VwGH Ra 2017/18/0416

VwGHRa 2017/18/041621.3.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wech, über die Revision des D A M in W, vertreten durch MMMag. Thomas Obersteiner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottenring 25, als bestellten Verfahrenshelfer, dieser vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. September 2017, Zl. W148 1410192-2/14E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
MRK Art8;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017180416.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger und der Volksgruppe der Hazara sowie der schiitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig, stellte am 7. Juli 2009 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.

2 Mit Bescheid vom 6. November 2009 wies das Bundesasylamt (BAA) den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz in Bezug auf den Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 6. November 2010.

3 Die gegen die negative Asylentscheidung erhobene Beschwerde wurde vom Asylgerichtshof (AsylGH) mit Erkenntnis vom 28. September 2012 als unbegründet abgewiesen.

4 Die befristete Aufenthaltsberechtigung des Revisionswerbers wurde sodann - auf seinen Antrag hin - vom BAA bzw. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Verweis auf die allgemeine Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan immer wieder verlängert, zuletzt bis zum 6. November 2016.

5 Der Revisionswerber wurde am 14. September 2015 aufgrund eines Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz (SMG) festgenommen. Mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 8. Februar 2016 wurde der Revisionswerber rechtskräftig wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 5. Fall, Abs. 4 Z 3 SMG, des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall und Abs. 2 SMG sowie des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs. 1 und 224 Strafgesetzbuch (StGB) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

6 Mit Schreiben vom 10. Oktober 2016 teilte das BFA dem Revisionswerber u.a. mit, dass die Voraussetzungen der Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 3 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) vorliegen würden.

7 Mit Bescheid vom 19. Mai 2017 erkannte das BFA dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkte I. bis III.). Gemäß § 55 Abs. 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkte VI. und V.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Revisionswerber ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

8 Begründend führte das BFA aus, dass eine entscheidungsrelevante Änderung der Sicherheitslage in Afghanistan zu der im Zeitpunkt der Gewährung des subsidiären Schutzes vorherrschenden Sicherheitslage eingetreten sei. Außerdem sei der Revisionswerber wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden, weshalb ihm auch aus diesem Grund der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen wäre. Die Rückkehr nach Afghanistan sei zumutbar. Eine Verletzung des Art. 8 EMRK liege aufgrund des Überwiegens der öffentlichen Interessen nicht vor.

9 Mit Teilerkenntnis vom 16. Juni 2017 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) den Antrag des Revisionswerbers auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG ab.

10 Die gegen den Bescheid vom 19. Mai 2017 erhobene Beschwerde wies das BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis IV. und VI. als unbegründet ab und erklärte die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

11 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

12 In der Revision wird zur Begründung der Zulässigkeit - zusammengefasst - zum einen ein Abgehen von höchstgerichtlicher Judikatur sowie von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) bzw. des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) geltend gemacht und zum anderen unter Verweis auf Art. 16 und Art. 19 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (Statusrichtlinie) eine Verletzung der Ermittlungs- sowie der Begründungspflichten vorgebracht. Zudem wird auf den hg. Beschluss vom 14. Dezember 2017, Ra 2016/20/0038, mit welchem eine Frage zu § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt wurde, verwiesen. In der Zulässigkeitsbegründung finden sich weiters Ausführungen zu den Fluchtgründen des Revisionswerbers sowie weitere allgemeine Angaben zur Sicherheitslage in Afghanistan, zur Volksgruppe der Hazara und zur Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul, jedoch ohne nähere fallbezogene Ausführungen. Hierbei wird eine Abweichung vom hg. entwickelten Zumutbarkeitskalkül geltend gemacht. Zuletzt wird ein Abgehen von der hg. Judikatur hinsichtlich der Beurteilung des Vorliegens eines Eingriffs in das Recht auf Privatleben gemäß Art. 8 EMRK und § 9 Abs. 2 BFA-VG vorgebracht.

13 Die Revision erweist sich als unzulässig.

14 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

15 Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.

16 Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

17 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sämtliche Vorbringen betreffend die Fluchtgründe des Revisionswerbers nicht Gegenstand dieses Verfahrens sind und somit ins Leere gehen, weil mit Erkenntnis des AsylGH vom 28. September 2012 bereits darüber rechtskräftig entschieden wurde.

18 Ein Revisionswerber, der eine Abweichung von der Rechtsprechung im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG behauptet, hat konkret anzuführen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht (vgl. VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0420, mwN). Diesem Erfordernis wird die Revision, in welcher mehrfach lediglich eine Abweichung von höchstgerichtlicher Judikatur sowie der Rechtsprechung des EuGH bzw. des EGMR - ohne Anführung jeglicher Rechtsprechung - geltend gemacht wird, nicht gerecht.

19 Im Falle von geltend gemachten Verfahrensmängeln setzt die Zulässigkeit einer Revision nach ständiger hg. Judikatur neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage auch abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird; das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für den Revisionswerber günstigeren -

Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. VwGH 7.11.2017, Ra 2017/18/0210, mwN).

20 Eine solche Relevanzdarstellung ist den Ausführungen der gegenständlichen Revision hinsichtlich der behaupteten Verletzung von Ermittlungs- bzw. der Begründungspflichten nicht zu entnehmen. Auch die Ausführungen in der Zulässigkeitsbegründung der Revision betreffend Art. 16 der Statusrichtlinie vermögen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen, weil sie einen näheren fallbezogenen Konnex vermissen lassen.

21 Mit dem bloßen Hinweis auf den hg. Beschluss vom 14. Dezember 2017, Ra 2016/20/0038 (EU 2017/0011-1), vermag die Revision ebenso wenig eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzeigen, erschöpft sich der Hinweis doch in einer Wiedergabe der Vorlagefrage und stellt keinen Bezug zum Revisionsfall her.

22 Im Übrigen ist in Bezug auf die Beurteilung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Flucht- und Schutzalternative in der afghanischen Hauptstadt Kabul auf die zuletzt ergangene hg. Entscheidung hinzuweisen (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001, mwN, sowie mit Hinweis auf VfGH 12.12.2017, E 2068/2017).

23 Soweit die Revision schließlich die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK beanstandet, ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. zB VwGH 5.9.2016, Ra 2016/19/0074, mwN). Eine solche Mangelhaftigkeit der vom BVwG vorgenommenen Interessenabwägung hat die Revision jedoch nicht aufzuzeigen vermocht.

24 Mit den übrigen allgemein gehaltenen Ausführungen im Zulässigkeitsvorbringen zeigt der Revisionswerber nicht auf, welche konkrete Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung über die Revision zu lösen hätte.

25 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

26 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 21. März 2018

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte