VwGH Ra 2018/03/0080

VwGHRa 2018/03/008030.7.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des S B in F, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Saalbaugasse 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 9. Mai 2018, Zl. LVwG-449-30/2017-R13, betreffend Waffenverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Feldkirch), den Beschluss gefasst:

Normen

StPO 1975 §198;
StPO 1975 §199;
WaffG 1996 §12 Abs1;
WaffG 1996 §12 Abs7;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018030080.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis erließ das Verwaltungsgericht im Rechtszug gemäß § 12 Abs. 1 WaffG ein Waffenverbot gegen den Revisionswerber und ließ dagegen die Revision nicht zu.

2 Das Verwaltungsgericht stellte unter anderem fest, dass der Revisionswerber bis zum Ausspruch eines Betretungsverbots gemäß § 38a SPG gegen ihn am 18. November 2016 mit seiner (damaligen) Ehegattin und zwei gemeinsamen minderjährigen Kindern in der Ehewohnung in F gewohnt habe. Im Zusammenhang mit der von der Ehegattin angestrebten Scheidung sei es immer wieder zu Streitigkeiten zwischen den Eheleuten gekommen, bei denen der Revisionswerber gegenüber seiner Ehegattin (im angefochtenen Erkenntnis näher festgestellte) Drohungen ausgestoßen habe. Während einer Auseinandersetzung am 18. November 2016 habe die damalige Ehegattin die Sprachaufzeichnung ihres Telefons aktiviert; im Zuge dieses Streits seien verschiedene - im Erkenntnis festgestellte - Aussagen gefallen, unter anderem: "Wenn du das nochmal tust, dann brech ich dir dein Kiefer." Der Revisionswerber habe seine damalige Ehegattin im Verlauf dieses Streits durch Zudrücken der Tür, in der ihr Fuß eingeklemmt gewesen sei, am Körper verletzt (Hämatome an beiden Knien sowie ein leichtes Hämatom an der rechten Außenseite des rechtens Fußes). Im Beisein des damals elfjährigen Sohnes habe der Revisionswerber schließlich seine damalige Ehegattin mit beiden Händen am Hals gepackt und dabei zu seinem Sohn gesagt: "Willst du sehen, wie man einem Huhn die Luft zuschnürt?" Die Ehegattin habe an diesem Tag Anzeige gegen den Revisionswerber erstattet. Gegen den Revisionswerber sei am selben Tag ein Betretungsverbot nach § 38a SPG verhängt worden, das von ihm nicht durch Maßnahmenbeschwerde bekämpft worden sei. In der Folge habe das Bezirksgericht Feldkirch aufgrund des aggressiven Verhaltens des Revisionswerbers gegenüber seiner Ehegattin eine einstweilige Verfügung gemäß § 382e EO erlassen, in der ihm bis zur rechtskräftigen Erledigung des Scheidungsverfahrens unter anderem die Rückkehr in die Ehewohnung verboten worden sei. Dem Revisionswerber seien mit Strafantrag der Staatsanwaltschaft Feldkirch vom 31. Mai 2017 die Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB sowie der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB durch näher dargelegte Handlungen im Zuge der Auseinandersetzung am 18. November 2016 zur Last gelegt worden. Die frühere Ehegattin habe im Strafverfahren von ihrem Aussagebefreiungsrecht Gebrauch gemacht. Das Strafverfahren gegen den Revisionswerber sei nach Zahlung eines Geldbetrages nach § 198 StPO in Verbindung mit § 200 StPO (Diversion) eingestellt worden.

3 In rechtlicher Hinsicht kam das Verwaltungsgericht mit ausführlicher, auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Bedacht nehmender Begründung zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die Verhängung des Waffenverbots zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde und auch noch zum Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichtes vorlagen.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision zunächst vor, dass das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche. Dieses Vorbringen ist schon mangels näherer Konkretisierung der behaupteten Abweichung nicht geeignet, die Zulässigkeit der Revision darzulegen.

6 Dem Revisionswerber gelingt es aber auch im weiteren Vorbringen zur Zulässigkeit nicht, ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufzuzeigen. Der von ihm hervorgehobene Umstand, dass das gerichtliche Strafverfahren diversionell eingestellt wurde und der Revisionswerber demnach strafgerichtlich unbescholten ist, ist entgegen der Stoßrichtung der Revision für die Erlassung eines Waffenverbots nicht entscheidend, ebensowenig der Umstand, dass es sich - nach Ansicht des Revisionswerbers - um einen einmaligen Vorfall gehandelt habe.

7 Die Waffenbehörden und das Verwaltungsgericht haben auch im Falle der Diversion eigenständig zu beurteilen, ob ein Sachverhalt vorliegt, der nach den vom WaffG vorgegebenen Kriterien die Erlassung eines Waffenverbots rechtfertigt (VwGH 22.11.2017, Ra 2017/03/0031, m.w.H.). Dies hat das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall getan, indem es das Verhalten des Revisionswerbers bei dem von ihm so bezeichneten "Vorfall" am 18. November 2016 im Einzelnen festgestellt hat. Es steht damit fest, dass der Revisionswerber an diesem Tag seine damalige Ehefrau mehrfach bedroht und auch am Körper verletzt hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zu Situationen familiärer Gewalt mit Verletzungsfolgen bereits festgehalten, dass nach den Umständen des Einzelfalls auch schon ein einmaliger Vorfall (Gewaltexzess) ungeachtet eines untadeligen Vorlebens die Verhängung eines Waffenverbots gemäß § 12 Abs. 1 WaffG rechtfertigen kann, wobei nicht entscheidend ist, durch welches Verhalten die Auseinandersetzung ihren Ursprung genommen hat (vgl. etwa VwGH 19.12.2013, 2013/03/0036). Im konkreten Fall verkennt der Revisionswerber zudem, dass es sich nicht um einen einmaligen Vorfall gehandelt hat; das Verwaltungsgericht hat nämlich festgestellt, dass der Revisionswerber auch vor dem 18. November 2016 bereits - im Zuge von Streitigkeiten betreffen das Sorgerecht für die zwei gemeinsamen Kinder - Drohungen gegenüber seiner damaligen Ehegattin ausgestoßen hat.

8 Schließlich zeigt auch das im Rahmen der Begründung der Zulässigkeit der Revision erstattete Vorbringen, wonach es "seit dem Vorfall vom 18.11.2016, sohin seit mehr als eineinhalb Jahren, keinerlei Vorfälle mehr gegeben" habe, keine zur Zulässigkeit der Revision führende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf. Bei einem "Wohlverhalten" seit dem für die Verhängung des Waffenverbots ausschlaggebenden Anlass muss der zwischen der Anlasstat und dem Zeitpunkt der Erlassung des Waffenverbots liegende Zeitraum ("Beobachtungszeitraum") ausreichend lang sein, um vom Wegfall der Voraussetzungen des Waffenverbotes ausgehen zu können; ein Wohlverhalten von zwei Jahren wurde dafür in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als ausreichend angesehen (vgl. auch dazu etwa VwGH 22.11.2017, Ra 2017/03/0031).

9 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 30. Juli 2018

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