VwGH Ra 2018/05/0227

VwGHRa 2018/05/022725.9.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz, sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision der M G in P, vertreten durch die Niedermayr Rechtsanwalt GmbH in 4400 Steyr, Stadtplatz 46, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 12. Juni 2018, Zl. LVwG-100081/5/DM, betreffend Abweisung eines Antrages auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers zur Vertretung in einem verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren in einer verwaltungsstrafrechtlichen Angelegenheit nach der Oö. Bauordnung 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Freistadt), den Beschluss gefasst:

Normen

BauO OÖ 1994 §57;
B-VG Art133 Abs4;
MRK Art6 Abs1;
MRK Art6 Abs3 litc;
ROG OÖ 1994 §40 Abs8;
VStG §51a;
VwGVG 2014 §40 idF 2017/I/024;
VwGVG 2014 §40;
VwGVG 2014 §8a idF 2017/I/024;
VwGVG 2014 §8a;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018050227.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

4 Nach ständiger hg. Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Darin ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte. Dieser ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 21.11.2017, Ra 2016/05/0092, mwN).

5 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

6 Mit dem über die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Berufungsbescheid des Gemeinderates P. vom 27. Juni 2016 ergangenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) vom 15. Mai 2017 wurde der Revisionswerberin als Eigentümerin die Verwendung sämtlicher baulicher Anlagen auf ihrem (näher bezeichneten) Grundstück für den dem Oö. Raumordnungsgesetz 1994 nicht entsprechenden Betrieb einer Hundepension untersagt. Die von ihr gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss VwGH 16.10.2017, Ra 2017/05/0112, zurückgewiesen.

7 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 22. März 2018 wurde über die Revisionswerberin eine Geldstrafe von EUR 3.600,- (Ersatzfreiheitsstrafe für den Fall der Uneinbringlichkeit: 34 Stunden) zuzüglich des Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens von EUR 360,- verhängt, weil sie der genannten baubehördlichen Untersagung dadurch nicht entsprochen habe, dass auf ihrem Anwesen (auf diesem Grundstück) während zwölf (näher bezeichneter) Zeiträume jeweils ein (näher bezeichneter) Hund verschiedener fremder Hundehalter (während all dieser Zeiträume insgesamt neun Hunde) untergebracht gewesen und betreut worden seien.

8 Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss wurde (unter Spruchpunkt I.) der Antrag der Revisionswerberin auf Gewährung von Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers zur Erhebung einer Beschwerde gegen den genannten Bescheid vom 22. März 2018 und zur Vertretung im gesamten verwaltungsgerichtlichen Verfahren als unbegründet abgewiesen und (unter Spruchpunkt II.) eine Revision für unzulässig erklärt.

9 § 40 und § 8a Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2017 (§ 8a auszugsweise) lauten:

"Verfahrenshilfeverteidiger

§ 40. (1) Ist ein Beschuldigter außerstande, die Kosten der Verteidigung ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, so hat das Verwaltungsgericht auf Antrag des Beschuldigten zu beschließen, dass diesem ein Verteidiger beigegeben wird, dessen Kosten der Beschuldigte nicht zu tragen hat, soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung, erforderlich und auf Grund des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 lit. c der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geboten ist.

(2) § 8a Abs. 3 bis 10 ist sinngemäß anzuwenden, § 8 Abs. 3 mit der Maßgabe, dass der Antrag auch mündlich gestellt werden kann."

"Verfahrenshilfe

§ 8a. ...

...

(3) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist schriftlich zu stellen. Er ist bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Für Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG ist der Antrag unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen.

(4) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe kann ab Erlassung des Bescheides bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, gestellt werden. ...

(5) In dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist die Rechtssache bestimmt zu bezeichnen, für die die Bewilligung der Verfahrenshilfe begehrt wird.

(6) Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen, so hat es den Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Vertreter bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen der Partei zur Auswahl der Person des Vertreters im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen.

