Normen
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §28 Abs2;
VwGVG 2014 §28 Abs3;
Spruch:
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Burgenland hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu setzen.
Begründung
1 Am 16. Juni 2015 beantragte R Z (im Folgenden kurz: Bauwerber) eine Baubewilligung für die Errichtung eines Motels mit 36 Zimmern, einer Betreiberwohnung und einer Garage auf dem Grundstück Nr. X, EZ Y, KG P. Unter den Beilagen des Bauansuchens ist unter anderem vermerkt: "Nachweis PKW-Stellplätze". Das Baugrundstück ist als Baugebiet für Erholungs- und Fremdenverkehrseinrichtungen (im Folgenden kurz: BEF) gemäß § 14 Abs. 3 lit. g Burgenländisches Raumplanungsgesetz (Bgld. RPG) festgelegt.
2 Mit Schriftsatz vom 16. September 2015 zog der Bauwerber "beim aktuellen Einreichverfahren in P, Cstraße 77, das Bauvorhaben des Bauplatzes (gemeint wohl: Parkplatzes) auf der gegenständlichen Bau- und Gewerbeverhandlung zurück. Dieser sollte auf dem Grundstück Nr. X und X errichtet werden. Bei Bedarf werden die Parkplätze nach Umwidmung der Fläche gesondert eingereicht."
3 Mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2015 teilte der Bauwerber mit, "beim aktuellen Einreichverfahren in P, Cstraße 77, möchte ich Sie bitten den Parkplatz bei der gegenständlichen Bau- und Gewerbeverhandlung wieder aufzunehmen. Dieser soll auf dem Grundstück X und X errichtet werden. Nach zuletzt erfolgter Umwidmung kann dieser nun innerhalb dieses Verfahrens wieder mitverhandelt werden."
4 Mit Bescheid vom 2. August 2016 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See (im Folgenden kurz: BH) dem Bauwerber die beantragte Baubewilligung mit zahlreichen Nebenbestimmungen. Soweit die mitbeteiligten Parteien (deren Revision gegen das angefochtene Erkenntnis zu Ra 2017/06/0112 und Ra 2017/06/0113 protokolliert ist) vorbrachten, die Änderung des Flächenwidmungsplanes betreffend die Parkplätze sei unzulässig, führte die BH in ihrer Begründung aus, der angefochtene Parkplatz sei nicht Teil der Baubewilligung, die dazu erhobenen Einwendungen würden daher als unzulässig zurückgewiesen.
5 Mit Schriftsatz vom 22. November 2016 teilte der bisherige Bauwerber mit, dass er das Grundstück an die L GmbH & Co KG (im Folgenden: Bauwerberin) verkauft habe und diese in das anhängige Verfahren eintrete.
6 Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Landesverwaltungsgericht Burgenland (LVwG) der Beschwerde der mitbeteiligten Parteien statt, hob den Bescheid der BH vom 2. August 2016 auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an diese zurück. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde als unzulässig erklärt.
7 In der Begründung verwies das LVwG zur Frage der unzumutbaren Belästigung bzw. Gesundheitsgefährdung der mitbeteiligten Parteien auf die vom Bauwerber vorgelegte schalltechnische Untersuchung vom 23. Oktober 2015, ergänzt durch ein Gutachten vom 14. Dezember 2015, die von einem Amtssachverständigen für Schalltechnik als schlüssig und nachvollziehbar beurteilt worden sei. Der medizinische Sachverständige habe auf Grundlage dieser Gutachten festgestellt, dass am Immissionspunkt 4 eine Gesundheitsgefährdung gegeben sei. "Aufgrund der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht am 30. 01.2017 legte die Antragstellerin am 17.02.2017 eine ergänzende schalltechnische Untersuchung" vor; diese beinhalte nicht die Schallimmissionen des Parkplatzes bzw. der Zu- und Abfahrten der PKW. Das LVwG verwies auf § 3 Z 5 Burgenländisches Baugesetz (Bgld. BauG), wonach Bauvorhaben nur zulässig seien, wenn ihre bestimmungsgemäße Benützung eine Gefährdung oder das ortsübliche Ausmaß übersteigende Beeinträchtigung der Nachbarn nicht erwarten lasse, und führte weiter aus, die BH habe aufgrund von ausreichenden Sachverhaltsermittlungen und schlüssigen Sachverständigengutachten über zu erwartende Gefährdungen oder Beeinträchtigungen eine Prognoseentscheidung zu treffen, ob an der Grundgrenze des Nachbarn das ortsübliche Ausmaß übersteigende Beeinträchtigungen durch die bestimmungsgemäße Benutzung des Bauvorhabens eintreten (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 7. März 2000, 99/05/0162, und vom 31. März 2005, 2002/05/0751). Die BH habe daher zunächst "aufgrund der geänderten Einreichunterlagen" ein Gutachten eines schalltechnischen Sachverständigen einzuholen, wobei insbesondere zu klären sei, ob die neu vorgelegte Immissionsberechnung nachvollziehbar sei, und habe zu beurteilen, ob die am 17. Februar 2017 vorgelegte Berechnung mit der schalltechnischen Untersuchung vom 23. Oktober 2015 in Einklang zu bringen sei. Hinsichtlich der Schallimmissionen im Freien sei der Punkt 6.1 - Verkehrsbewegungen Parkplatz, Zu- und Abfahrten relevant. In der Folge sei ein medizinisches Gutachten einzuholen, wobei auch darauf einzugehen sei, dass es sich bei den Pegelspitzen im Bereich des Immissionspunktes 4 um Entladegeräusche handle, die nur in geringer Anzahl (einmal am Tag ca. vier Mal bei Rollwagenfahrten) aufträten.
