Normen
BAO §167 Abs2;
BAO §207 Abs2;
FinStrG §33 Abs1;
FinStrG §33;
FinStrG §34;
FinStrG §8 Abs1;
FinStrG §9;
FinStrG §98 Abs3;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017150059.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Schreiben vom 1. Dezember 2014 erstattete die Revisionswerberin Selbstanzeige betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2002 bis 2012. Sie teilte mit, sie habe im Zeitraum bis 31. Dezember 2012 von ihrem Vater Grundstücke (Angelsee) gepachtet; seit 1. Jänner 2013 sei sie Eigentümerin der Grundstücke. Bisher seien die Einkünfte aus dem Verkauf von Fischereikarten nicht erklärt worden, weil die Revisionswerberin als Pächterin davon ausgegangen sei, dass diese Einkünfte durch die landwirtschaftliche Pauschalierung der Grundstücke erfasst seien. Erstmals ab Zustellung eines Einheitswert-Bescheides vom 10. Dezember 2013 seien ihr Bedenken wegen des Wortlautes ("Sportfischerei") hinsichtlich der Steuerpflicht gekommen, die nun zu dieser Selbstanzeige führten. Umsatzzahlen als Grundlage für die Selbstanzeige lägen nur beschränkt vor, weil Aufzeichnungen über die verkauften Karten von der Pächterin der Fischerhütte (Gastronomiebetrieb), die auch die Karten verkauft habe, gemacht worden und am Ende des Jahres an die Revisionswerberin übergeben worden seien. Diese Grundaufzeichnungen seien nur mehr für das Jahr 2014 vorhanden. Die Preise der Karten für die Vorjahre seien jedoch bekannt. Sie gab sodann die erzielten Umsätze für das Jahr 2014 an. Im Hinblick auf die wachsende Popularität des Fischereisports würde für den Zeitraum 2002 bis 2012 pro Jahr eine Steigerung von 2% angenommen, woraus sich die sodann genannten Umsatzzahlen und Einnahmen ergeben würden. Weiters werde um Berücksichtigung der Kosten des Fischeinsatzes mit jeweils 20% des Umsatzes ersucht. Vorsichtshalber werde die Selbstanzeige für den maximalen Zeitraum der Strafbarkeit erstattet; es sei aber davon auszugehen, dass kein vorsätzliches Handeln vorliege. Die Entrichtung der Steuernachzahlung für den verjährungsrelevanten Zeitraum sei kein Eingeständnis für vorsätzliches Handeln.
2 Im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom 6. November 2015 wurde u.a. ausgeführt, schon bei einer ersten Betrachtung müsse klar sein, dass die im Rahmen der Selbstanzeige bekannt gegebenen Erträgnisse kein typischer Fall von Einnahmen seien, wie sie durch die Pauschalierung für Land- und Forstwirtschaft abgedeckt würden. Wenngleich die Sparte Fischerei unter die land- und forstwirtschaftliche Urproduktion falle, sei damit aber nur der Verkauf von Fischen als solchen gemeint, nicht jedoch der Erlös aus der Veräußerung von Berechtigungskarten zum Angeln in großem Umfang. Selbst für Personen ohne wesentliche steuerliche Kenntnisse sei klar ersichtlich, dass der Kauf bzw. Verkauf der Fische (als landwirtschaftliches Urprodukt) gegenüber der sonstigen Leistung - der Berechtigung zum Angeln - in den Hintergrund trete. Aufgrund der persönlichen Verhältnisse der Revisionswerberin (Ausbildung, berufliche und unternehmerische Tätigkeit sowie Höhe des daraus erzielten Einkommens) und aufgrund der nicht unerheblichen Einnahmen bzw. Erlöse aus dem Verkauf von Fischereikarten habe der Revisionswerberin klar sein müssen, dass Einkommen- und Umsatzsteuerpflicht bestehe. Eine Selbstanzeige sei immer ein Indiz dafür, dass von der verlängerten Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben auszugehen sei. Die Würdigung aller Sachverhaltselemente führe zum Schluss, dass durch die Nichterfassung der nicht unerheblichen Einkünfte bzw. Erlöse in den jeweils eingereichten Steuererklärungen von der Revisionswerberin zumindest billigend in Kauf genommen worden sei, eine Verkürzung von Einkommen- und Umsatzsteuer zu bewirken. Es sei daher von der verlängerten Verjährungsfrist auszugehen. Betreffend die Höhe der Einnahmen seien Zuschätzungen vorzunehmen.
