VwGH Ra 2016/20/0219

VwGHRa 2016/20/021923.3.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und die Hofräte Mag. Eder und Mag. Straßegger, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger sowie den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Christl, über die Revision der Z R in W, vertreten durch L H, diese vertreten durch Dr.in Julia Ecker, Rechtsanwältin in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Oktober 2015, Zl. W137 1431809- 1/4E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Das Bundesasylamt wies den Antrag auf internationalen Schutz der minderjährigen Revisionswerberin, einer Staatsangehörigen von Afghanistan, mit Bescheid vom 7. Dezember 2012 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab, erkannte ihr - im Wege des Familienverfahrens - gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG 2005 den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung.

2 Die gegen die Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wies das Bundesverwaltungsgericht - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision wird zunächst geltend gemacht, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur möglichen Asylrelevanz des fehlenden Bildungszugangs für Mädchen sowie der drohenden Zwangsverheiratung abgewichen. Im Anschluss daran wird das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2015, Ra 2014/18/0118, teilweise wiedergegeben.

8 Mit diesem Zulassungsvorbringen bezieht sich die Revision offenbar auf jene - die Aufhebungsentscheidung nicht tragende (arg: "Im Übrigen ...") - Begründung des zitierten Erkenntnisses, wonach sich das Bundesverwaltungsgericht mit jenem Vorbringen der dortigen Revisionswerberin, das sich mit deren Lebensumständen in Österreich im Verhältnis zu den religiös-gesellschaftlichen Beschränkungen in deren Herkunftsstaat (Irak) beschäftigt habe, im Hinblick auf dessen "allfällige Asylrelevanz" in keiner Weise auseinander gesetzt habe.

9 Dem Zulassungsvorbringen ist in dieser Hinsicht jedoch nicht konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen zu entnehmen, inwiefern die angefochtene Entscheidung ein Vorbringen der Revisionswerberin unberücksichtigt gelassen habe, dem Asylrelevanz zukommen hätte können. Die bloße (teilweise) Zitierung eines Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs, ohne gleichzeitig darzulegen, inwiefern die angefochtene Entscheidung in Widerspruch zu den dort enthaltenen bindenden Aussagen steht, stellt keinen Bezug zwischen der Revisionssache und der angeblich außer Acht gelassenen Judikatur dar. Ein solches Vorbringen ist daher nicht geeignet, die Zulässigkeit der Revision darzutun (vgl. z.B. die hg. Beschlüsse jeweils vom 10. September 2014, Ra 2014/20/0007, und Ra 2014/20/0021).

10 Weiters macht die Zulassungsbegründung geltend, die "spezielle Bedrohung" der jungen Revisionswerberin als Mädchen in Afghanistan sei verkannt worden, weil nach der Judikatur (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 21. November 2002, 2000/20/0273, das wiederum auf die Erkenntnisse vom 16. April 2002, 99/20/0483, und vom 20. Juni 2002, 99/20/0172, verweist) eine Bedachtnahme auf die Gesamtheit der Maßnahmen der Taliban gegen Frauen zu erfolgen habe.

11 Die Revision zitiert in diesem Zusammenhang eine zentrale Passage des genannten Erkenntnisses vom 21. November 2002, wonach "die seitens der Taliban gegen die Frauen insgesamt oder gegen bestimmte Gruppen der weiblichen Bevölkerung gerichteten Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt der drohenden Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe zu würdigen" seien. Auch diesbezüglich lässt die Zulassungsbegründung den erforderlichen Zusammenhang dieser Judikatur mit der angefochtenen Entscheidung vermissen, sodass damit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung in zulässiger Weise dargetan wird.

12 Die Revision lässt auch hinsichtlich der Zulassungsbegründung, Stellungnahmen des UNHCR und dessen Empfehlungen wiesen eine Indizwirkung für das Asylverfahren auf, im Dunkeln, inwiefern die in diesem Zusammenhang zitierte Judikatur im vorliegenden Revisionsfall missachtet worden wäre. Damit zeigt die Revision - wie bereits oben ausgeführt - nicht konkret auf die vorliegende Revisionssache bezogen auf, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte.

13 Zum Zulassungsvorbringen, das Bundesverwaltungsgericht habe gegen die näher genannte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zur Verhandlungspflicht verstoßen, weil die minderjährige Revisionswerberin nicht persönlich geladen und befragt worden sei, sondern lediglich ihre Eltern gehört worden seien, ist lediglich auszuführen, dass ein Verstoß gegen die Verhandlungspflicht schon deshalb nicht vorliegen kann, weil in der Sache der Revisionswerberin eine mündliche Verhandlung tatsächlich durchgeführt worden ist, in deren Rahmen die die minderjährige Revisionswerberin gemäß § 10 Abs. 2 BFA-VG vertretenden Eltern einvernommen wurden. Falls die Revision mit ihrem Vorbringen nicht (nur) die Verletzung der Verhandlungspflicht, sondern sonstiger - nicht näher genannter - Verfahrensvorschriften geltend machen wollte, verabsäumt sie - ebenso wie hinsichtlich des Vorbringens der Heranziehung nicht aktueller Länderberichte - die gleichzeitige Darlegung deren Relevanz.

14 Soweit die Revision im Zusammenhang mit der erst rund ein Jahr nach Durchführung der Verhandlung und ohne weitere Einräumung von Parteiengehör ergangenen Entscheidung eine Abweichung von der Rechtsprechung geltend macht, unterlässt sie wiederum die Darstellung der Relevanz eines derartigen Verfahrensmangels, weil die Anführung der sich auf die Mutter der Revisionswerberin beziehenden Verbesserung der Deutschkenntnisse und der Fortschritte im Alphabetisierungskurs am Gegenstand des Revisionsverfahrens vorbeigeht.

15 Soweit sich das weitere Zulassungsvorbringen auf die Beweiswürdigung in Bezug auf die Mutter der Revisionswerberin bezieht bzw. im Zusammenhang mit der Zugehörigkeit der Revisionswerberin zur Volksgruppe der Hazara keine konkrete Rechtsfrage enthält, ist darauf nicht weiter einzugehen.

16 Die Revision war sohin gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung - in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - zurückzuweisen.

Wien, am 23. März 2017

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