VwGH Ra 2017/11/0014

VwGHRa 2017/11/001423.3.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des Finanzamts Waldviertel in 3950 Gmünd, Albrechtserstraße 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 22. Dezember 2016, Zl. LVwG-S-2538/001-2016, betreffend Übertretung des AÜG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Bezirkshauptmannschaft Melk; mitbeteiligte Partei: M C, vertreten durch Mag. Johann Juster, Rechtsanwalt in 3910 Zwettl, Landstraße 52), den Beschluss gefasst:

Normen

AÜG §1 Abs1;
AÜG §17 Abs2;
AÜG §3;
AÜG §4;
UGB §1;
AÜG §1 Abs1;
AÜG §17 Abs2;
AÜG §3;
AÜG §4;
UGB §1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 25. August 2016 wurde der Mitbeteiligte der Übertretung des § 17 Abs. 2 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) schuldig erkannt, weil er als Inhaber eines näher genannten polnischen Unternehmens dem in Österreich ansässigen Einzelunternehmen (lautend ebenfalls auf den Namen des Mitbeteiligten) sechs namentlich genannte Arbeitskräfte (Lkw-Lenker) bewilligungsfrei überlassen habe (unterschiedliche Tatzeiten zwischen 8. Juli 2014 und 6. März 2016), ohne diese Überlassung zuvor der Zentralen Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung zu melden. Über den Mitbeteiligten wurde eine Geldstrafe in Höhe von EUR 3.000,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt und ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben.

2 Der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde gab das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis Folge, hob das Straferkenntnis auf und stellte das Strafverfahren ein.

3 Weiters wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision gegen diese Entscheidung nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

4 In der Begründung stellte das Verwaltungsgericht als unstrittig fest, dass der Mitbeteiligte Inhaber der beiden im Straferkenntnis genannten Einzelunternehmen - sowohl desjenigen mit Sitz in Polen als auch jenes mit Sitz in Österreich - sei. Die sechs Lkw-Lenker stünden in einem Arbeitsverhältnis zum Mitbeteiligten nach polnischem Arbeits- und Sozialversicherungsrecht und hätten ihre Arbeitsleistungen gegenüber dem österreichischen Einzelunternehmen des Mitbeteiligten erbracht. Letzterem seien mittels Belastungsnote die nach polnischem Recht entstandenen Lohnkosten in Rechnung gestellt worden.

5 Dazu vertrat das Verwaltungsgericht die Rechtsansicht, dass die im Straferkenntnis der belangten Behörde zugrunde gelegte Arbeitskräfteüberlassung gegenständlich schon begrifflich nicht vorliege, weil ein Dritter iSd § 3 AÜG als Empfänger der Arbeitsleistung fehle; vielmehr sei eine Identität zwischen Arbeitgeber und Empfänger der Arbeitsleistung gegeben. Dabei komme es nicht auf die Zahl der Betriebe an, sondern auf deren Inhaber. Daran ändere auch der Verrechnungsvorgang der angelaufenen Lohnkosten zwischen den Betrieben des Mitbeteiligten nichts, weil es sich dabei lediglich um eine Rechnungslegung im Sinne des Umsatzsteuergesetzes handle.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die auf § 22 Abs. 5 AÜG gestützte außerordentliche Revision der Abgabenbehörde.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. die hg. Beschlüsse vom 25. März 2014, Zl. Ra 2014/04/0001, und vom 18. Februar 2015, Zl. Ra 2015/08/0008).

10 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

11 Die Revision führt zu ihrer Zulässigkeit einerseits aus, das Verwaltungsgericht habe bei der Beurteilung, ob eine Arbeitskräfteüberlassung vorliege, lediglich auf § 3 Abs. 1, und nicht auf § 4 AÜG Bedacht genommen. Gemäß Abs. 1 der letztgenannten Bestimmung sei bei dieser Beurteilung auf den wahren wirtschaftlichen Gehalt abzustellen, der Abs. 2 leg. cit zähle in den Z 1 bis 4 außerdem Fälle auf, die - jeder für sich - nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Annahme des Vorliegens von Arbeitskräfteüberlassung führten. In eventu wurde ausgeführt, es fehle Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, ob die Begriffsbestimmungen des § 3 AÜG angesichts des § 4 leg. cit. tatsächlich voraussetzten, dass der Überlasser und der Beschäftiger nicht ident seien.

12 Die Bestimmungen des AÜG, BGBl. I Nr. 196/1988 in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 98/2012, lauten auszugsweise:

"Geltungsbereich

§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz gilt für die Beschäftigung von Arbeitskräften, die zur Arbeitsleistung an Dritte überlassen werden.

...

Begriffsbestimmungen

§ 3. (1) Überlassung von Arbeitskräften ist die Zurverfügungstellung von Arbeitskräften zur Arbeitsleistung an Dritte.

(2) Überlasser ist, wer Arbeitskräfte zur Arbeitsleistung an Dritte vertraglich verpflichtet.

