VwGH Ra 2018/05/0229

VwGHRa 2018/05/022925.9.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision der G GmbH in A, vertreten durch Dr. Gunther Huber und Mag. Nikolaus Huber, Rechtsanwälte in 4050 Traun, Heinrich Gruber-Straße 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 16. Jänner 2018, Zl. LVwG-151299/2/DM, betreffend Untersagung der Ausführung eines angezeigten Bauvorhabens (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeinderat der Stadtgemeinde A; weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

BauO OÖ 1994 §25 Abs1 Z15;
BauO OÖ 1994 §25a Abs1;
BauO OÖ 1994 §30 Abs6 Z1;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §24;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018050229.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

4 Nach ständiger hg. Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Darin ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte. Dieser ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 21.11.2017, Ra 2016/05/0092, mwN).

5 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

6 In dem (in der Zulässigkeitsbegründung der Revision genannten) Beschluss VwGH 29.9.2016, Ra 2016/05/0078, 0079, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgeführt, dass bauliche Maßnahmen zur Errichtung einer Lärmschutzwand, die erst zu einer Zeit gesetzt wurden, als die Ausnahme von der Oö. Bauordnung 1994 - Oö. BauO 1994 für Lärmschutzwände (gemeint: im Sinne des § 1 Abs. 3 Z 13 Oö. BauO 1994 in der Fassung vor Inkrafttreten der Oö. Bauordnungs-Novelle 2006, LGBl. Nr. 96) nicht mehr gegolten hat, der Oö. BauO 1994 unterliegen, wobei (etwa) im Falle der noch erforderlichen Verfüllung von bereits aufgestellten Metallständern für eine Lärmschutzwand von einer bloßen Fertigstellung dieser Wand nicht gesprochen werden kann und eine solche Verfüllung ein maßgeblicher Teil der zu errichtenden Wand ist.

7 In seinem Beschluss VwGH 23.11.2016, Ra 2016/05/0078, 0079, hat der Verwaltungsgerichtshof zum Vorbringen der in diesen Verfahren revisionswerbenden und die Wiederaufnahme dieser Revisionsverfahren beantragenden Partei (U GmbH), dass gemäß einem Betriebsanlagenänderungsbescheid vom 22. Dezember 2003 die in Rede stehenden Lärmschutzwände noch vor dem Stichtag 1. September 2006 (dem Inkrafttreten der Oö. Bauordnungs-Novelle 2006) rechtskräftig gewerbebehördlich genehmigt worden seien, im Hinblick auf die noch vor diesem Stichtag begonnenen baulichen Maßnahmen zur Errichtung dieser Lärmschutzwände die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs. 3 Z 13 Oö. BauO 1994 in der Fassung vor Inkrafttreten der Oö. Bauordnungs-Novelle 2006 weiter gegolten habe und, weil die Lärmschutzwände bereits vor dem 1. September 2006 gewerberechtlich rechtskräftig vorgesehen gewesen seien, eine erst nachher erfolgte endgültige Fertigstellung baurechtlich unschädlich bleibe, - unter Bezugnahme auf seinen vorangegangenen Beschluss VwGH 29.9.2016, Ra 2016/05/0078, 0079 - (u.a.) darauf hingewiesen, dass dieser Umstand nichts daran ändert, dass diese Maßnahmen zur Errichtung der Lärmschutzwand erst zu einem Zeitpunkt gesetzt wurden, als die Ausnahme für Lärmschutzwände (gemeint: im Sinne des § 1 Abs. 3 Z 13 Oö. BauO 1994 in der Fassung vor Inkrafttreten der genannten Novelle) nicht mehr gegolten hat.

8 Im Hinblick darauf ist die von der Revision in der Zulässigkeitsbegründung als Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG bezeichnete Frage, ob für eine Lärm- und Schallschutzwand - wie die in der Bauanzeige der Revisionswerberin vom 24. März 2017 angeführte (12 m lange und 5 m hohe) Lärmschutzwand, deren Errichtung beabsichtigt ist - die Oö. Bau 1994 gilt, in der hg. Rechtsprechung bereits gelöst. Dass es sich bei dem Beschluss VwGH 29.9.2016, Ra 2016/05/0078, 0079, - wie die Revisionswerberin vorbringt - um kein stattgebendes Erkenntnis im Sinne des § 63 Abs. 1 VwGG handelt, ändert nichts an der Maßgeblichkeit der genannten Judikatur für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG.

