Normen
BAO §238 Abs2;
BAO §238 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.326,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte einen Antrag auf Ausstellung eines Abrechnungsbescheides gemäß § 216 BAO u.a. mit der Begründung, es sollten damit Meinungsverschiedenheiten mit der Behörde betreffend den Eintritt der Einhebungsverjährung hinsichtlich Einkommensteuer 1987 bis 1992, Gewerbesteuer 1986 bis 1993 (samt den Verspätungszuschlägen zu diesen Steuerarten) geklärt werden.
Auf Grund dieses Antrages erließ das Finanzamt einen Abrechnungsbescheid vom 8. Juni 2010 mit der Feststellung, dass "die Verpflichtung zur Zahlung der nachstehend angeführten Abgaben im Betrag von 3.706.916,89 Euro nicht erloschen ist". Begründet wurde dies lediglich mit dem Satz: "Die Einhebungsverjährung für die genannten Abgaben ist infolge von Unterbrechungshandlungen gem. § 238 Abs. 2 BAO - wie z.B. Pfändungsmaßnahmen in den Jahren 1998, 2001, 2008 oder die Aufforderung zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses im Jahr 2005 nicht eingetreten".
Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er rügte, dass die Abgabenbehörde die Umstände nicht konkret angebe, die zur Unterbrechung (und damit zum neuerlichen Beginn der Verjährungsfrist) geführt hätten. Die Behörde hätte ausführen müssen, wann und wodurch Vollstreckungsmaßnahmen im Sinne des § 238 Abs. 2 BAO vorgenommen worden seien und ob diese überhaupt nach außen eine Wirkung entfaltet hätten. Ohne derartige Ausführungen sei dem Beschwerdeführer eine Kontrolle nicht möglich, ob es "tatsächlich jeweils rechtzeitig zu einem Neubeginn der Laufzeit kam". Hätte die Abgabenbehörde ihrer Begründungspflicht entsprochen, wäre hervorgekommen, dass ein Großteil der Abgabenverbindlichkeiten von der Einhebungsverjährung betroffen sei.
Ohne weitere erkennbare Verfahrensschritte erging der angefochtene Bescheid, mit dem die belangte Behörde die Berufung als unbegründet abwies. Nach einer Darstellung der im Einzelnen aushaftenden Abgabenarten wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt, dem Einwand des Beschwerdeführers, dass die Abgaben verjährt seien, sei die "Aktenlage entgegenzuhalten, wonach folgende Unterbrechungshandlungen, die die fünfjährige Einhebungsverjährungsfrist jeweils neu in Gang setzten, gesetzt wurden":
"Unterbrechungshandlung | Datum | Verjährt am |
(…) | ||
Forderungspfändung | 15. 06. 1999 | 31. 12. 2004 |
Forderungspfändung | 30. 06. 1999 | 31. 12. 2004 |
Grundbuchsabfrage | 13. 07. 2004 | 31. 12. 2009 |
Vermögensverzeichnis | 11. 03. 2005 | 31. 12. 2010" |
Es sei daher festzustellen, dass die Einhebung der gegenständlichen Abgaben in der derzeit aushaftenden Höhe nicht verjährt sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 238 Abs. 1 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.
Gemäß § 238 Abs. 2 BAO wird die Verjährung fälliger Abgaben durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.
Zu den Voraussetzungen einer wirksamen Unterbrechungshandlung im Sinne des § 238 Abs. 2 BAO zählt, dass sie nach außen in Erscheinung tritt und erkennbar den Zweck verfolgt, den Anspruch gegen einen bestimmten Abgabenschuldner durchzusetzen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Amtshandlung zur Erreichung des angestrebten Erfolges konkret geeignet ist und ob der Abgabenschuldner von der Amtshandlung Kenntnis erlangte (vgl. z.B. Ritz, BAO4, § 238 Tz 12, mit Hinweisen auf die hg. ständige Judikatur).
In der Beschwerde wird im Wesentlichen vorgebracht, im angefochtenen Bescheid seien die einzelnen Unterbrechungshandlungen nur mit Schlagworten bezeichnet, weil die belangte Behörde offenbar davon ausgegangen sei, dass der Beschwerdeführer als Adressat der "diesbezüglich nach außen tretenden Handlungen Kenntnis von diesen Unterbrechungshandlungen hatte und diese daher als solche erkennen konnte". Dies treffe zwar hinsichtlich der ersten in der Tabelle genannten Unterbrechungshandlungen einschließlich der Unterbrechungshandlung der "Berufungsentscheidung vom 12.10.1998" zu. Keineswegs gelte dies aber für die weiteren vermeintlichen Unterbrechungshandlungen einer "Forderungspfändung vom 15.6.1999" und einer "Forderungspfändung vom 30.6.1999". Angaben zur Überprüfung der vermeintlichen Unterbrechungshandlungen fehlten hier völlig. Hätte die belangte Behörde angegeben, was unter den Forderungspfändungen vom 15.6.1999 und 30.6.1999 zu verstehen sei, wäre auch hervorgekommen, "dass diese Handlungen entweder gar nicht stattgefunden haben oder jedenfalls keine Außenwirkung entfalteten". Auch sei unklar, ob es sich bei der weiters angegebenen Unterbrechungshandlung einer "Grundbuchabfrage" vom 13. Juli 2004 um eine zur Durchsetzung des Abgabenanspruches unternommene Amtshandlung gehandelt habe. Auch hier lasse der angefochtene Bescheid nicht erkennen, worauf sich "denn diese 'Grundbuchabfrage' bezogen hätte", die als rein interner Vorgang wohl auch nicht als taugliche Unterbrechungshandlung angesehen werden könnte. Wäre damit - spätestens - am 31. Dezember 2004 Einhebungsverjährung eingetreten, könnte eine mit "Vermögensverzeichnis" betitelte Unterbrechungshandlung vom 11. März 2005 - "was immer darunter zu verstehen gewesen wäre" - nur eine bereits verjährte Abgabe betreffen und wäre damit ohne Bedeutung.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führt ein Begründungsmangel dann zur Bescheidaufhebung, wenn er entweder die Parteien des Verwaltungsverfahrens an der Verfolgung ihrer Rechte oder den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit hindert (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 15. November 1995, 94/13/0146, und vom 16. Februar 2006, 2001/14/0168, mwN).
Dass der angefochtene Bescheid mit einem solchen wesentlichen Begründungsmangel belastet ist, zeigt die Beschwerde zutreffend auf, in der u.a. zu Recht darauf hingewiesen wird, dass der Bescheidbegründung hinsichtlich angegebener Forderungspfändungen und vor allem einer "Grundbuchabfrage" nicht in nachvollziehbarer Weise zu entnehmen ist, inwieweit diese angesprochenen - dem Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren auch nicht vorgehaltenen -
Amtshandlungen zur Wirksamkeit als taugliche Unterbrechungshandlungen im Sinne des § 238 Abs. 2 BAO nach außen in Erscheinung getreten sind und erkennbar den Zweck verfolgt haben, die in Rede stehenden Abgabenansprüche gegenüber dem Beschwerdeführer durchzusetzen. Eine fehlende Bescheidbegründung kann in der Gegenschrift nicht nachgeholt werden, wobei anzumerken ist, dass etwa auch Grundbuchabfragen erkennbar auf die Durchsetzung des betreffenden Abgabenanspruches gerichtet sein müssen (vgl. in diesem Zusammenhang z.B. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 2012, 2008/13/0035).
Der angefochtene Bescheid war somit bereits deshalb wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 18. Dezember 2013
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)