VwGH 2010/10/0247

VwGH2010/10/024714.7.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der RE in P, vertreten durch Mag. Peter Mayerhofer, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Domplatz 16, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 20. Oktober 2010, Zl. 6-SO-N4664/1-2010, betreffend Kostenbeitrag für Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §94 Abs1;
ABGB §94 Abs2;
SHG Bgld 2000 §45 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ABGB §94 Abs1;
ABGB §94 Abs2;
SHG Bgld 2000 §45 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 20. Oktober 2010 hat die Burgenländische Landesregierung die Beschwerdeführerin als zum Unterhalt verpflichtete Ehegattin gemäß § 45 Abs. 1 des Burgenländischen Sozialhilfegesetzes 2000, LGBl. Nr. 5/2000 (Bgld SHG 2000), verpflichtet, für die ihrem Mann gewährte Sozialhilfe in Form der Übernahme der Kosten für die Unterbringung in einer Förderwerkstätte ab 11. Jänner 2010 einen monatlichen Kostenersatzbeitrag in der Höhe von EUR 27,22 zu leisten.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass dem Ehegatten der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 18. Jänner 2010 Sozialhilfe durch Übernahme der Kosten für die Unterbringung in einer Förderwerkstätte in Form der Tagesbetreuung gewährt worden sei. Dieser Bescheid sei an die Beschwerdeführerin als Sachwalterin ihres Gatten zugestellt worden.

Im vorliegenden Verwaltungsverfahren habe die Beschwerdeführerin vorgebracht, dass eine Kostenersatzpflicht gemäß § 45 Bgld SHG 2000 nur im Rahmen der bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsverpflichtung bestehe. Da ihr Einkommen etwas geringer sei als die von ihrem Mann bezogene Pension, sei sie nicht unterhaltspflichtig und könne daher auch nicht zum Kostenersatz verpflichtet werden.

Dazu sei auszuführen, dass Ehegatten gemäß § 94 ABGB einander gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet seien. Die Ansicht der Beschwerdeführerin, dass die Einhebung eines Kostenersatzbetrages nach § 45 Bgld SHG 2000 vom Bestehen eines tatsächlichen Unterhaltsanspruches abhänge, sei verfehlt. Nach der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten "Wiener Formel" könnte der Ehegatte zwar keinen Unterhalt fordern, dennoch bestehe auf Grund der Eheschließung eine Unterhaltspflicht, "unabhängig von den jeweiligen momentanen Einkommensverhältnissen".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 45 Abs. 1 erster Satz Bgld SHG 2000 haben Personen, die gesetzlich oder vertraglich zum Unterhalt der oder des Hilfeempfangenden verpflichtet sind, im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht Kostenersatz zu leisten, sofern nicht eine Anrechnung ihres Einkommens gemäß § 8 Abs. 5 erfolgt ist.

Mit der Wendung "im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht" verweist das Gesetz auf Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die gesetzliche Unterhaltspflicht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2010, Zl. 2008/10/0200). Die Vorschreibung eines Kostenersatzes gemäß § 45 Abs. 1 Bgld SHG 2000 setzt daher das tatsächliche Bestehen eines Unterhaltsanspruches des Hilfeempfängers gegen die zum Kostenersatz verpflichtete Person voraus. Nur bis zur Höhe dieses Unterhaltsanspruches ("im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht") kann der Kostenersatzbeitrag festgesetzt werden.

Die belangte Behörde hat daher mit ihrer Ansicht, die Festsetzung des Kostenersatzes sei nicht vom Bestehen eines tatsächlichen Unterhaltsanspruches abhängig, die Rechtslage verkannt. Da für die Frage, ob und in welcher Höhe ein Unterhaltsanspruch besteht, nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts insbesondere das Einkommen des Berechtigten und des Verpflichteten maßgeblich ist, ist auch die Ansicht der belangten Behörde verfehlt, die Unterhaltspflicht bestehe "unabhängig von den jeweiligen momentanen Einkommensverhältnissen".

Für die wechselseitigen Unterhaltsansprüche von Ehegatten bei aufrechter Ehe normiert § 94 ABGB Folgendes:

"§ 94. (1) Die Ehegatten haben nach ihren Kräften und gemäß der Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse gemeinsam beizutragen.

(2) Der Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führt, leistet dadurch seinen Beitrag im Sinn des Abs. 1; er hat an den anderen einen Anspruch auf Unterhalt, wobei eigene Einkünfte angemessen zu berücksichtigen sind. Dies gilt nach der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts zugunsten des bisher Unterhaltsberechtigten weiter, sofern nicht die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs, besonders wegen der Gründe, die zur Aufhebung des gemeinsamen Haushalts geführt haben, ein Missbrauch des Rechtes wäre. Ein Unterhaltsanspruch steht einem Ehegatten auch zu, soweit er seinen Beitrag nach Abs. 1 nicht zu leisten vermag.

