VwGH Ra 2016/12/0084

VwGHRa 2016/12/008427.6.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrat Dr. Zens, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Hofrat Mag. Feiel und Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die außerordentliche Revision des Mag. E B in W, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juni 2016, W188 2107260-1/2E, betreffend Antrag auf Verfügung des Nichteintritts der mit der Gewährung des Karenzurlaubs verbundenen Folgen gemäß § 75 Abs. 3 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde: Beim Vorstand der Telekom Austria Aktiengesellschaft eingerichtetes Personalamt), zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §241a Abs1 idF 2012/I/120;
BDG 1979 §241a idF 1997/I/61;
BDG 1979 §75 Abs1 idF 1990/447;
BDG 1979 §75 Abs2 idF 1990/447;
BDG 1979 §75 Abs3 idF 1990/447;
BDG 1979 §75 idF 1990/447;
B-VG Art133 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016120084.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber stand bis zu seiner Ruhestandsversetzung mit 31. Mai 2004 in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

2 Der Revisionswerber absolvierte von September 1975 bis September 1978 die Fernmeldemonteurschule der Post- und Telegraphenverwaltung, wurde anschließend als Vertragsbediensteter in die Post- und Telegraphenverwaltung übernommen und am 1. April 1985 in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis überstellt. Bis zum 2. Jänner 1995 wurde er in einem Ortsamt im Bereich des Fernsprechbetriebsamts Wien als Fachtechniker in der Verwendungsgruppe PT 6, ab 1. Oktober 1993 in der Verwendungsgruppe PT 5, verwendet. Anschließend wurde er in der Fernmelderechtsabteilung der Post- und Telegraphendirektion für Wien, Niederösterreich und das Burgenland Wien probeweise und in der Folge vom 1. April 1996 bis 6. Juli 1997 in deren rechtskundigen Dienst, anschließend bis 8. Dezember 1997 in der Telekom, Rechtsdienste Wien, bis 1. Jänner 1999 in der Generaldirektion der Post und Telekom Austria AG, sodann bis 1. Mai 1999 in der Telekom Austria AG, Vertrieb, und ab 6. September 1999 bis zu seiner Ruhestandsversetzung in der Rechtsabteilung der Mobilkom Austria AG als Referent A, Abteilungsleiter und Stellvertreter des Bereichs Recht, verwendet. Seit 1. Juli 2000 nahm er die Aufgaben des Datenschutzbeauftragten des Unternehmens wahr.

3 Über Antrag des Revisionswerbers wurden ihm von seiner (damaligen) Dienstbehörde (dem Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr, Generaldirektion für die Post- und Telegraphenverwaltung) zur Vorbereitung auf und Absolvierung von Diplomprüfungen des Studiums der Rechtswissenschaften vom 1. Oktober 1990 bis 28. Februar 1991, vom 1. März 1991 bis 30. Juni 1991, vom 1. Mai 1992 bis 30. Juni 1992, vom 1. März 1993 bis 30. November 1993 und vom 1. Dezember 1993 bis 31. März 1994 Urlaube unter Entfall der Bezüge gemäß § 75 Abs. 1 und 2 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) gewährt. Weiters wurde ihm für die Absolvierung des Gerichtsjahrs über seinen Antrag ein Urlaub unter Entfall der Bezüge gemäß § 75 Abs. 1 und 2 BDG 1979 vom 1. September 1994 bis 31. August 1995 gewährt, der über seinen Antrag bereits mit 1. Jänner 1995 vorzeitig beendet wurde. In die die Karenzurlaube gewährenden Bescheide wurde jeweils der Hinweis aufgenommen, dass der Urlaubszeitraum gemäß § 75 Abs. 2 BDG 1979 für Rechte, die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängig seien, nicht zu berücksichtigen sei, soweit in den Besoldungsvorschriften nicht anderes bestimmt sei.

4 Der Revisionswerber schloss in dieser Zeit sein Diplomstudium der Rechtswissenschaften ab und absolvierte von 1. September 1994 bis 31. Dezember 1994 seine Gerichtspraxis bei einem Bezirksgericht in Wien.