3 Mit Bescheiden vom 9. November 2015 nahm das Finanzamt die Verfahren betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2005 bis 2008 gemäß § 303 Abs. 1 BAO wieder auf und setzte die Einkommensteuer sowie die Umsatzsteuer für die Jahre 2005 bis 2008 neu fest.
4 In der Begründung verwies das Finanzamt insbesondere auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen seien.
5 Die Revisionswerberin erhob gegen diese Bescheide Beschwerde. Sie machte insbesondere geltend, es liege kein vorsätzliches Handeln vor.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
7 Nach Schilderung des "Verfahrensgangs" führt das Bundesfinanzgericht (unter der Überschrift "Sachverhalt") aus, die Revisionswerberin habe bis 31. Dezember 2012 landwirtschaftliche Grundstücke (Angelsee) von ihrem Vater gepachtet; seit 1. Jänner 2013 sei sie Eigentümerin dieser Grundstücke. Die Revisionswerberin erziele Einnahmen aus dem Verkauf von Fischereikarten, die steuerlich nicht erklärt worden seien.
8 Unter der Überschrift "Beweiswürdigung" führt das Bundesfinanzgericht aus, der Sachverhalt sei unstrittig und gehe aus der Selbstanzeige betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 2002 bis 2012 sowie Festsetzung der Umsatzsteuer für den Zeitraum Jänner bis Oktober 2014 hervor.
9 Sodann zitiert das Berufungsgericht die anzuwendende Rechtslage.
10 In der Folge führt das Bundesfinanzgericht (unter der Überschrift "Erwägungen") weiter aus, strittig sei im vorliegenden Verfahren ausschließlich, ob von der verlängerten Frist bei hinterzogenen Abgaben auszugehen sei.
11 Die Revisionswerberin habe die objektive Tatseite des § 33 Abs. 1 FinStrG dadurch erfüllt, dass sie unter Verletzung der ihr obliegenden abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht nach § 119 BAO Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für die Jahre 2005 bis 2008 nicht erklärt habe, sodass eine Verkürzung von Umsatz- und Einkommensteuer für diese Jahre bewirkt worden sei. Der Abgabenbehörde sei die Entstehung des konkreten Abgabenanspruches erst mit der Selbstanzeige vom 1. Dezember 2014 bekannt geworden.
12 Die Abgabenhinterziehung erfordere auch Vorsatz, wobei bedingter Vorsatz genüge.
13 Die Revisionswerberin habe nach der Pachtübernahme den Fischteich in derselben Form wie ihr Vater bewirtschaftet und auf die Auskunft ihres Vaters vertraut, dass die Umsätze bzw. Einnahmen aus dem Fischereikartenverkauf "abpauschaliert" seien, also in den pauschalierten Einkünften aus der Land- und Forstwirtschaft enthalten seien. Daraus ergebe sich, dass sich die Revisionswerberin auch Gedanken über das steuerliche Schicksal der Einnahmen aus dem Angelkartenverkauf gemacht habe. Die im Rahmen der Selbstanzeige bekannt gegebenen Erträgnisse seien kein typischer Fall von Einnahmen, wie sie durch die Pauschalierung für Land- und Forstwirtschaft abgedeckt würden. Die Sparte Fischerei falle zwar unter die land- und forstwirtschaftliche Urproduktion. Gemeint sei hier nur der Verkauf von Fischen, nicht jedoch der Erlös aus der Veräußerung von Berechtigungskarten zum Angeln in großem Umfang. Der wirtschaftliche Gehalt der Ausgabe der Fischereikarten sei zweifelsfrei darin zu erblicken, dass dem Angler das Recht eingeräumt werde, den Angelsport auszuüben. Der Verkauf von Fischereikarten (Einräumung des Rechtes zur Ausübung des Angelsportes gegen Entgelt) sei nach den jeweiligen Pauschalierungsverordnungen schon immer gesondert zu erfassen gewesen. Nach § 1 Abs. 4 der Pauschalierungsverordnungen in der jeweils geltenden Fassung würden nur die regelmäßig in den Betrieben anfallenden Geschäfte und Vorgänge pauschal berücksichtigt. Die von der Revisionswerberin ausgegebenen Berechtigungen zum Angeln beinhalteten stets die Beschränkung, dass nur eine bestimmte Menge Fische im Preis für die Karte inbegriffen sei. Damit sei aber selbst für Personen ohne wesentliche steuerliche Kenntnisse klar ersichtlich, dass der Kauf bzw. Verkauf der Fische (als landwirtschaftliches Urprodukt) gegenüber der sonstigen Leistung (Einräumung des Rechtes zum Angeln) in den Hintergrund trete. Es liege kein im Sinne einer landwirtschaftlichen Betätigung "gewöhnlicher", regelmäßiger Vorgang vor.