9 Aus den von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Erkenntnissen VwGH 25.1.2000, 99/05/0091, und VwGH 20.4.2001, 2001/05/0025, ist für ihren Standpunkt bereits deshalb nichts gewonnen, weil diese auf die Oö. BauO 1994 in der Fassung vor Inkrafttreten der Oö. Bauordnungs-Novelle 2006 abstellen, nach welcher Rechtslage (§ 1 Abs. 3 Z 13 Oö. BauO 1994) dieses Landesgesetz für Lärm- und Schallschutzwände, die nach anderen Rechtsvorschriften vorgesehen sind oder errichtet werden - wie eine solche Wand, die (etwa) in einem (gewerbebehördlichen) Betriebsanlagengenehmigungsbescheid vorgesehen war - nicht gegolten hat. Diesen beiden Erkenntnissen liegt somit zugrunde, dass die jeweilige in Rede stehende Lärm- und Schallschutzwand zu einem Zeitpunkt errichtet wurde, als für diese die genannte Ausnahme von der Geltung der Oö. BauO 1994 normiert war. Diese Erkenntnisse stehen daher in keinem Widerspruch zu den Beschlüssen VwGH 29.9.2016, Ra 2016/05/0078, 0079, und VwGH 23.11.2016, Ra 2016/05/0078, 0079.

10 Auch mit dem Hinweis auf die Übergangsbestimmung des Art. II der Oö. Bauordnungs-Novelle 2006 zeigt die Revision nicht auf, dass das Landesverwaltungsgericht eine Rechtsfrage im Sinne Art. 133 Abs. 4 B-VG unrichtig beantwortet habe, handelt es sich doch bei der revisionsgegenständlichen Angelegenheit um keine Angelegenheit eines Verkehrsflächenbeitrages (vgl. Art. II Abs. 3 und 4 dieser Novelle) und ist auch nicht ersichtlich, dass im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Novelle ein individuelles (nach den bisher geltenden Rechtsvorschriften weiterzuführendes) Verwaltungsverfahren anhängig war (vgl. Art. II Abs. 2 dieser Novelle), das bei der Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen für die hier gegenständliche Untersagung der Ausführung des angezeigten Bauvorhabens zu berücksichtigen gewesen wäre.

11 Das Vorbringen der Revisionswerberin, dass "ohne besondere (retroaktive) Rückwirkungsregelung" die geänderten Bestimmungen der Oö. Bauordnungs-Novelle 2006 nur auf Sachverhalte anzuwenden seien, die sich nach Wirksamkeitsbeginn ereignet hätten, führt daher zu keiner anderen Beurteilung, zumal die Verwirklichung des von der Revisionswerberin angezeigten Sachverhaltes, nämlich die Errichtung der gegenständlichen Lärmschutzwand (als - wie die Revision vorbringt - "Lückenschließung") erst beabsichtigt ist und sich daher noch nicht "ereignet" hat.

12 Auch mit ihrem Vorbringen, dass das Landesverwaltungsgericht von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung nicht hätte absehen dürfen, wirft die Revision keine Rechtsfrage auf, der im vorliegenden Fall grundsätzliche Bedeutung zukäme:

13 Gemäß § 24 Abs. 4 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2017 kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegensteht.

14 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in einer Reihe von Entscheidungen mit Blick auf Art. 6 EMRK die Auffassung vertreten, dass eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten ist, und zwar insbesondere dann nicht, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann, und wenn keine übermäßig komplexen Rechtsfragen zu lösen sind (vgl. dazu etwa VwGH 26.6.2018, Ra 2018/05/0189, mwH auf Judikatur des EGMR und hg. Rechtsprechung).

15 Das Landesverwaltungsgericht begründete das Unterbleiben der von der Revisionswerberin beantragten mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf § 24 Abs. 4 VwGVG im Wesentlichen damit, dass der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage hinreichend geklärt sei und eine mündliche Erörterung nichts zur Ermittlung der materiellen Wahrheit hätte beitragen können.

16 Die Revision führt in der - allein maßgeblichen - Zulässigkeitsbegründung nicht substanziiert aus, inwiefern entgegen den Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis nach den oben dargestellten Grundsätzen dennoch eine Verletzung der Verhandlungspflicht vorliege. Insbesondere stellt sie nicht dar, welcher konkrete Sachverhalt strittig oder nicht geklärt sei oder dass eine komplexe Rechtsfrage zu beantworten gewesen sei. Wenn die Revision ganz allgemein vorbringt, dass "bei dem sachverhaltsbezogenen Vorbringen" in der Bescheidbeschwerde allein deshalb eine mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen wäre, so stellt diese Verweisung auf im Beschwerdeverfahren erstattete Schriftsätze keine gesetzmäßige Ausführung der Zulässigkeitsgründe im Sinne des § 28 Abs. 3 VwGG dar (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa VwGH 29.6.2016, Ra 2016/05/0030, mwN).

17 Somit ist nicht ersichtlich, dass das Landesverwaltungsgericht durch die Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Art. 6 EMRK verletzt habe, weshalb sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auch in diesem Zusammenhang nicht stellt (vgl. zum Ganzen nochmals VwGH 26.6.2018, Ra 2018/05/0189, mwN).

18 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 25. September 2018

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