VwGH Ra 2016/04/0041

VwGHRa 2016/04/004118.5.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Pürgy als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Mitter, über die Revision der A F in K, vertreten durch Dr. Martin Attlmayr, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Müllerstraße 27, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2016, Zl. W214 2007810-1/59Z, betreffend Verfahrenshilfe in einer Angelegenheit nach dem Datenschutzgesetz 2000, den Beschluss gefasst:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
VStG §51a Abs1;
VwGVG 2014 §40 Abs1;
VwRallg;
ZPO §63 Abs1;
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
VStG §51a Abs1;
VwGVG 2014 §40 Abs1;
VwRallg;
ZPO §63 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2016 wurde dem Antrag der Revisionswerberin auf Verfahrenshilfe (betreffend unentgeltliche Beigabe eines Verfahrensverteidigers und Kostenersatz für künftige Aufwendungen im Verfahren) im Verfahren gegen den Bescheid der Datenschutzbehörde vom 27. Februar 2014 nicht Folge gegeben und die ordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig erklärt.

Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, es sei im vorliegenden Fall (anknüpfend an das hg. Erkenntnis vom 3. September 2015, Ro 2015/21/0032) zu prüfen, ob in Anwendung des Art. 47 GRC bei einer Person, die nicht über ausreichende Mittel verfüge, eine Verfahrensunterstützung zu bewilligen sei, soweit diese Hilfe erforderlich sei, um den Zugang zu den Gerichten zu gewährleisten. Im Zuge der Beurteilung des (Nicht‑)Vorhandenseins "ausreichender Mittel" kam das Verwaltungsgericht zum Ergebnis, dass der Revisionswerberin bei einem monatlichen Nettogehalt von EUR 2.397,05 nach Abzug sämtlicher Aufwendungen noch ein Betrag von EUR 1.223,48 zur Verfügung stehe, weshalb eine Verfahrenshilfe schon auf Grund der finanziellen Situation der Revisionswerberin nicht zu gewähren sei.

2 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

3 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, es fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung betreffend die Voraussetzungen der Zuerkennung der Verfahrenshilfe durch das Bundesverwaltungsgericht. Dieses habe im vorliegenden Fall die Problematik der Herstellung der Chancengleichheit einer unvertretenen, juristisch ungebildeten Person gegenüber einer mächtigen, juristisch und fachlich (hinsichtlich EDV-Kenntnisse) bestens ausgestatteten und finanziell potenten Verfahrenspartei durch Gewährung der Verfahrenshilfe "ausgeblendet". Bei der Frage, ob die Antragstellerin über ausreichende Mittel verfüge, sei nicht von einer einseitigen Betrachtung auszugehen und dürfe nicht auf die aus der ZPO bekannten Ansätze zurückgegriffen werden. Der Fokus des Art. 47 GRC liege - anders als jener der ZPO - auf dem wirksamen Zugang zu den Gerichten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass in der ZPO über den Prozesskostenersatz eine völlig andere Situation bestehe, als im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, das keinen Prozesskostenersatz kenne und somit eine Partei jedenfalls mit den Vertretungskosten endgültig belaste.

4 Mit diesem Vorbringen zeigt die Revisionswerberin aus folgenden Gründen keine Rechtsfrage auf, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzlich Bedeutung zukäme:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist als notwendiger Unterhalt im Sinne des § 51a Abs. 1 VStG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013 (Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit) ein zwischen dem "notdürftigen" und dem "standesgemäßen" Unterhalt liegender anzusehen, der abstrakt zwischen dem statistischen Durchschnittseinkommen eines unselbständig Erwerbstätigen und dem "Existenzminimum" liegt und unter Würdigung der Umstände des Einzelfalles eine die Bedürfnisse des Einzelnen berücksichtigende bescheidene Lebensführung gestattet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Mai 2012, 2012/08/0057). Der Verwaltungsgerichtshof verweist hier explizit auf die zur insoweit vergleichbaren Regelung des § 63 Abs. 1 ZPO ergangene Judikatur. Auch hat er ausgesprochen, dass bei der Beurteilung der Interessen der Verwaltungsrechtspflege vor allem auf die zweckentsprechende Verteidigung Bedacht zu nehmen ist. Als Gründe für die Beigebung eines Verteidigers sind besondere Schwierigkeiten der Sachlage oder Rechtslage, besondere persönliche Umstände des Beschuldigten und die besondere Tragweite des Rechtsfalles für die Partei (wie etwa die Höhe der dem Beschuldigten drohenden Strafe) zu berücksichtigen, wobei die Beigabe eines Verfahrenshelfers nur dann vorgesehen ist, wenn beide in § 51a Abs. 1 VStG genannten Voraussetzungen (Mittellosigkeit, Interessen der Rechtspflege) kumulativ vorliegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. September 2005, 2005/11/0094, mwN). Nachdem § 40 Abs. 1 VwGVG der Regelung des § 51a Abs. 1 VStG zur Gänze entspricht (vgl. RV 2009 BlgNR 24. GP 8, sowie das Erkenntnis des VfGH vom 25. Juni 2015, G 7/2015, Rz 10), ist diese Rechtsprechung auf die neue Rechtslage zu übertragen. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin fehlt es daher nicht an höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Verwaltungsgerichte Verfahrenshilfe gewähren können. Dem Argument der Revisionswerberin, die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren fehlende Kostenersatzregelung verbiete das bisher praktizierte Zurückgreifen auf die aus der ZPO bekannten Ansätze, ist entgegenzuhalten, dass schon im verwaltungsbehördlichen Verfahren die Parteien die ihnen erwachsenen Kosten selbst zu bestreiten hatten.

Der bisher geltende Grundsatz, wonach die Gewährung von Verfahrenshilfe die Mittellosigkeit des Antragstellers voraussetzt, kommt auch dann zur Anwendung, wenn sich - wie im vorliegenden Fall - der Antrag der Revisionswerberin auf Verfahrenshilfe unmittelbar auf Art. 47 GRC stützt, zumal auch nach dessen Wortlaut Prozesskostenhilfe Personen zu bewilligen ist, "die nicht über ausreichende Mittel verfügen". Dass Art. 47 GRC einer Ermittlung und Bewertung der finanziellen Situation des Antragstellers im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - von der das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall auch nicht abgewichen ist - entgegenstehe, ist nicht erkennbar.

5 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 18. Mai 2016

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