14 Die Aufnahme der Rz 4185b in die EStR 2000, wonach der Verkauf von Fischereikarten, wenn das Entgelt nicht nach der Menge bzw. der Anzahl der gefangenen Fische abgerechnet werde, nicht von der Pauschalierung erfasst sei, sei keine Änderung der Rechtsansicht, sondern nur eine klarstellende Aussage gewesen.
15 Hinsichtlich der Umsatzsteuer seien die für den Verkauf der Angelkarten vereinbarten Entgelte schon immer zur Gänze dem Normalsteuersatz unterlegen.
16 Zum Einwand der Revisionswerberin, wonach es in der Literatur unterschiedliche Ansichten hinsichtlich der Steuerpflicht bei Fischereipacht gebe, weise das Bundesfinanzgericht darauf hin, dass die Frage, welche Tatbestände unter die landwirtschaftliche Pauschalierung fielen, schon mehrfach Gegenstand der Judikatur gewesen sei. Grundtenor sei, dass Pauschalregelungen restriktiv auszulegen seien. Die Verpachtung eines Rechtes sei jedenfalls nicht von den angeführten Bestimmungen erfasst.
17 Zusammengefasst lasse sich aus der Argumentation der Revisionswerberin nicht ableiten, dass der Revisionswerberin die steuerliche Behandlung aus dem Verkauf der Angelkarten in den Streitjahren nicht habe bekannt sein können.
18 Wenn die Revisionswerberin anführe, dass der Steuerberater ihren Vater nicht auf eine mögliche Steuerpflicht hingewiesen habe, er in weiterer Folge diese Einkünfte bzw. Zahllasten nicht in seine Steuererklärungen aufgenommen habe und sie auf die Aussage ihres Vaters vertraut habe, dass die Einkünfte aus dem Fischteich von der Pauschalierung erfasst seien, bringe sie den Grundsatz von Treu und Glauben ins Treffen.
19 Die Kenntnis über das grundsätzliche Bestehen der Steuerpflicht hinsichtlich inländischer Einkünfte müsse auch einem steuerrechtlichen Laien bewusst sein; dieses Wissen könne bei einer intellektuell durchschnittlich begabten Person jedenfalls vorausgesetzt werden. Im Hinblick auf das abgeschlossene Hochschulstudium sowie die unternehmerische Tätigkeit der Revisionswerberin könne im vorliegenden Fall nichts anderes gelten. Wer als Unternehmer tätig werde, habe die damit verbundenen abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu beachten. Dass die steuerliche Behandlung der Einnahmen aus dem Verkauf der Angelkarten nie ein "wirkliches Thema" gewesen sei, könne im Hinblick auf die Höhe der erzielten Erträge nur als abseits der Lebenserfahrung stehend angesehen werden. Die von der Revisionswerberin vorgebrachte Erkundigung bei ihrem Vater reiche keinesfalls aus, um den die Revisionswerberin treffenden Verpflichtungen zu genügen. Bei Aufnahme einer unternehmerischen Tätigkeit bzw. mit Beginn eines Pachtverhältnisses sei es Aufgabe des Unternehmers, sich mit den einschlägigen Vorschriften vertraut zu machen und im Zweifel bei der Behörde anzufragen oder sich bei einem befugten Parteienvertreter kundig zu machen. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Revisionswerberin in den wiederholt eingereichten Abgabenerklärungen auch ausdrücklich versichert habe, dass sie die Angaben nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig gemacht habe.
