VwGH Ra 2016/15/0026

VwGHRa 2016/15/002627.4.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Revision des Finanzamts Kufstein Schwaz in 6130 Schwaz, Brandlstraße 19/1, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 30. Dezember 2015, Zl. RV/3100563/2012, betreffend u. a. Einkommensteuer 2005 (mitbeteiligte Partei: Mag. P D in W), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §119;
EStG 1988 §4 Abs1;
EStG 1988 §4 Abs10;
EStG 1988 §4 Abs2 Z2;
EStG 1988 §4 Abs2;
EStG 1988 §4 Abs3;
EStG 1988 §44 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte ist seit 1989 selbständig als Steuerberater tätig. Zum 1. Jänner 2005 erklärte er den Übergang von der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988 auf jene nach § 4 Abs. 1 EStG 1988 und ermittelte einen Übergangsgewinn von 49.928,67 EUR. Bei der Ermittlung des laufenden Gewinnes des Jahres 2005 machte der Mitbeteiligte eine Teilwertabschreibung in Höhe von ca. 100.000 EUR auf eine stille Beteiligung an der M GmbH, einer ehemaligen Kundin des Mitbeteiligten, geltend. 2 Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom 17. Juli 2007 die Einkommensteuer 2005 erklärungsgemäß fest.

3 Anlässlich einer die Jahre 2005 bis 2008 umfassenden Außenprüfung traf der Prüfer u.a. Feststellungen betreffend "Abgang Beteiligung im Jahr 2005". Nach Ansicht des Prüfers stelle die stille Beteiligung an der M GmbH kein notwendiges Betriebsvermögen dar. Die im Zusammenhang mit der Beteiligung geltend gemachten Betriebsausgaben (Teilwertabschreibung sowie Zinsen) seien nicht abzugsfähig.

4 Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Außenprüfung und erließ nach Wiederaufnahme des Verfahrens am 4. November 2011 u. a. einen neuen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2005.

5 Der Mitbeteiligte erhob (u.a.) gegen diesen Bescheid Berufung. Er machte geltend, die stille Beteiligung sei notwendiges Betriebsvermögen gewesen; die Teilwertabschreibung im Jahr 2005 (und Zinsaufwand 2005 bis 2009 für die seinerzeitige Fremdfinanzierung) sei sohin gewinnmindernd zu berücksichtigen.

6 Mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2014 beantragte der Mitbeteiligte, die Einkünfte aus selbständiger Arbeit 2005 um den zum Ansatz gebrachten Übergangsgewinn zu vermindern. Er habe seit der Gründung seiner Kanzlei im Jahr 1989 stets freiwillig Bücher in Form einer doppelten Buchführung geführt, sodass ein Übergangsgewinn nicht anzusetzen sei.

7 In einer Stellungnahme hiezu teilte das Finanzamt mit, es sei vom Vorliegen einer doppelten Buchführung bereits im Jahr 2004 auszugehen. Nur den Übergangsgewinn zu stornieren, sei jedoch im vorliegenden Fall zu kurz gegriffen. Nach Ansicht des Finanzamtes sei in analoger Anwendung des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 (für Veranlagungszeiträume ab 2003) zur Erreichung des richtigen Totalgewinnes eine Fehlerberichtigung mittels Zu- oder Abschlägen im ersten nichtverjährten Veranlagungszeitraum (hier 2005) vorzunehmen. Damit entspreche die Übergangsgewinnermittlung 2005 eben diesen Kriterien der Zu- und Abschläge, um einen richtigen Totalgewinn zu erreichen. Der Terminus "Übergangsgewinn" möge in diesem Zusammenhang unrichtig sein, im Ergebnis werde aber dem § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 Rechnung getragen. In diesem Zusammenhang erübrige sich auch eine Korrektur des Jahresergebnisses 2005, da sich das Gesamtergebnis (Jahresgewinn + Übergangsgewinn) nicht ändere (Jahresgewinn + Zu- und Abschläge). Die Bestimmung des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 sei auch im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG 1988 anwendbar.