8 Im Zuge des Beschwerdeverfahrens habe die Bauwerberin neue Einreichunterlagen vorgelegt, in denen die Gehsteigoberkante und die von diesem Punkt aus berechnete Gebäudehöhe verzeichnet seien. Diese Angaben seien von der BH unter Beiziehung eines Sachverständigen auf ihre Vereinbarkeit mit den geltenden Bebauungsrichtlinien zu prüfen.
9 Unter Hinweis auf § 28 VwGVG führte das LVwG weiter aus, im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht seien neue Einreichunterlagen vorgelegt worden, aufgrund derer die Ermittlungsergebnisse der BH nicht mehr hätten verwertet werden können und sich nachträglich als ungeeignet erwiesen hätten. Daher lägen im Ergebnis gravierende Ermittlungslücken vor, weshalb die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die BH zurückzuverweisen gewesen sei.
10 Gegen diesen Beschluss wendet sich die außerordentliche Revision mit dem Begehren, diesen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.
11 Die mitbeteiligten Parteien beantragten die Abweisung der Revision, in eventu eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in der Sache selbst.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12 Die Revision bringt in ihrer Zulässigkeitsbegründung vor, das LVwG sei von der hg. Rechtsprechung abgewichen, indem es nicht in der Sache selbst entschieden habe (Hinweis auf VwGH 26.4.2016, Ro 2015/03/0038, vom "31. Jänner 2017, Ra 2016/03/0036", und vom 22.6.2016, Ra 2016/03/0027).
13 Aufgrund dieses Vorbringens ist die Revision zulässig und
auch berechtigt.
14 § 28 Abs. 2 und 3 VwGVG lauten:
"(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
- 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
- 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das
Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."
15 Die Revision führt zutreffend aus, dass nach ständiger hg. Judikatur zu § 28 Abs. 3 VwGVG die Notwendigkeit der Einholung von Sachverständigengutachten für sich allein noch nicht zur Zurückverweisung der Rechtssache an die Behörde berechtigt (vgl. etwa VwGH 17.2.2015, Ra 2014/09/0037).
16 Fallbezogen führte die BH ein Ermittlungsverfahren betreffend die Immissionen des Gesamtvorhabens (Motel samt Parkplatz). Der Bauwerber legte den Ausführungen im angefochtenen Beschluss zufolge im Beschwerdeverfahren die ergänzende schalltechnische Stellungnahme vom 13. Februar 2017 sowie neue Einreichunterlagen vor, in denen die Gehsteigoberkante und die von diesem Punkt berechnete Gebäudehöhe verzeichnet sind. Es wäre somit Aufgabe des LVwG gewesen, das Ermittlungsverfahren hinsichtlich der in der ergänzenden schalltechnischen Stellungnahme vom 13. Februar 2017 vorgebrachten Argumente durch eine neuerliche Befassung des lärmtechnischen und allenfalls des medizinischen Sachverständigen zu ergänzen und die Rechtsfrage der Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit den geltenden Bebauungsrichtlinien zu beurteilen. Die Ermittlungsergebnisse der BH erwiesen sich nicht nachträglich als ungeeignet, sie wären nur zu ergänzen gewesen. Krasse beziehungsweise besonders gravierende Ermittlungslücken, die eine Zurückverweisung rechtfertigen könnten, lagen somit nicht vor.
17 Das LVwG hätte somit über das Bauvorhaben inhaltlich entscheiden müssen. Der angefochtene Beschluss war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
18 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 22. November 2017
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)