(3) Auf Verlangen des unterhaltsberechtigten Ehegatten ist der Unterhalt auch bei aufrechter Haushaltsgemeinschaft ganz oder zum Teil in Geld zu leisten, soweit nicht ein solches Verlangen, insbesondere im Hinblick auf die zur Deckung der Bedürfnisse zur Verfügung stehenden Mittel, unbillig wäre. Auf den Unterhaltsanspruch an sich kann im Vorhinein nicht verzichtet werden."

Bei - wie nach dem Beschwerdevorbringen im vorliegenden Fall gegebenem - beiderseitigem Einkommen von Ehegatten bemisst sich der gemäß § 94 Abs. 2 letzter Satz ABGB festzusetzende Unterhalt des weniger verdienenden Ehegatten bei durchschnittlichen Verhältnissen nach der sogenannten Prozentmethode mit rund 40 % des Nettofamilieneinkommens, wobei sich dieser Prozentsatz bei Bestehen einer konkurrierenden Sorgepflicht für ein Kind um 4 % verringert (vgl. die bei Gitschthaler, Unterhaltsrecht2 (2008) Rz 641 5. und 6. zitierte Judikatur des Obersten Gerichtshofes (OGH)). Allgemein ist für die Frage, ob ein Unterhaltsanspruch nach § 94 Abs. 2 letzter Satz ABGB besteht, zu prüfen, ob der den Unterhalt fordernde Ehegatte seinen Beitrag im Sinn von § 94 Abs. 1 leg. cit. zu leisten vermag. Entscheidendes Kriterium für die Frage der Bedürftigkeit eines Ehegatten ist, dass er trotz Anspannung aller Kräfte kein für den eigenen Unterhalt ausreichendes Einkommen zu erzielen imstande ist (vgl. die bei Gitschthaler, aaO, Rz 641 1. und 3. zitierte Judikatur des OGH). Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob beim Unterhaltsberechtigten etwa ein krankheitsbedingter Sonderbedarf besteht (vgl. die bei Gitschthaler, aaO, Rz 643 6. ff zitierte Judikatur des OGH). Einen solchen Sonderbedarf stellen die Kosten der erforderlichen Unterbringung in einer Förderwerkstätte, wie sie für den Ehegatten der Beschwerdeführerin anfallen, dar. Bei entsprechender Bedarfslage kann es daher - entgegen dem Beschwerdevorbringen - dazu kommen, dass der Ehegatte mit dem geringeren Einkommen dem anderen gemäß § 94 Abs. 2 letzter Satz ABGB einen Unterhaltsbeitrag zu leisten hat.

Ausgehend davon wird die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren Feststellungen über das Einkommen und den (Sonder-)Bedarf des Ehegatten der Beschwerdeführerin sowie über das für die Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin maßgebliche Einkommen zu treffen haben. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass die Behörde erster Instanz den vorgeschriebenen Kostenersatzbetrag von monatlich EUR 27,22 auf Basis eines festgestellten monatlichen Nettoeinkommens der Beschwerdeführerin von EUR 945,65 (14 mal jährlich) errechnet hat. Die Beschwerdeführerin hat dazu bereits im Schriftsatz vom 8. Februar 2010 ausgeführt, dass sich ihr Nettoeinkommen in Kürze verringern werde. Darauf hat die Behörde erster Instanz mit dem Schreiben vom 24. Februar 2010 geantwortet, dass die Beschwerdeführerin nach der Herabsetzung ihres Einkommens eine entsprechende Bestätigung vorlegen solle, worauf der vorgeschriebene Betrag herabgesetzt werde. Nach der Aktenlage hat die Beschwerdeführerin am 4. Mai 2010 eine Bestätigung vorgelegt, wonach ihr Einkommen im Monat April 2010 lediglich EUR 852,51 netto betragen habe. Diese Bestätigung wurde von der Behörde erster Instanz am selben Tag an die belangte Behörde per Fax weitergeleitet. Die belangte Behörde hat sich - offenbar ausgehend von ihrer Ansicht, dass es auf die "momentanen Einkommensverhältnisse" nicht ankomme - damit in keiner Weise auseinandergesetzt.

Auf Grund der dargestellten Verkennung der Rechtslage durch die belangte Behörde war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der pauschalierte Ersatzbetrag für den Schriftsatzaufwand in der Höhe von EUR 1.106,40 bereits Umsatzsteuer enthält.

Wien, am 14. Juli 2011

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