VwGH Ra 2017/10/0010

VwGHRa 2017/10/001022.2.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Revision der F L in H, vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rudolfskai 48, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 7. Oktober 2016, Zl. 405-9/52/1/15-2016, betreffend Sozialhilfe, den Beschluss gefasst:

Normen

ABGB §1042;
ABGB §94 Abs2;
SHG Slbg 1975 §17 Abs1;
SHG Slbg 1975 §44 Abs1;
SHG Slbg 1975 §44;
SHG Slbg 1975 §6 Abs1;
SHG Slbg 1975 §8 Abs1;
VwGG §28 Abs3;
VwRallg;
ABGB §1042;
ABGB §94 Abs2;
SHG Slbg 1975 §17 Abs1;
SHG Slbg 1975 §44 Abs1;
SHG Slbg 1975 §44;
SHG Slbg 1975 §6 Abs1;
SHG Slbg 1975 §8 Abs1;
VwGG §28 Abs3;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Antrag der Revisionswerberin auf Gewährung von Sozialhilfe in Form der Kostentragung für den Aufenthalt im Seniorenhaus A. gemäß den §§ 6, 8, 17 und 29 Salzburger Sozialhilfegesetz, LGBl. Nr. 19/1975 idF. LGBl. Nr. 47/2015 (Sbg SHG), abgewiesen.

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, das Pflegegeld der Revisionswerberin in Höhe von monatlich EUR 920,30 reiche zur Begleichung der Kosten für die Unterbringung im Seniorenheim in Höhe von EUR 3.832,48 nicht aus; die Revisionswerberin verfüge über kein sonstiges Einkommen oder Vermögen. Der Ehegatte der Revisionswerberin verfüge neben einem (durchschnittlichen) monatlichen Ruhegenuss von EUR 2.919,38 über Spar- und Wertpapiervermögen in Höhe von EUR 96.143,43. Der Ehegatte sei gemäß § 94 Abs. 2 ABGB zum Unterhalt verpflichtet. Der monatliche Unterhaltsanspruch der Revisionswerberin aus dem Einkommen ihres Ehegatten betrage EUR 1.863,--. Unter Berücksichtigung dieses Betrages und des eingesetzten Pflegegeldes der Revisionswerberin ergebe sich für die Kosten des Seniorenheimes für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum (vom 24. August 2015 bis zum 24. Oktober 2016) ein verbleibender Gesamtbedarf von EUR 18.894,50.

Die Kosten des Seniorenheimes seien ein krankheits- und pflegebedingter Sonderbedarf, der nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofes (OGH) auch eine Heranziehung des Vermögensstammes des Ehegatten rechtfertige. Der Ehegatte der Revisionswerberin sei daher verpflichtet, auch aus seinem Spar- und Wertpapiervermögen Unterhalt für die Tragung der Kosten des Seniorenheimes zu leisten. Es bestünden keine Bedenken, dass die (verbleibende) Unterhaltsverpflichtung von EUR 18.894,50 bei einem Vermögen von EUR 96.143,43 nicht zumutbar wäre.

Gemäß § 8 Abs. 1 Sbg SHG sei Hilfe nur insoweit zu gewähren, als der Einsatz des Einkommens und des verwertbaren Vermögens des Hilfesuchenden nicht ausreiche, um den Lebensbedarf zu sichern (Subsidiaritätsgrundsatz). Der Verwaltungsgerichtshof werte Unterhaltsansprüche gegen den Ehepartner als Einkommen im Sinne dieser Bestimmung (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 14. Juni 2012, Zl. 2008/10/0302). Aus § 44 Sbg SHG lasse sich nicht ableiten, dass (liquidierbare) Unterhaltsansprüche gegen Dritte nicht als Einkommen im Sinne des § 8 Sbg SHG zu betrachten wären. Da die Kosten des Seniorenheimes durch das eigene Einkommen der Revisionswerberin aus dem Pflegegeld und dem liquiden Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem Ehegatten abgedeckt seien, bestehe keine Hilfsbedürftigkeit der Revisionswerberin im Sinne des § 6 Sbg SHG.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Gemäß § 6 Abs. 1 Sbg SHG hat ein Hilfesuchender, der sich im Lande Salzburg aufhält, Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes, wenn er den Lebensbedarf für sich und die mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.

8 Gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. ist Hilfe nur insoweit zu gewähren, als der Einsatz des Einkommens und des verwertbaren Vermögens des Hilfesuchenden nicht ausreicht, um den Lebensbedarf (§ 10) zu sichern.

9 Gemäß § 17 Abs. 1 erster Satz leg. cit. kann der Lebensbedarf mit Zustimmung des Hilfesuchenden durch Unterbringung in Anstalten oder Heimen gesichert werden, wenn der Hilfesuchende auf Grund seines körperlichen oder geistig-seelischen Zustandes oder auf Grund der familiären und häuslichen Verhältnisse nicht imstande ist, ein selbständiges und unabhängiges Leben zu führen, oder wenn er besonderer Pflege bedarf.

10 Gemäß § 44 Abs. 1 leg. cit. gehen Unterhaltsansprüche gegen Angehörige und sonstige Rechtsansprüche des Sozialhilfeempfängers gegenüber Dritten, aus denen er seinen Lebensbedarf ganz oder teilweise decken kann, für die Dauer der Hilfeleistung bis zur Höhe der Kosten auf den Sozialhilfeträger über, sobald dieser dem Dritten davon schriftlich Anzeige erstattet. Mit Zustellung der schriftlichen Anzeige an den leistungspflichtigen Dritten ist der Sozialhilfeträger berechtigt, ohne Zutun des Sozialhilfeempfängers dessen Leistungsanspruch gegenüber dem Dritten allein geltend zu machen. Ersatzansprüche nach den Bestimmungen des Zivilrechts (§ 1042 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch) bleiben davon unberührt.

11 Die Revision bestreitet die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Revisionswerberin und ihres Ehegatten nicht. Ebenso wenig werden das grundsätzliche Bestehen einer Unterhaltsverpflichtung des Ehegatten gegenüber der Revisionswerberin und die Liquidierbarkeit der Unterhaltsansprüche bestritten.

12 In den Zulässigkeitsgründen wird zunächst die Frage aufgeworfen, ob der Unterhaltsanspruch gegen den Ehegatten im Verfahren über die Gewährung von Sozialhilfe zu berücksichtigen sei, obwohl § 44 Sbg SHG eine Legalzession solcher Ansprüche auf den Sozialhilfeträger vorsehe (weshalb der Sozialhilfeträger den Leistungsanspruch nur gegen den Dritten geltend machen könne). Dem ist zu erwidern, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Forderungen des Hilfsbedürftigen gegenüber Dritten insoweit zu den - vor Inanspruchnahme der Sozialhilfe einzusetzenden - eigenen Mitteln gezählt werden, als sie verfügbar, d.h. liquide oder doch rasch liquidierbar sind (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 23. Oktober 2012, Zl. 2011/10/0201, und vom 17. Dezember 2014, Zl. Ro 2014/10/0004, jeweils mwN). Demgemäß bestehen auch keine Bedenken gegen die Anrechnung entsprechender Unterhaltsleistungen des Ehegatten bei der Bemessung der Eigenleistung des Hilfsbedürftigen (vgl. das vom Verwaltungsgericht zitierte, zum Sbg SHG ergangene, hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2012, Zl. 2008/10/0302, mit Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 14. Juli 2011, Zl. 2010/10/0247; der Verwaltungsgerichtshof hat in diesen Entscheidungen bei ähnlich gelagerten Sachverhalten - Kosten der psychiatrischen Sonderpflege bzw. der Unterbringung in einer Förderwerkstätte - einen krankheitsbedingten Sonderbedarf bzw. eine Unterhaltsverpflichtung gemäß § 94 Abs. 2 ABGB selbst für den Fall angenommen, dass der Ehegatte ein geringeres Einkommen als der hilfsbedürftige Ehepartner bezieht).

Die - im 9. Gesetzesabschnitt ("Ersatz von Leistungen zur Sicherung des Lebensbedarfes") geregelte - Bestimmung des § 44 Sbg SHG steht der Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen im Verfahren über einen Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe nicht entgegen, weil diese Bestimmung lediglich eine Kostenersatzregelung für geleistete Sozialhilfe trifft (zu den Voraussetzungen und Wirkungen der dort normierten Legalzession vgl. etwa die zum Oö SHG bzw. Stmk SHG ergangenen hg. Erkenntnisse vom 8. Oktober 2014, Zl. 2013/10/0148, bzw. vom 18. März 2015, Zl. Ro 2014/10/0063, mwN).

13 Soweit in den Zulässigkeitsgründen weiters die Frage aufgeworfen wird, ob nach dem Sbg SGH zur Deckung von Kosten der Heimunterbringung das Vermögen des Ehegatten herangezogen werden kann, ist dem zu erwidern, dass nach der maßgeblichen unterhaltsrechtlichen Rechtsprechung des OGH der Vermögensstamm - ausnahmsweise und soweit zumutbar - insoweit bei der Unterhaltsbemessung berücksichtigt werden kann, als das laufende Einkommen nicht zur Deckung des notwendigen bzw. nach den Umständen des Einzelfalles angemessenen Unterhalts ausreicht (vgl. die Nachweise bei Schwimmann/Kolmasch, Unterhaltsrecht, 8. Aufl. (2016) S. 24 und S. 236, sowie z.B. aus jüngerer Zeit den Beschluss des OGH vom 29. November 2016, 9 Ob 71/16f). Die Frage, ob und in welchem Umfang für Unterhaltsleistungen die Heranziehung des Vermögens des Unterhaltspflichtigen zumutbar ist, ist nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls zu beurteilen und daher nur dann vom OGH überprüfbar, wenn dem Gericht eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl. etwa den Beschluss des OGH vom 24. November 2011, 6 Ob 106/11y).

Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht die Berücksichtigung des Spar- und Wertvermögens des Ehegatten vor dem Hintergrund des krankheits- und pflegebedingten Sonderbedarfs sowie unter Berücksichtigung der Relation von Vermögenswert und Unterhaltsbedarf in nicht zu beanstandender Weise für zumutbar erachtet; eine auffallende Fehlbeurteilung liegt nicht vor.

14 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 22. Februar 2017

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