20 Vor diesem Hintergrund sei es nicht überzeugend und klinge nach einer Schutzbehauptung, dass der Revisionswerberin viele Jahre hindurch die Steuerpflicht ihrer nicht unerheblichen Umsätze bzw. Gewinne aus dem Verkauf von Fischereikarten verborgen geblieben sei. Aber selbst, wenn die bewusst herbeigeführte Abgabenhinterziehung verneint werden "wollte", wäre zumindest davon auszugehen, dass die Revisionswerberin die grundsätzliche Steuerpflicht der in Rede stehenden landwirtschaftlichen Einkünfte vor sowie bei der wiederholten Ausführung der Tat jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen habe und sie sich damit mit einer möglichen zu geringen Steuerfestsetzung durch die Nichtangabe der strittigen Umsatz- und Einkommensbestandteile letztlich abgefunden habe.
21 Es wäre an der Revisionswerberin gelegen gewesen, in Erfüllung ihrer abgabenrechtlichen Pflichten den Sachverhalt dem Finanzamt gegenüber zur Gänze offen zu legen. Widrigenfalls trage die Abgabenpflichtige auch das Risiko eines Rechtsirrtums. Entschuldbar wäre ein Rechtsirrtum, wenn der Täter ohne jedes Verschulden in einer Handlungsweise weder ein Finanzvergehen noch ein darin liegendes Unrecht habe erkennen können. Von einem entschuldbaren Rechtsirrtum sei auch deshalb nicht auszugehen, weil die Revisionswerberin im Rahmen ihrer Abgabepflicht entsprechende Erkundigungen hinsichtlich der Erfassung der Einnahmen aus dem Fischereikartenverkauf bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft in den Abgabenerklärungen hätte einholen müssen. Die Ausführungen der Revisionswerberin über das Nichtwissen der Ausnahmen der land- und forstwirtschaftlichen Pauschalierungsbestimmungen seien nicht geeignet gewesen, eine entschuldbare Fehlleistung glaubhaft zu machen. Die ausführliche Kenntnis von Abgabenvorschriften sei grundsätzlich keine Voraussetzung dafür, die Verletzung abgabenrechtlicher Vorschriften bzw. die Verkürzung von Abgaben für möglich zu halten. Vielmehr sei der Eintritt des tatbildmäßigen Erfolges für die Revisionswerberin zumindest "als entfernt möglich vorhersehbar" gewesen. Wenn auch die Verletzung der Abgabepflicht nicht mutwillig angestrebt worden sei, sei die Revisionswerberin dennoch gewillt gewesen, diesen Erfolg hinzunehmen.
22 Unter Würdigung aller Sachverhaltselemente gelange das Bundesfinanzgericht zum Ergebnis, dass die Revisionswerberin die Abgabenverkürzung, wenn auch nicht absichtlich und wissentlich, so doch zumindest billigend in Kauf genommen habe, womit der Tatbestand der hinterzogenen Abgaben im Sinne des § 207 Abs. 2 BAO erfüllt sei, sodass die verlängerte Verjährungsfrist anzuwenden sei.
23 Der Verwaltungsgerichtshof sei zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen; die ordentliche Revision sei daher nicht zulässig.
24 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision. Zur Zulässigkeit der Revision wird insbesondere geltend gemacht, das angefochtene Erkenntnis sei hinsichtlich der Annahme eines Vorsatzes unzureichend begründet, weil in die Entscheidung einerseits Tatbestandsmerkmale der Fahrlässigkeit und andererseits der abgabenrechtliche Vertrauensgrundsatz zur Begründung des strafrechtlich relevanten Vorsatzes eingeflossen seien. Die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses zeige nicht auf, dass und in welchen Punkten die Revisionswerberin den Verstoß gegen die Rechtsordnung erkannt habe; eine bloße Verdachtslage reiche nicht aus, von hinterzogenen Abgaben ausgehen zu können.
25 Das Finanzamt hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.
26 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
27 Die Revision ist aus den in ihr dargelegten Gründen zulässig und begründet.
28 Das Recht eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach § 207 Abs. 1 BAO nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.