5 Insgesamt wurden dem Revisionswerber für die Zurücklegung des Studiums der Rechtswissenschaften und der Gerichtspraxis im Zeitraum vom 1. Oktober 1990 bis 1. Jänner 1995 Karenzurlaube im Ausmaß von zwei Jahren, vier Monaten und einem Tag gewährt.

6 Mit Schreiben vom 14. September 2000 teilte die Dienstbehörde dem Revisionswerber mit, dass die Zeiten der Karenzurlaube für die Vorrückung in höhere Bezüge zur Hälfte wirksam geworden seien.

7 Mit Bescheid der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom 18. Februar 2015 wurden die Anträge des Revisionswerbers vom 13. März 2000 auf Anrechnung der Gerichtspraxis, vom 19. Mai 2000 auf Anrechnung des Studiums sowie der erneute Antrag vom 1. September 2011 auf volle Anrechnung der Karenzurlaube abgewiesen.

8 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG in Verbindung mit § 75 Abs. 3 BDG 1979 in der Fassung BGBl. Nr. 447/1990 ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

9 Das Verwaltungsgericht stellte über den eingangs ausgeführten Sachverhalt hinaus und nach Darstellung des Verfahrensgangs weiters fest, dass der Revisionswerber das Studium der Rechtswissenschaften und das Gerichtsjahr mit dem persönlichen Ziel absolviert habe, innerhalb der Post- und Telegraphenverwaltung möglichst rasch eine dienstliche Verwendung zu erlangen, die die Absolvierung dieses Studiums voraussetzte.

10 Beweiswürdigend meinte das Bundesverwaltungsgericht, dass die Sachverhaltsfeststellungen unmittelbar aufgrund der Aktenlage hätten getroffen werden können.

11 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe maßgeblicher Gesetzesbestimmungen und von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs in der Sache zusammengefasst aus, dass für die vom Revisionswerber beantragte Rechtsgestaltung § 75 Abs. 3 BDG 1979 in der Fassung BGBl. Nr. 447/1990 maßgeblich sei.

§ 75 Abs. 3 BDG 1979 in der genannten Fassung sehe eine im freien Ermessen liegende Personalmaßnahme vor, bei der die Ermessensübung an zwei - in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilende - Voraussetzungen geknüpft sei, nämlich erstens, dass für die Gewährung des Karenzurlaubs andere als private Interessen des Beamten (überwiegend) maßgebend seien und zweitens berücksichtigungswürdige Gründe für die Nachsichtgewährung vorlägen. Lägen beide Tatbestandsvoraussetzungen vor, sei Nachsicht zu gewähren. Fehle auch nur eine dieser beiden, sei die Nachsicht von den Rechtsfolgen nach § 75 Abs. 2 BDG 1979 nicht zu gewähren.