(7) Hat die Partei innerhalb der Beschwerdefrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, so beginnt für sie die Beschwerdefrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid diesem zugestellt sind. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag abgewiesen, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei zu laufen. Entsprechendes gilt für die Fristen, die sich auf die sonstigen in Abs. 2 genannten Anträge beziehen.

(8) Die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter erlischt mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten.

(9) In Verfahrenshilfesachen ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig.

(10) Der Aufwand ist von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen das Verwaltungsgericht in der Angelegenheit handelt."

10 Auch § 40 VwGVG in der angeführten Fassung entspricht weitgehend der mit Inkrafttreten des BGBl. I Nr. 33/2013 (am 1. Jänner 2014) außer Kraft getretenen Bestimmung des § 51a Verwaltungsstrafgesetz - VStG, sodass die zu dieser Gesetzesbestimmung ergangene hg. Judikatur auf die oben genannte Rechtslage nach dem VwGVG übertragen werden kann (vgl. dazu zu § 40 VwGVG in der Stammfassung VwGH 18.5.2016, Ra 2016/04/0041, mwN). Danach ist bei der Beurteilung der Interessen der Rechtspflege vor allem auf die zweckentsprechende Verteidigung Bedacht zu nehmen. Als Gründe für die Beigebung eines Verteidigers sind besondere Schwierigkeiten der Sachlage oder Rechtslage, besondere persönliche Umstände des Beschuldigten und die besondere Tragweite des Rechtsfalles für die Partei (wie etwa die Höhe der dem Beschuldigten drohenden Strafe) zu berücksichtigen, wobei die Beigabe eines Verfahrenshelfers nur dann vorgesehen ist, wenn beide in § 51a Abs. 1 VStG (nunmehr: § 40 Abs. 1 VwGVG) genannten Voraussetzungen (Beeinträchtigung des notwendigen Unterhaltes, Interesse der Rechtspflege) kumulativ vorliegen (vgl. zum Ganzen nochmals VwGH 18.5.2016, Ra 2016/04/0041, mwN).

11 Ob es im vorliegenden Fall im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, erforderlich und im Sinne des Art. 6 Abs. 1 und 3 lit. c EMRK geboten war, der Revisionswerberin Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers zu gewähren, stellt eine Rechtsfrage des Einzelfalls dar, deren Beurteilung nur dann revisibel ist, wenn diese in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise erfolgt ist (vgl. in diesem Zusammenhang etwa VwGH 25.1.2018, Ra 2017/21/0205).

12 Eine solche gravierende Fehlbeurteilung ist aus dem Vorbringen der Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung (§ 28 Abs. 3 VwGG) nicht zu erkennen. Dazu ist Folgendes auszuführen:

13 Wie bereits dargelegt wurde, sind als Gründe für die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers (u.a.) besondere Schwierigkeiten der Sachlage oder Rechtslage wie auch persönliche Umstände des Beschuldigten und die besondere Tragweite des Rechtsfalles für die Partei zu berücksichtigen. In der hg. Judikatur wurde auch bereits ausgesprochen, dass selbst dann, wenn es sich bei einem Beschuldigten um eine Person ohne juristische Ausbildung handelt, die Verfahrenshilfe nicht in jedem Fall zu gewähren ist und bei Vorliegen einer lediglich einfachen Sach- oder Rechtslage davon Abstand genommen werden kann (vgl. etwa VwGH 26.1.2001, 2001/02/0012; ferner zum Fall des Vorliegens einer lediglich einfachen Sachlage VwGH 29.9.2005, 2005/11/0094).