29 Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 207 Abs. 2 Satz 1 BAO u. a. bei der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer fünf Jahre. Nach § 207 Abs. 2 Satz 2 BAO (in der hier anwendbaren Fassung BGBl. I Nr. 105/2010: § 323 Abs. 27 BAO) beträgt die Verjährungsfrist, soweit eine Abgabe hinterzogen ist, zehn Jahre.
30 Der Abgabenhinterziehung macht sich nach § 33 Abs. 1 FinStrG schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.
31 Nach § 8 Abs. 1 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.
32 Fahrlässig handelt hingegen, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Fahrlässig handelt auch, wer es für möglich hält, dass er einen solchen Sachverhalt verwirkliche, ihn aber nicht herbeiführen will (§ 8 Abs. 2 FinStrG).
33 Nach § 9 FinStrG wird dem Täter weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zugerechnet, wenn ihm bei einer Tat ein entschuldbarer Irrtum unterlief, der ihn das Vergehen oder das darin liegende Unrecht nicht erkennen ließ; ist der Irrtum unentschuldbar, so ist dem Täter grobe Fahrlässigkeit zuzurechnen. Dem Täter wird Fahrlässigkeit auch dann nicht zugerechnet, wenn ihm bei der Tat eine entschuldbare Fehlleistung unterlief.
34 Die Abgabenbehörde ist nicht daran gehindert, im Abgabenverfahren - ohne dass es einer finanzstrafbehördlichen oder gerichtlichen Entscheidung bedarf - festzustellen, dass Abgaben im Sinne des § 207 Abs. 2 zweiter Satz BAO hinterzogen sind. Die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen sind, setzt konkrete und nachprüfbare Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus. Dabei ist vor allem in Rechnung zu stellen, dass eine Abgabenhinterziehung nicht schon bei einer objektiven Abgabenverkürzung vorliegt, sondern Vorsatz als Schuldform erfordert, und eine Abgabenhinterziehung somit erst als erwiesen gelten kann, wenn - in nachprüfbarer Weise - auch der Vorsatz feststeht. Vorsätzlich handelt, wer ein Tatbild mit Wissen und Wollen verwirklicht. Vorsätzliches Handeln beruht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (vgl. zuletzt VwGH 14.9.2017, Ro 2015/15/0027, mwN).
35 Die Darlegungen des Bundesfinanzgerichts dazu, ob der Revisionswerberin Vorsatz zuzurechnen ist, erweisen sich vor diesem Hintergrund als widersprüchlich.
36 Die Verlängerung der Verjährungsfrist nach § 207 Abs. 2 Satz 2 BAO setzt eine Hinterziehung von Abgaben voraus, die Hinterziehung verlangt nach § 33 Abs. 1 FinStrG Vorsatz. Eine (allenfalls auch grob) fahrlässige Abgabenverkürzung (§ 34 FinStrG) bewirkt keine Verlängerung der Verjährungsfrist.
37 Der bedingte Vorsatz liegt nur dann vor, wenn der Täter die Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet. Der Täter muss also einerseits den Eintritt des verpönten Erfolges als naheliegend ansehen (vgl. hiezu auch RIS-Justiz RS0088985) und anderseits bereit sein, diesen Erfolgseintritt in Kauf zu nehmen (vgl. VwGH 17.12.2009, 2009/16/0188).
38 Das Bundesfinanzgericht kommt abschließend zum Ergebnis, der Eintritt des Erfolgs sei für die Revisionswerberin "zumindest als entfernt möglich vorhersehbar" gewesen. "Entfernt" Mögliches ist aber - schon rein begrifflich - nicht als "naheliegend" zu beurteilen.
39 Den Ausführungen des Bundesfinanzgerichts, der Abgabepflichtige trage das Risiko eines Rechtsirrtums, es sei auch nicht von einem entschuldbaren Rechtsirrtum auszugehen, ist entgegenzuhalten, dass auch ein nicht entschuldbarer Rechtsirrtum (vgl. zur Gleichstellung von Rechtsirrtum und Tatirrtum im Bereich des Finanzstrafrechts: VwGH 18.5.2006, 2005/16/0260) nach § 9 FinStrG Vorsatz ausschließt und lediglich das Vorliegen von (grober) Fahrlässigkeit bewirkt.
40 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen (prävalierender) Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
41 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 31. Jänner 2018
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