8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der (nunmehrigen) Beschwerde des Mitbeteiligten gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 teilweise Folge und änderte den Einkommensteuerbescheid 2005 ab. Das Bundesfinanzgericht sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

9 Begründend führte das Bundesfinanzgericht insbesondere aus, die stille Beteiligung an der M GmbH sei nicht dem Betriebsvermögen des Mitbeteiligten zuzuordnen; die geltend gemachte Teilwertabschreibung und die Zinsaufwendungen seien sohin nicht abzugsfähig. Im Übrigen habe der Mitbeteiligte die Werthaltigkeit der Beteiligung zum 1. Jänner 2005 weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Der Beteiligung sei bereits im Jahr 2002 kein nennenswerter Wert mehr beizumessen gewesen. In diesem Punkt sei der Beschwerde daher nicht stattzugeben gewesen.

10 Der Mitbeteiligte habe seit Eröffnung seiner Steuerberatungskanzlei (1989) den Gewinn mittels Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG 1988) ermittelt. Für steuerliche Zwecke sei eine Rückrechnung auf eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG 1988 erfolgt. Dem Finanzamt sei die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung übermittelt worden. Ein Wechsel der Gewinnermittlungsart liege damit im Jahr 2005 nicht vor. Es sei daher auch die Besteuerung eines Übergangsgewinnes zum 1. Jänner 2005 nicht möglich. Dem Finanzamt sei mit Vorhalt des Bundesfinanzgerichts vom 19. Dezember 2014 das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis gebracht worden. Dem Finanzamt seien alle Unterlagen übermittelt worden. Es sei dezidiert aufgefordert worden, zu klären, welche Korrekturen in der Bilanz zum 31. Dezember 2005 und in den Folgejahren vorzunehmen seien für den Fall, dass der Mitbeteiligte tatsächlich seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG 1988 ermittelt habe. Dass Korrekturen (welcher Art auch immer) vorzunehmen seien, sei in der Stellungnahme des Finanzamts vom 6. Mai 2015 nicht vertreten worden. § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 sei durch das Abgabenänderungsgesetz 2012 eingeführt worden. Aus dem Gesetzeswortlaut, den Erläuterungen zur Regierungsvorlage und der Rechtsentwicklung ergebe sich eindeutig, dass nur Fehler in der jeweiligen Gewinnermittlungsart über das Zu- und Abschlagssystem korrigiert werden sollen. Eine Ausdehnung derartiger Fehlerberichtigungen auf die unrichtige Wahl der Gewinnermittlungsart könne nur durch den Gesetzgeber erfolgen. Im Übrigen sei das Finanzamt in seinem Schriftsatz jegliche Erklärung dafür schuldig geblieben, aus welchen Gründen der erklärte Übergangsgewinn des Jahres "2015" den Zu- und Abschlägen zur Erreichung des richtigen Totalgewinnes entsprechen solle. Das Finanzamt habe keine Feststellungen getroffen, ob und inwieweit es seit dem Jahr 1989 zu Abweichungen in der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG 1988 gegenüber jener nach § 4 Abs. 3 EStG 1988 gekommen sei. Der Beschwerde sei daher in diesem Punkt stattzugeben; der erklärte Übergangsgewinn sei zu "stornieren".

11 Eine Revision sei nicht zulässig, da es sich ausschließlich um die Beantwortung von Tatfragen handle und die zugrundeliegenden Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs und das Gesetz ausreichend beantwortet seien.

12 Gegen dieses Erkenntnis - soweit darin über Einkommensteuer 2005 entschieden wurde - wendet sich die Revision des Finanzamts. Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht.

 

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

14 Zur Zulässigkeit der Revision wird geltend gemacht, zu der Rechtsfrage, ob die einer Steuererklärung zu Grunde gelegte und dem Finanzamt übermittelte "Bilanz", die der Form nach eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung sei und daher nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspreche, einer Berichtigung nach § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 zugänglich sei, liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vor. Das Bundesfinanzgericht sei in Verkennung der Rechtslage davon ausgegangen, dass die Fehler nicht über das Zu- und Abschlagssystem korrigiert werden könnten. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtslage vor dem FVwGG 2012 habe den unabhängigen Finanzsenat als Berufungsinstanz die Pflicht zu amtswegigen Ermittlungen getroffen. Auch das Bundesfinanzgericht sei zu amtswegigen Ermittlungen verpflichtet. Indem das Bundesfinanzgericht lediglich darauf verweise, das Finanzamt habe es unterlassen, Feststellungen zu treffen, sei es seiner amtswegigen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen. Wäre das Bundesfinanzgericht seiner Ermittlungspflicht nachgekommen, hätte es feststellen müssen, dass entsprechende Zu- und Abschläge vorzunehmen gewesen wären.