14 Die Revision bringt in Bezug auf die vom Verwaltungsgericht getroffenen Sachverhaltsannahmen, dass die Revisionswerberin entgegen der mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes vom 15. Mai 2017 ausgesprochenen Untersagung auf ihrem Anwesen während der (im Strafbescheid näher genannten) Zeiträume fremde Hunde untergebracht und betreut habe, in ihrer Zulässigkeitsbegründung - lediglich in allgemein gehaltener Weise -

vor, es dürfe nicht übersehen werden, dass in diesem konkreten Fall der Sachverhalt schon als geklärt angesehen werde, was bedeute, dass man der Revisionswerberin ausdrücklich das Recht versage, in einem allfälligen Beschwerdeverfahren auch nur mit irgendeiner zu erwartenden Relevanz die Feststellungen und die diese begründende Beweiswürdigung anzufechten, was sie als völlige Verkennung der maßgeblichen Grundlagen des Verwaltungsstrafverfahrens erachte, zumal die persönliche Freiheit der Revisionswerberin auf dem Spiel stehe. Damit tritt die Revision jedoch nicht konkret den der Revisionswerberin angelasteten Tatvorwürfen entgegen und behauptet insbesondere nicht, dass diese in den ihr angelasteten Zeiträumen auf ihrem Anwesen keine fremden Hunde untergebracht und betreut habe. Es ist daher nicht zu erkennen, inwieweit im Beschwerdeverfahren komplexe Sachverhaltsfragen zu klären seien und deshalb die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers geboten wäre.

15 Aber auch das Vorliegen einer komplexen Rechtslage ist nicht ersichtlich. Dazu bringt die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung im Wesentlichen vor, es müsse die ausschließlich entscheidungswesentliche Rechtsfrage geklärt werden, ob ein Landwirt Hunde eines anderen Landwirtes bzw. eigene Hunde betreuen dürfe und dem das Regime der Gewerbeordnung als gleichsam übergeordnet entgegenstehe. Die Revisionswerberin habe im Verfahren immer die Auffassung vertreten, Bestimmungen der Gewerbeordnung wären an sich gleichberechtigt. "Daher können derartige die Gewerberegeln, nicht die nicht bloß programmatischen, sondern grundlegenden eingangs der Gewerbeordnung verdrängen". Was der Revisionswerberin als Landwirtin gestattet sei, könne nach der Gewerbeordnung nicht verboten sein. Diese Frage liege der Frage der Strafbarkeit zugrunde, die bislang nicht erschöpfend und nicht richtig beurteilt worden sei. Dazu komme, dass zwar auf Beweismittel (insbesondere Aussagen von Nachbarn) Bezug genommen worden sei, in vergleichbaren Konstellationen es jedoch keinerlei Schritte, geschweige denn Strafen, gegen die Revisionswerberin gegeben habe, weil hier offenbar die Behörde erkannt habe, dass kein sanktionierbarer Tatbestand gegeben sei. Weiters sei davon auszugehen, dass Beweisverwertungsverbote vorlägen, weil die Anzeigerin selbst Gemeindebedienstete und wohl in höchstem Maße befangen sei.

16 Soweit die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung die Gewerbeordnung anspricht, wendet sie sich gegen den mit dem genannten Erkenntnis vom 15. Mai 2017 erteilten Bauauftrag, der jedoch in Rechtskraft erwachsen ist. Die Frage der Rechtmäßigkeit dieses Bauauftrages kann daher im verwaltungsstrafrechtlichen Beschwerdeverfahren nicht neuerlich aufgerollt werden. Im Übrigen berührt auch der behauptete Umstand, dass gegen die Revisionswerberin von der Behörde "in vergleichbaren Konstellationen" keine Schritte gesetzt worden seien, keine Rechtsfrage von komplexer Natur.

17 Was den Hinweis in der Zulässigkeitsbegründung auf die Schwere des der Revisionswerberin drohenden Strafe anlangt, so bestehen auch unter diesem Blickwinkel gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts keine Bedenken (vgl. etwa VwGH 26.1.2001, 2001/02/0012, mwN).

18 Da somit die Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht erkennen lässt, dass das Verwaltungsgericht den Verfahrenshilfeantrag der Revisionswerberin in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise beurteilt hat, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

Wien, am 25. September 2018

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