12 Der Revisionswerber sei auf dem Boden der für seine Karenzurlaube geltenden Rechtslage berechtigt gewesen, einen Antrag auf Nichteintritt der mit der Gewährung des Karenzurlaubs verbunden Folgen zu stellen. In der Sache selbst ergäben sich allerdings weder aus den von der Behörde vorgelegten Verwaltungsakten noch aus den Akten des Bundesverwaltungsgerichts Anhaltspunkte dahingehend, dass zu den Zeitpunkten der jeweiligen Gewährung der Karenzurlaube andere als private Interessen vorgelegen wären. Weder aus den die Karenzurlaube gewährenden Bescheiden noch aus den von den Vorgesetzten des Revisionswerbers abgegebenen Stellungnahmen sei eine Äußerung zu entnehmen, wonach etwa dienstliche oder öffentliche Interessen für die Gewährung der Karenzurlaube maßgebend gewesen seien. Diese Tatsache erscheine durchaus nachvollziehbar, weil es den im Verlauf eines rechtswissenschaftlichen Studiums zu absolvierenden Rechtsfächern bzw. dem in der Gerichtspraxis als Rechtspraktikant erworbenen Wissen grundlegend an der Eignung mangle, dem Revisionswerber in Bezug auf seine damalige fernmeldetechnische Verwendung nach seiner Rückkehr in diese einen Erfahrungs- oder Erkenntnisgewinn zu vermitteln. Gegen das Vorliegen der vom Revisionswerber ins Treffen geführten dienstlichen Interessen spreche auch der Umstand, dass in den Verwaltungsakten keine Hinweise vorzufinden seien, wonach die Dienstbehörde die Karenzurlaube vor allem eingedenk der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen, wonach von mehreren Bewerbern, die die Ernennungserfordernisse erfüllten, nur der ernannt werden könne, von dem aufgrund seiner persönlichen und fachlichen Eignung anzunehmen sei, dass er die mit der Verwendung auf der Planstelle verbundenen Aufgaben in bestmöglicher Weise erfülle, konkret im Hinblick auf eine hinkünftige Verwendung des Revisionswerbers in der Generaldirektion, welche die Zurücklegung des rechtswissenschaftlichen Studiums sowie der Gerichtspraxis vorausgesetzt hätte, gewährt habe. Insoweit habe zu den Zeitpunkten der Gewährung der Karenzurlaube Ungewissheit darüber bestanden, ob mit einer Überstellung in eine solche Verwendung überhaupt gerechnet werden könne. Ein weiteres Indiz für das Nichtvorliegen anderer als privater Interessen sah das Bundesverwaltungsgericht darin, dass sich in den die Karenzurlaube gewährenden Bescheiden explizit der Hinweise fand, wonach die Urlaubszeiträume für Rechte, die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängig seien, nicht zu berücksichtigen seien, soweit in den Besoldungsvorschriften nicht anderes bestimmt sei. Hätte die Dienstbehörde - so führte das Verwaltungsgericht weiter aus - im Zusammenhang mit der Gewährung des Karenzurlaubs zur Absolvierung der Gerichtspraxis dienstliche Gründe für maßgeblich erachtet, hätte sie auf die Zurücklegung derselben im vollen zeitlichen Ausmaß gedrungen und dem Antrag des Revisionswerbers auf vorzeitige Beendigung des Karenzurlaubs nicht entsprochen. Davon abgesehen hätte sie wohl auch vom Vorhaben, Zeiten der Karenzurlaube für die Vorrückung in höhere Bezüge nur zur Hälfte wirksam werden zu lassen, Abstand genommen.

13 Wenn der Revisionswerber argumentiere, dass in der Vergangenheit Bedienstete der Post- und Telegraphenverwaltung Reifeprüfungen abgelegt und Hochschulstudien absolviert hätten, um dadurch die Voraussetzungen für die Überstellung in höhere Verwendungsgruppen zu schaffen, bzw. sich in der Regel gegen Bewerber außerhalb der Post- und Telegraphenverwaltung durchgesetzt hätten, und sich dazu auf die Aussagen eines ehemaligen Vorgesetzten bzw. eines Referatsleiters der damaligen obersten Dienstbehörde berufe, wonach Juristen mit technischem Hintergrund gebraucht worden seien, bzw. es nicht von der Hand zu weisen sei, dass ein gerichtliches Praxisjahr für die Rechtstätigkeit bei der Post- und Telegraphenverwaltung Vorteile bringe, gelinge es ihm mit diesem Vorbringen nicht, ein maßgebliches dienstliches Interesse an der Gewährung der Karenzurlaube darzutun. Einerseits sei er konkrete Informationen dafür schuldig geblieben, dass in diesen Fällen für die Gewährung der Karenzurlaube andere als private Gründe im Vordergrund gestanden seien, und handle es sich andererseits bei den genannten Äußerungen um teils unverbindliche, teils unsubstanziierte Einschätzungen.

14 Aus den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofs vom 24. März 1999, 97/12/0291, und vom 6. Juni 1990, 89/12/0183, sei für den Revisionswerber nichts abzuleiten, weil die Beschwerdeführer in jenen Fällen zur Zeit der Beantragung und Gewährung eines Karenzurlaubs gemäß § 75 Abs. 1 BDG 1979 zwecks Ableistung des Gerichtsjahrs bereits in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis in einer Verwendung gestanden seien, für welche die Absolvierung des rechtswissenschaftlichen Studiums bzw. kraft der Arbeitsplatzbeschreibung eine abgeschlossene Offiziersausbildung, ein Universitätsstudium sowie der Intendanzkurs vorausgesetzt gewesen seien.

