Normen
MRK Art6 Abs1;
VwGVG 2014 §24;
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht die revisionswerbende Partei gemäß § 25 Abs. 2 AlVG iVm § 2 Abs. 1 Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz 1994 (AMPFG) zur Zahlung eines Sonderbeitrages zur Arbeitslosenversicherung in Höhe von EUR 269,04 verpflichtet. Es stellte - ohne eine mündliche Verhandlung durchzuführen und ohne die Partei oder weitere Zeugen zu vernehmen - fest, M A sei am 16. März 2016 anlässlich einer Kontrolle durch Organe der Finanzpolizei arbeitend für die revisionswerbende Partei in 1220 Wien betreten worden. Er habe Warenauslieferungstätigkeiten verrichtet. Er sei zum Zeitpunkt der Betretung nicht als Dienstnehmer der revisionswerbenden Partei zur Sozialversicherung angemeldet gewesen. Er habe zum Zeitpunkt der Kontrolle Arbeitslosengeld bezogen und seine Tätigkeit dem AMS nicht gemeldet. Der Kollektivvertragslohn für die Tätigkeit als Warenauslieferer betrage EUR 1.618,-- monatlich.
Beweiswürdigend führte das Verwaltungsgericht aus, dem Vorbringen der revisionswerbenden Partei, wonach es sich laut vorgelegter Vereinbarung bei der Tätigkeit des M A lediglich um ein Volontariat gehandelt habe, könne nicht gefolgt werden. M A verfüge über eine langjährige Erfahrung als Lkw-Fahrer. Es erscheine nicht nachvollziehbar, dass dieser einen "Schnuppertag" absolviere, um die Tätigkeit eines Warenlieferers kennen zu lernen.
Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision.
Die belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Revisionswerber bringt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, dass das Bundesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei, indem es von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen habe.
Die Revision ist aus dem genannten Grund zulässig und berechtigt:
Strittig ist, ob M A bei der revisionswerbenden Partei entgeltlich beschäftigt war bzw. ob die von der Revisionswerberin behauptete Unentgeltlichkeit wegen des Vorliegens eines Volontariats sachlich gerechtfertigt ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. März 2013, 2010/08/0229). In diesem Zusammenhang kommt es im vorliegenden Fall u.a. darauf an, ob die Angaben des M A glaubwürdig sind.
Es gehört gerade im Fall widersprechender prozessrelevanter Behauptungen zu den grundlegenden Pflichten des Verwaltungsgerichts, dem auch im § 24 VwGVG verankerten Unmittelbarkeitsprinzip Rechnung zu tragen und sich als Gericht im Rahmen einer (bei Geltendmachung von "civil rights" in der Regel auch von Amts wegen durchzuführenden) mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit von Zeugen bzw. Parteien zu verschaffen und insbesondere darauf seine Beweiswürdigung zu gründen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. November 2016, Ra 2016/08/0089, mwN).
Da die Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung auf einer Verkennung der Vorgaben des § 24 VwGVG beruhte, war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013.
Wien, am 16. Mai 2017
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