VwGH Ra 2018/13/0002

VwGHRa 2018/13/000224.3.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Dipl. Ing. M in B, vertreten durch die PKF CENTURION Wirtschaftsprüfungs GmbH in 1010 Wien, Hegelgasse 8, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 25. Oktober 2017, Zl. RV/7100757/2017, betreffend Abrechnung (§ 216 BAO), den Beschluss gefasst:

Normen

BAO §115 Abs1
BAO §270
VwGG §41
VwGG §63 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2018130002.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Zur Vorgeschichte des Revisionsfalls ist auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 2013, 2010/13/0153, und vom 25. Jänner 2017, Ra 2014/13/0008, zu verweisen. Mit dem Erkenntnis vom 25. Jänner 2017 hat der Verwaltungsgerichtshof das im zweiten Rechtsgang ergangene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts aufgehoben, weil dieses seiner Verpflichtung nach § 63 Abs. 1 VwGG, den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand unverzüglich herzustellen, nicht nachgekommen war.

2 Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof aus, das Bundesfinanzgericht habe sich weder mit der Vorhaltsbeantwortung der Abgabenbehörde vom 28. Februar 2014 zu den Forderungspfändungen vom 15. Juni 1999 und vom 30. Juni 1999 sowie zur Grundbuchsabfrage vom 13. Juli 2004 auseinander gesetzt, noch habe es dem Revisionswerber dazu Parteiengehör gewährt. Vielmehr habe es erstmals ‑ und im Widerspruch zu der in den Aufhebungsgründen des Erkenntnisses vom 18. Dezember 2013 u.a. zum Ausdruck gebrachten Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Frage einer Verfristung des Antrags ‑ die Auffassung vertreten, dass es im gegenständlichen Verfahren aufgrund der Normierung des § 216 letzter Satz BAO nur zu prüfen habe, ob die Einhebungsverjährung im Zeitraum vom 1. Jänner 2005 bis zum 17. Februar 2010 (Fünfjahreszeitraum) eingetreten sei.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 25. Oktober 2017 wies das Bundesfinanzgericht im dritten Rechtsgang die Beschwerde des Revisionswerbers ab und sprach aus, dass hinsichtlich der Einkommensteuer für die Jahre 1987 bis 1992 sowie der Gewerbesteuer für die Jahre 1986 bis 1993 (samt Verspätungszuschlägen) im Gesamtbetrag von 3.706.916,89 € die Einhebungsverjährung nicht eingetreten und die Verpflichtung zu deren Tilgung nicht erloschen sei. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig.

4 In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht ‑ soweit hier wesentlich ‑ aus, die verfahrensgegenständlichen Abgaben seien vom Finanzamt mit Bescheiden vom 21. und 27. August 1996 erstmalig festgesetzt worden. Da es sich um hinterzogene Abgaben handle, sei die Festsetzung innerhalb der Bemessungsverjährungsfrist von zehn Jahren gemäß § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO erfolgt. Mit Ablauf des Jahres 1996 habe daher die fünfjährige Einhebungsverjährungsfrist nach § 238 Abs. 2 BAO neu zu laufen begonnen. Nach einer tabellarischen Auflistung der sich aus den Einbringungsakten des Finanzamts ergebenden Amtshandlungen führte das Bundesfinanzgericht weiter aus, der Revisionswerber habe in seiner Stellungnahme zu den ihm am 6. September 2017 vorgehaltenen Amtshandlungen die Forderungspfändungen vom 15. Juni 1999 und vom 30. Juni 1999 nicht mehr in Zweifel gezogen, sondern lediglich die Tauglichkeit der Grundbuchsabfragen als Unterbrechungshandlungen bestritten. Eine Grundbuchsabfrage stelle keinen internen Vorgang dar, sondern sei an eine andere Behörde (Justizverwaltung) gerichtet, in deren EDV‑System die Anfrage registriert und protokolliert werde. Die Grundbuchsabfragen vom 13. Juli 2004 seien daher nach außen in Erscheinung getreten. Auch seien sie erkennbar auf die Durchsetzung des Abgabenanspruchs gerichtet gewesen, seien doch sämtliche abgefragten Liegenschaften bzw. Liegenschaftsanteile im (Mit)Eigentum des Revisionswerbers gestanden und müsse bei der Abfrage zwingend eine Begründung, üblicherweise die Steuernummer des Abgabepflichtigen angegeben werden, die auf dem Protokoll der Justizverwaltung aufscheine. Weiters sei mit zwei Anfechtungsklagen die Einverleibung von Belastungs- und Veräußerungsverboten auf den Liegenschaften des Revisionswerbers zugunsten seiner Ehefrau und seines Sohns angefochten worden, sodass auch sämtlichen darauf gerichteten Verfahrenshandlungen Unterbrechungswirkung zukomme. Gleiches gelte für die Verfahrenshandlungen im Zusammenhang mit einer Exszindierungsklage.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 In der Revision wird zur Zulässigkeit zunächst vorgebracht, „[d]as Bundesfinanzgericht verstieß gegen die ständige Rechtsprechung des VwGH zu § 63 VwGG, wonach die Behörde die Pflicht hat, einen der Rechtsanschauung des VwGH entsprechenden Rechtszustand unverzüglich herzustellen (z.B. 2013/21/0120)“.

