten ist, weil Verfahrensgegenstand nur die Lösung einer Rechtsfrage gewesen wäre (vgl. das soeben zitierte Erkenntnis vom 25.9.2018).
9 Das angefochtene Erkenntnis war daher schon wegen Verletzung der Verhandlungspflicht gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
10 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 7. Dezember 2018
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