(3) Beschäftiger ist, wer Arbeitskräfte eines Überlassers zur Arbeitsleistung für betriebseigene Aufgaben einsetzt.

...

Beurteilungsmaßstab

§ 4. (1) Für die Beurteilung, ob eine Überlassung von Arbeitskräften vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend.

(2) Arbeitskräfteüberlassung liegt insbesondere auch vor,

wenn die Arbeitskräfte ihre Arbeitsleistung im Betrieb des

Werkbestellers in Erfüllung von Werkverträgen erbringen, aber

1. kein von den Produkten, Dienstleistungen und

Zwischenergebnissen des Werkbestellers abweichendes,

unterscheidbares und dem Werkunternehmer zurechenbares Werk

herstellen oder an dessen Herstellung mitwirken oder

2. die Arbeit nicht vorwiegend mit Material und Werkzeug

des Werkunternehmers leisten oder

3. organisatorisch in den Betrieb des Werkbestellers

eingegliedert sind und dessen Dienst- und Fachaufsicht unterstehen

oder

4. der Werkunternehmer nicht für den Erfolg der

Werkleistung haftet.

..."

13 Die Revision übersieht, dass aus den von ihr zitierten hg. Erkenntnissen (vom 3. Oktober 2013, Zl. 2013/09/0042, vom 15. Februar 2013, Zl. 2012/09/0046, und vom 14. Oktober 2011, Zl. 2009/09/0274) für die Frage, ob Arbeitskräfteüberlassung iSd §§ 3 und 4 AÜG auch dann vorliegen kann, wenn der Überlasser und der Beschäftiger ident sind, nichts zu gewinnen ist, weil diesen Erkenntnissen jeweils Sachverhalte zugrunde lagen, in denen eine solche Identität nicht gegeben war. Aus den zitierten Erkenntnissen kann somit nicht abgeleitet werden, das Verwaltungsgericht wäre von der hg. Rechtsprechung abgewichen.

14 Zur Frage, ob eine "Überlassung" von Arbeitskräften iSd AÜG vorliegen könne, wenn jemand gleichzeitig Überlasser und Beschäftiger sei und die Kriterien des § 4 AÜG, insbesondere eine der Ziffern des Abs. 2 leg. cit. erfüllt seien (gemeint: ob der § 4 AÜG als lex specialis dem § 3 Abs. 1 AÜG vorgeht), genügt es darauf hinzuweisen, dass gemäß § 1 Abs. 1 AÜG schon der Geltungsbereich dieses Gesetzes nur die Beschäftigung von Arbeitnehmern, "die zur Arbeitsleistung an Dritte überlassen werden", erfasst. Bereits angesichts des klaren Wortlautes liegt somit keine ungeklärte Rechtsfrage vor.

15 Ergänzend ist anzumerken, dass nicht nur der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 8. September 2016, Zl. Ra 2014/11/0083 (siehe dort Rn 27-28), die Rollenverteilung "im Dreiecksverhältnis" (Überlasser - Beschäftiger - überlassene Arbeitskraft), an welcher § 4 AÜG nichts ändere, betont hat, sondern auch in den Erläuterungen zur Stammfassung des AÜG (450 BlgNR XVII. GP , Seite 17) vom - die Überlassung von Arbeitskräften charakterisierenden - "Dreiecksverhältnis" der beteiligten Personen die Rede ist.

16 Schließlich meint die Revision in den Zulässigkeitsausführungen sinngemäß, beim Kriterium der Überlassung "an Dritte" sei zu berücksichtigen, dass es gegenständlich um ein polnisches und ein österreichisches (also um zwei unterschiedliche) Einzelunternehmen gehe, wohingegen es nach Auffassung der Revision nicht verfahrensrelevant sei, dass diese von derselben Person betrieben würden. Es fehle Judikatur, ob es bei der Beurteilung des Vorliegens von Arbeitskräfteüberlassung auf die Identität des Betriebes oder auf die Identität des Inhabers desselben ankomme.

17 Auch damit wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgezeigt, weil der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 17. Februar 1997, Zl. 93/10/0034, mit Hinweis auf die Vorjudikatur bereits darauf hingewiesen hat, dass bei einem Einzelunternehmen die Rechte und Pflichten den Einzelkaufmann treffen, weil die Firma des Einzelkaufmannes keine juristische Person und damit nicht Träger von Rechten und Pflichten ist, sondern die dahinter stehende Rechtspersönlichkeit, also der Einzelkaufmann (vgl. in diesem Sinne auch Straube, Wiener Kommentar zum UGB I, 4. Auflage (2014), Rz 7 zu § 1, sowie Krejci, Unternehmensrecht, 5. Auflage (2013), S. 118). Die Revision behauptet nicht, dass die Rechtslage für Einzelunternehmen in Polen eine andere wäre. Somit ist zwar eine Überlassung von Arbeitskräften von einem Einzelunternehmer an einen anderen möglich, nicht aber von einem Einzelunternehmen an ein anderes.

18 Da die Revision daher eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufzeigt, war sie zurückzuweisen.

Wien, am 23. März 2017

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