15 Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet. 16 Gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1988 ist Gewinn der durch doppelte

Buchführung zu ermittelnde Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres.

17 Nach § 4 Abs. 3 EStG 1988 darf der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben dann als Gewinn angesetzt werden, wenn keine gesetzliche Verpflichtung zur Buchführung besteht und Bücher auch nicht freiwillig geführt werden.

18 Nach § 4 Abs. 10 Z 1 EStG 1988 ist beim Wechsel der Gewinnermittlungsart durch Zu- und Abschläge auszuschließen, dass Veränderungen des Betriebsvermögens (Betriebseinnahmen, Betriebsausgaben) nicht oder doppelt berücksichtigt werden.

19 Gemäß § 4 Abs. 2 EStG 1988 idF vor dem Abgabenänderungsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 112/2012, muss der Steuerpflichtige die Vermögensübersicht (Jahresabschluss, Bilanz) nach den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung erstellen. Ist die Vermögensübersicht nicht nach diesen Grundsätzen erstellt oder verstößt sie gegen zwingende Vorschriften des EStG 1988, so muss er sie auch nach dem Einreichen beim Finanzamt berichtigen.

20 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (zu dieser Rechtslage), dass Unrichtigkeiten in der Bilanz bis zur Wurzel zu berichtigen sind, und zwar auch dann, wenn die Berichtigung für die abgelaufenen Jahre etwa wegen der Rechtskraft der Veranlagungsbescheide oder wegen eingetretener Bemessungsverjährung keine Änderung der Abgabenvorschreibung zur Folge hat. Das Gesetz räumt der Richtigkeit der Periodenbesteuerung den Vorrang gegenüber dem Grundsatz der "Gesamtgewinnbesteuerung" ein (vgl. VwGH vom 31. Mai 2011, 2007/15/0015, VwSlg. 8645/F, und vom 24. November 2011, 2009/15/0115, VwSlg. 8684/F).

21 Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 76/2011, wurde § 293c BAO eingefügt. Nach dieser Bestimmung konnte die Abgabenbehörde auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen einen Abgaben- oder Feststellungsbescheid insoweit berichtigen, als in ihm ein Sachverhalt nicht mehr berücksichtigt werden durfte, der sich in der Folge bei der- oder denselben Partei(en) mehrfach oder gar nicht abgabenrechtlich auswirkt, obwohl seine einmalige Berücksichtigung in einer periodenübergreifenden Betrachtung geboten wäre. Gleichzeitig wurde insbesondere in § 208 Abs. 1 BAO die Bestimmung lit. f angefügt, wonach die (Bemessungs‑)Verjährung in den Fällen des § 293c BAO mit dem Ablauf des Jahres beginnt, in dem der Abgabenbehörde die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 293c BAO bekannt wurde.

22 Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1212 BlgNR 24. GP 29 f), sollte dieser "neue Verfahrenstitel" im Interesse eines insgesamt richtigen Besteuerungsergebnisses eine steuerwirksame Korrektur im "Wurzeljahr" des Fehlers ermöglichen. Die Korrektur sei nur im Rahmen des durch die absolute Verjährung gesteckten Rahmens von zehn Jahren ab Entstehen des Abgabenanspruches möglich. Fehler, deren Wurzel außerhalb dieses Zeitraumes liege, seien somit nicht mehr korrigierbar.

23 Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 112/2012, wurde u.a. § 293c BAO mit 1. Jänner 2013 außer Kraft gesetzt; nach § 323 Abs. 33 BAO gilt dies nicht für vor diesem Tag erfolgte Berichtigungen gemäß § 293c BAO sowie für vor diesem Tag eingebrachte Anträge auf Berichtigung gemäß § 293c BAO. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1960 BlgNR 24. GP 56) solle § 293c BAO durch die Änderung in § 4 Abs. 2 EStG 1988 ersetzt werden.

24 § 4 Abs. 2 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 112/2012 lautet:

"Die Vermögensübersicht (Jahresabschluss, Bilanz) ist nach den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu erstellen. Nach Einreichung der Vermögensübersicht beim Finanzamt gilt Folgendes:

1. Eine Änderung der Vermögensübersicht ist nur mit

Zustimmung des Finanzamts zulässig (Bilanzänderung). Die

Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Änderung wirtschaftlich

begründet ist.