9 Mit diesem nicht näher konkretisierten Vorbringen wird der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht Genüge getan, wonach in den gesonderten Gründen für die Zulässigkeit der Revision ‑ bezogen auf den jeweils vorliegenden Fall ‑ konkret darzulegen ist, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht (vgl. etwa VwGH 13.9.2017, Ra 2017/13/0058, mwN).

10 In der Revisionsbegründung wird dazu näher ausgeführt, das Bundesfinanzgericht hätte keine ergänzenden Sachverhaltsfeststellungen treffen dürfen.

11 Erfolgt die Aufhebung einer Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof ‑ wie im ersten Rechtsgang ‑, weil es das Verwaltungsgericht unterlassen hat, die für die Beurteilung des Rechtsfalls wesentlichen Tatsachenfeststellungen zu treffen, so besteht die Herstellung des der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustands aber gerade darin, dass das Verwaltungsgericht jene Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durchführt und die Feststellungen trifft, die eine erschöpfende Beurteilung des maßgeblichen Sachverhalts ermöglichen (vgl. etwa VwGH 14.5.2020, Ra 2019/13/0097; 7.5.2020, Ra 2019/03/0091). Da das Bundesfinanzgericht im zweiten Rechtsgang u.a. dieser Verpflichtung nicht nachgekommen war und damit den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand nicht hergestellt hatte, hatte der Verwaltungsgerichtshof die Ersatzentscheidung des Bundesfinanzgerichts neuerlich aufgehoben. Dem Bundesfinanzgericht war es daher im dritten Rechtsgang ‑ entgegen der Ansicht des Revisionswerbers ‑ gerade nicht verwehrt, ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen.

12 Zur Zulässigkeit der Revision wird weiters vorgebracht, „[d]as Bundesfinanzgericht hat gegen die ständige Rechtsprechung des VwGH verstoßen, wonach es dem Neuerungsverbot (§ 41 VwGG) widerspricht, Rechtsausführungen vorzunehmen, deren Wahrnehmung zusätzliche Sachverhaltsfeststellungen erfordern, diese aber nicht bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragen wurden (VwGH 24.10.1985, Zl. 83/06/0118; VwGH 16.12.2004, Zl. 2004/16/0205; VwGH 9.11.2011, Zl. 2011/16/0067; VwGH 22.3.2006, Zl. 2011/13/0289; VwGH 16.12.2004, Zl. 2004/16/0205)“.

13 Aus diesem Vorbringen ist für den Revisionswerber nichts zu gewinnen, gilt das Neuerungsverbot nach § 41 VwGG doch nur im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, nicht aber in jenem vor dem Bundesfinanzgericht (vgl. § 270 zweiter Satz BAO).

14 In der Zulässigkeitsbegründung wird weiters eine Verletzung des Parteiengehörs gerügt, weil „der Pflichtige Gelegenheit haben muss, sich zu neu ins Spiel gebrachten Tatsachen äußern zu können (z.B. VwGH 19.12.2013, Zl. 2011/03/0160)“.

15 Dem angefochtenen Erkenntnis ist ‑ in Übereinstimmung mit den vorgelegten Verfahrensakten ‑ zu entnehmen, dass das Bundesfinanzgericht dem Revisionswerber mit Schreiben vom 6. September 2017 die Unterlagen zu den in weiterer Folge als Unterbrechungshandlungen gewerteten Amtshandlungen übermittelt und der Revisionswerber mit Schreiben vom 3. Oktober 2017 dazu Stellung genommen hat. Vor diesem Hintergrund ist eine Verletzung des Parteiengehörs nicht erkennbar.

16 Schließlich bringt der Revisionswerber zur Zulässigkeit der Revision vor, es fehle Rechtsprechung zur Frage, „ob die fünfjährige Frist für die Antragstellung nach § 216 BAO auch dann gilt, wenn die Abgabenbehörde ‑ wenngleich auch zu Unrecht ‑ auf dem Standpunkt steht, dass die Frist zur Einhebungsverjährung wegen einer unwirksamen Unterbrechungshandlung verlängert wurde bzw. neu zu laufen begonnen hat“.

17 Hiezu genügt ein Hinweis darauf, dass schon das Finanzamt den Antrag des Revisionswerbers nicht zurückgewiesen hat und das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis ausdrücklich davon ausgeht, dass der Revisionswerber die Frist des § 216 BAO nicht versäumt habe (Seite 9 des angefochtenen Erkenntnisses).

18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 24. März 2021

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