15 Vor diesem Hintergrund kam das Bundesverwaltungsgericht zum Ergebnis, dass für die Gewährung der Karenzurlaube nicht andere als private Gründe maßgeblich gewesen seien. Augenscheinlich sei es dem Revisionswerber in erster Linie darauf angekommen, unter Beibehaltung seines Status als öffentlich Bediensteter möglichst rasch und im Hinblick auf seine Beanspruchung mit einiger Erfolgsaussicht das Studium der Rechtswissenschaften mit dem Ziel zu absolvieren, bald möglichst einen beruflichen Aufstieg in eine höhere Verwendungsgruppe zu realisieren. Es sei daher davon auszugehen, dass im Sinn der ersten Tatbestandsvoraussetzung des § 79 Abs. 3 BDG 1979 in der Fassung nach dem BGBl. Nr. 447/1990 für die Genehmigung der Karenzurlaube jedenfalls private Gründe des Revisionswerbers im Vordergrund gestanden seien.

16 Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Dezember 2010, 2009/12/0164, fänden sich in erster Linie Ausführungen zur Frage des Vorliegens eines berücksichtigungswürdigen Grundes im Sinn des § 75 Abs. 3 BDG 1979. Diese weitere Tatbestandvoraussetzung sei im vorliegenden Fall jedoch nicht mehr zu prüfen, weil bereits die Tatbestandsvoraussetzung der Maßgeblichkeit anderer als privater Interessen für die Gewährung des Karenzurlaubs nicht erfüllt sei.

17 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem Fehlen einer grundsätzlichen Rechtsfrage, weil die Entscheidung nicht von der insoweit einheitlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs abweiche.

18 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhalts. Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

19 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit seiner Revision vor, dass das Bundesverwaltungsgericht bei der Beurteilung der Frage, ob für die Karenzurlaubsgewährung andere als private Gründe maßgebend gewesen seien, von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen sei, umfasse nach dieser das öffentliche Interesse doch mehr als das rein arbeitsplatzbezogen gesehene dienstliche Interesse an der Besorgung der Aufgaben des Arbeitsplatzes. Aus den Ansuchen um Karenzurlaubsgewährung sei der Zweck des Jus-Studiums bzw. des Gerichtsjahrs ersichtlich gewesen. Die Karenzurlaubsgewährung sei zu diesen Zwecken erfolgt. Zudem habe sich das Verwaltungsgericht nur teilweise mit seinem Vorbringen auseinandergesetzt, ob dieser Gewährungszweck als rein privat anzusehen sei oder nicht, und nicht berücksichtigt, dass das Interesse an der Karenzurlaubsgewährung zu den besagten Ausbildungszwecken unter dem Gesichtspunkt zu sehen sei, dass er in eine dienstrechtliche Stellung gelangt sei, für welche das Jus-Studium Ernennungserfordernis gewesen sei.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

20 Die Revision ist aus den angeführten Gründen zulässig. Sie

ist auch berechtigt:

21 Im Zeitpunkt der Bewilligung der gegenständlichen

Karenzurlaube stand § 75 Abs. 1 bis 3 BDG 1979 in der Fassung BGBl. Nr. 447/1990 in Kraft. Durch die nachfolgenden Novellierungen erfuhren diese Bestimmungen insoweit keine Änderung. § 75 Abs. 1 bis 3 BDG 1979 in dieser Fassung lautete:

"§ 75. (1) Dem Beamten kann auf sein Ansuchen ein Urlaub unter Entfall der Bezüge (Karenzurlaub) gewährt werden, sofern nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen.

(2) Die Zeit des Karenzurlaubes ist für Rechte, die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängen, nicht zu berücksichtigen, soweit in den Besoldungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist.

(3) Sind für die Gewährung eines Karenzurlaubes andere als private Interessen des Beamten maßgebend und liegen berücksichtigungswürdige Gründe vor, so kann die zuständige Zentralstelle mit Zustimmung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Finanzen verfügen, dass die gemäß Abs. 2 mit der Gewährung des Karenzurlaubes verbundenen Folgen nicht oder nicht im vollen Umfang eintreten."