2. Entspricht die Vermögensübersicht nicht den allgemeinen

Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung oder den zwingenden

Vorschriften dieses Bundesgesetzes, ist sie zu berichtigen

(Bilanzberichtigung). Kann ein Fehler nur auf Grund der bereits

eingetretenen Verjährung nicht mehr steuerwirksam berichtigt

werden, gilt Folgendes:

- Zur Erreichung des richtigen Totalgewinnes kann von Amts

wegen oder auf Antrag eine Fehlerberichtigung durch Ansatz von Zu-

oder Abschlägen vorgenommen werden.

- Die Fehlerberichtigung ist im ersten zum Zeitpunkt der

Bescheiderlassung noch nicht verjährten Veranlagungszeitraum

insoweit vorzunehmen, als der Fehler noch steuerliche Auswirkungen

haben kann.

- Die Nichtberücksichtigung von Zu- oder Abschlägen gilt

als offensichtliche Unrichtigkeit im Sinne des § 293b der Bundesabgabenordnung."

25 § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 gilt im Rahmen der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung (§ 4 Abs. 3 letzter Satz EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 112/2012) und bei Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 28 Abs. 7 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 112/2012) sinngemäß.

26 Gemäß § 124b Z 225 EStG 1988 (idF BGBl. I Nr. 112/2012) trat (u.a.) § 4 Abs. 2 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 112/2012 mit 1. Jänner 2013 in Kraft und ist erstmals auf Fehler anzuwenden, die Veranlagungszeiträume ab 2003 betreffen.

27 Diese Inkrafttretensbestimmung warf Fragen auf (vgl. Zorn/Varro in Doralt et al, EStG17, § 4 Tz 167). Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2015, BGBl. I Nr. 163/2015, wurde § 124b Z 225 EStG 1988 dahin geändert, dass § 4 Abs. 2 und 3 und § 28 Abs. 7, jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 112/2012, mit 1. Jänner 2013 in Kraft treten und erstmals bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2004 auf Fehler anzuwenden sind, die Veranlagungszeiträume ab 2003 betreffen. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (896 BlgNR 25. GP  8) soll es sich hiebei um eine Klarstellung handeln.

28 Das Bundesgesetzblatt I Nr. 163/2015 wurde am 28. Dezember 2015 ausgegeben. Das angefochtene Erkenntnis wurde am 30. Dezember 2015 genehmigt und durch Zustellung an das Finanzamt und den Mitbeteiligten jeweils am 8. Jänner 2016 erlassen. Im vorliegenden Fall ist daher § 124b Z 225 EStG 1988 bereits in der Fassung des BGBl. I Nr. 163/2015 anzuwenden. Es ist somit § 4 Abs. 2 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 112/2012 bei der Veranlagung für das Kalenderjahr (insbesondere) 2005 anzuwenden, wobei Fehler zu berücksichtigen sind, die Veranlagungszeiträume ab 2003 betreffen.

29 In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Abgabenänderungsgesetz 2012 (1960 BlgNR 24. GP  18 ff) wurde zu § 4 Abs. 2 und 3 sowie § 28 Abs. 7 EStG 1988 u.a. ausgeführt:

"In § 4 Abs. 2 sollen die Grundsätze für die Bilanzberichtung und Bilanzänderung klarer dargestellt werden. Darüber hinaus soll er um eine Bestimmung erweitert werden, die dem Grundsatz der Besteuerung des richtigen Totalgewinnes in besonderem Maße Rechnung trägt: Es soll eine steuerwirksame Korrektur von Fehlern möglich werden, die ihre Wurzel in verjährten Zeiträumen haben, und deren Folgewirkungen noch in nicht verjährte Veranlagungszeiträume hineinreichen. Damit soll eine steuerwirksam Berichtigung von Fehlern, die sich in mehreren Besteuerungsperioden auswirken, auch dann möglich sein, wenn ihrer Steuerwirksamkeit ausschließlich die eingetretene Verjährung entgegen steht.

Die Neufassung des § 4 Abs. 2 ändert zunächst nichts daran, dass unrichtige Bilanzansätze wie bisher bis zur Wurzel zurückverfolgt und korrigiert werden müssen.

(...)

Der neue § 4 Abs. 2 EStG 1988 greift in den formellen Bilanzzusammenhang nicht ein, ergänzt die Korrektur an der Wurzel samt einer allfällig erforderlichen Fortentwicklung allerdings durch ein Zu- und Abschlagssystem, das sich bereits beim Wechsel der Gewinnermittlung langjährig bewährt hat. Im Ergebnis wird damit ebenfalls ein richtiger Totalgewinn sichergestellt.

(...)

Ein Zu- oder Abschlag soll nur dann möglich sein, wenn steuerliche Auswirkungen auch in noch nicht verjährte Veranlagungsjahre hineinreichen. Andernfalls ist der Ansatz von Zu- oder Abschlägen nicht zulässig.

(...)

Die Fehlerkorrektur soll im Rahmen einer Bescheidberichtigung nach § 293b BAO erfolgen können. Das Unterbleiben der Fehlerkorrektur wird daher als offensichtliche Unrichtigkeit iSd § 293b BAO fingiert. Eine darauf gestützte Bescheidberichtigung hat allerdings zur Voraussetzung, dass der Steuerwirksamkeit der Korrektur ausschließlich die eingetretene Verjährung entgegensteht. Dies bedeutet, dass eine auf § 4 Abs. 2 iVm § 293b BAO gestützte Änderung eines rechtskräftigen Bescheides nur dann in Betracht kommt, wenn ein Verfahrenstitel vorliegt, der es ermöglichen würde, den fehlerhaften Bescheid in Durchbrechung der Rechtskraft zu korrigieren und der Einsatz dieses Verfahrenstitels bloß deswegen nicht möglich ist, weil dem die eingetretene Verjährung entgegensteht. Auf diese Weise ist gewährleistet, dass für eine Fehlerberichtigung in Bezug auf verjährte Zeiträume dieselben verfahrensrechtlichen Anforderungen für die Durchbrechung der Rechtskraft gelten wie sie für eine derartige Maßnahme in Bezug auf nicht verjährte Zeiträume besteht.

Die Fehlerkorrektur soll stets in jenem Veranlagungszeitraum vorgenommen werden, zu dem - gemessen am Zeitpunkt der Erlassung des berichtigenden Bescheides - die Richtigstellung frühestmöglich vorgenommen werden kann. Voraussetzung dafür ist, dass sich der Fehler in dem zu berichtigenden Jahr (noch) steuerlich auswirkt.

(...)

Die tatbestandsmäßige Bezugnahme auf die Verjährung bedeutet auch, dass in Fällen kein Zu- oder Abschlag möglich ist, in denen der unrichtige Bilanzansatz seine Wurzel in einem noch nicht verjährten Jahr hat. Diesbezüglich kann eine Richtigstellung (im Jahr der Fehlerwurzel) erfolgen, wenn ein Verfahrenstitel die Abänderung des rechtskräftigen Bescheides ermöglicht.

Die Berücksichtigung eines Zu- oder Abschlages unterliegt dem Ermessen ("kann") und ist somit unter dem Gesichtspunkt von Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu würdigen. Damit sollen einerseits (im Verhältnis zum Totalgewinn- oder -verlust) geringfügige steuerliche Auswirkungen nicht zu einem Zu- oder Abschlag führen, andererseits auch eine Berücksichtigung der absoluten Dauer des Zurückliegens des Fehlers ermöglicht werden. Je länger der Fehler in die Vergangenheit zurückreicht, umso größer müssen die steuerlichen Auswirkungen sein, um im Rahmen des Ermessens einen Zu- oder Abschlag festzusetzen.

Diese Grundsätze sollen für Fehlerberichtigungen im Fall der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung oder der Ermittlung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung entsprechend gelten. Insbesondere Fehler in Bezug auf die Höhe der AfA-Bemessungsgrundlage sollen daher in gleicher Weise durch Zu- und Abschläge korrigierbar sein."

30 Der nicht buchführungspflichtige Steuerpflichtige trifft die Wahl, ob er den Gewinn nach § 4 Abs. 1 oder nach § 4 Abs. 3 EStG 1988 ermittelt, mit der Einrichtung oder Nichteinrichtung einer entsprechenden laufenden Buchführung (vgl. VwGH vom 23. September 2010, 2010/15/0110, mwN). Der Zeitpunkt der Bilanzerstellung allein ist für die Annahme einer freiwilligen Buchführung nicht maßgeblich. Wurden schon bisher laufend Bücher geführt, in welche die wesentlichen Geschäftsfälle Eingang gefunden haben, dann steht es der (Beibehaltung der) Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG 1988 nicht entgegen, wenn der Steuerpflichtige die Abschlussarbeiten unterlassen hat (vgl. VwGH vom 19. Dezember 2012, 2009/13/0036, VwSlg. 8775/F).

31 Der Mitbeteiligte hat - im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unbestritten - im hier zu beurteilenden Kalenderjahr 2005, aber auch in den Vorjahren laufend Bücher geführt. Der Gewinn ist daher durch Betriebsvermögensvergleich iSd § 4 Abs. 1 EStG 1988 zu ermitteln.

32 Da der Mitbeteiligte auch schon in den Jahren vor 2005 freiwillig Bücher führte, lag in dem zu beurteilenden Jahr kein Wechsel der Gewinnermittlungsart vor. Ein Übergangsgewinn (§ 4 Abs. 10 EStG 1988) war - ebenfalls im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unbestritten - nicht zu ermitteln.

33 Der Mitbeteiligte hatte aber dem Finanzamt in den Jahren vor 2005 jeweils bekannt gegeben, er ermittle den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG 1988. Er legte dazu - wie aus den vorgelegten Akten des Finanzamts hervorgeht - auch für das Jahr 2004 einen "Jahresabschluss" vor, der (lediglich) eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ("Gewinn- und Verlustrechnung") beinhaltete. Erst für das Kalenderjahr 2005 legte er zunächst eine "Eröffnungsbilanz und Übergangsgewinnermittlung von § 4/3 EStG-Ermittlung auf § 4/1 EStG-Ermittlung" und in der Folge einen "Jahresabschluss" vor, der sowohl eine "Bilanz" als auch eine "Gewinn- und Verlustrechnung" umfasste.

34 Wer Bücher führt und regelmäßig Abschlüsse macht, muss gemäß § 44 Abs. 1 EStG 1988 anlässlich der Einreichung der Steuererklärung der Abgabenbehörde eine Abschrift der Vermögensübersicht (Jahresabschluss, Bilanz) und der Gewinn- und Verlustrechnung vorlegen. Diese müssen auf dem Zahlenwerk der Buchführung beruhen. Wer den Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988 erklärt, muss hingegen gemäß § 44 Abs. 4 EStG 1988 die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben nach der in der Steuererklärung vorgesehenen gruppenweisen Gliederung ausweisen.

35 Nach § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 ist eine Vermögensübersicht zu berichtigen, wenn sie nicht den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung oder den zwingenden Vorschriften dieses Bundesgesetzes entspricht. Eine Bilanzberichtigung hat etwa dann zu erfolgen, wenn Bilanzposten fehlen, die zwingend aufzunehmen gewesen wären (vgl. z.B. Zorn/Varro, aaO, § 4 Tz 127 f, 164).

36 Auch wenn - wie aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage hervorgeht und worauf das Finanzamt verweist - sowohl der Bestimmung des § 4 Abs. 10 EStG 1988 als auch jener des § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 die Zielsetzung zu Grunde liegt, den richtigen Totalgewinn der Besteuerung zugrunde zu legen, so wird dieses Ziel aber nur bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen verwirklicht. So setzt § 4 Abs. 10 EStG 1988 einen Wechsel der Gewinnermittlungsart voraus, der hier unstrittig nicht vorliegt.

§ 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 setzt hingegen insbesondere voraus, dass eine eingereichte Vermögensübersicht nicht den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung oder den zwingenden Vorschriften des EStG 1988 entspricht und ein daraus resultierender Fehler nur auf Grund der bereits eingetretenen Verjährung nicht mehr steuerwirksam berichtigt werden kann.

37 Für die insoweit allenfalls bereits verjährten Zeiträume vor dem hier zu beurteilenden Jahr 2005 wurden vom Mitbeteiligten aber keine Vermögensübersichten, sondern lediglich Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen eingereicht. Damit hat der Mitbeteiligte zwar gegen seine Offenlegungspflicht verstoßen (§ 44 Abs. 1 EStG 1988, § 119 BAO), was zu verschiedenen Rechtsfolgen führen kann (vgl. etwa Ritz, BAO5, § 119 Tz 6). Zu- und Abschläge nach § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 setzten aber das Vorliegen einer - mangelhaften - Vermögensübersicht für vorangehende Zeitpunkte voraus; ein Verstoß gegen die Offenlegungspflicht vermag diese Voraussetzung nicht zu substituieren.

38 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 27. April 2017

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