22 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist - wie das Bundesverwaltungsgericht insoweit zutreffend erkannte - die Übergangsbestimmung des § 241a BDG 1979 in der Fassung BGBl. I Nr. 61/1997 (nunmehr § 241a Abs. 1 BDG 1979), worauf auf Karenzurlaube, die gemäß § 75 BDG 1979 in der bis zum Ablauf des 30. Juni 1997 geltenden Fassung gewährt worden sind, § 75 BDG 1979 in dieser Fassung weiterhin anzuwenden ist, dahingehend auszulegen, dass damit generell die Maßgeblichkeit der im Zeitpunkt der Karenzurlaubsgewährung in Kraft gestandenen Rechtslage angeordnet werden sollte (siehe zur näheren Begründung das Erkenntnis vom 17. Dezember 2007, 2007/12/0061). Zu Recht ging das Bundesverwaltungsgericht auch von der Zulässigkeit der hier gegenständlichen Anträge auf Nichteintritt der mit der Gewährung eines Karenzurlaubs verbundenen Folgen nach § 75 Abs. 3 BDG 1979 aF aus (siehe das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Juni 2002, 2001/12/0240).

23 Des Weiteren hat der Verwaltungsgerichtshof bereits judiziert (siehe dazu insbesondere das Erkenntnis vom 15. Dezember 2010, 2009/12/0164, mwN), dass § 75 Abs. 3 BDG 1979 in der hier maßgeblichen Fassung eine im freien Ermessen liegende Maßnahme vorsieht, bei der die Ermessensübung allerdings an zwei - in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilende - Voraussetzungen geknüpft ist, nämlich, dass erstens für die Gewährung des Karenzurlaubs andere als private Interessen des Beamten (überwiegend) maßgebend sind und zweitens berücksichtigungswürdige Gründe für die Nachsichtgewährung vorliegen. Liegen die beiden obgenannten Tatbestandsvoraussetzungen vor, ist Nachsicht zu gewähren, das Ermessen besteht nur in Bezug auf das Ausmaß der Nachsicht.

24 Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht sich mit der zweitgenannten Voraussetzung nicht mehr beschäftigt, weil es davon ausging, dass bereits die erste Tatbestandsvoraussetzung, nämlich dass andere als private Interessen des Revisionswerbers überwiegend für die Gewährung des Karenzurlaubs maßgebend gewesen wären, nicht vorläge.

25 Zum Begriff "andere als private Interessen" hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 24. März 1990, 97/12/0291, (und diesem folgend in den Erkenntnissen vom 21. November 2001, 2000/12/0054, und vom 15. Dezember 2010, 2009/12/0164) ausgeführt, dass nicht von einem zu engen Begriff des öffentlichen Interesses ausgegangen werden darf. So umfasst der Begriff "öffentliches Interesse" jedenfalls mehr als das rein arbeitsplatzbezogen gesehene dienstliche Interesse an der Besorgung des vom Beamten derzeit innegehabten Arbeitsplatzes. Gerade eine Gegenüberstellung der Aufgaben des Beamten (vor und nach der Ausbildung) und der in der Zeit des Karenzurlaubs vermittelten Kenntnisse und deren dienstliche Verwertbarkeit sprechen dafür, dass andere als private Interessen für die Gewährung des Karenzurlaubs maßgeblich waren. Als Beispiele für ein rein privates Interesse des Beamten an der Erwerbung der Kenntnisse wurden die Vorbereitung einer Berufstätigkeit außerhalb des Bundesdienstes oder im Rahmen einer Nebenbeschäftigung angeführt, während die Verwertung der erworbenen Kenntnisse im weiteren Karriereverlauf im Bundesdienst als gegen ein rein persönliches Interesse sprechend gewertet wurde (vgl. zum Ganzen das bereits erwähnte Erkenntnis vom 15. Dezember 2010, 2009/12/0164).

26 Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Karenzurlaube dem Revisionswerber zum Zweck des Studiums der Rechtswissenschaften und anschließend zur Absolvierung der Gerichtspraxis gewährt wurden.

27 Bei der Prüfung der ersten Tatbestandsvoraussetzung des § 75 Abs. 3 BDG 1979 aF ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zunächst anhand des Bescheids, mit dem dem Revisionswerber Karenzurlaub gewährt wurde, zu prüfen, ob für dessen Genehmigung private Gründe des Beamten im Vordergrund standen. Darüber hinaus ist auf den Antrag des Revisionswerbers auf Gewährung des Karenzurlaubs sowie auf sonstige Unterlagen, die diesem Verfahren zu Grunde lagen, zurückzugreifen (siehe abermals das Erkenntnis vom 24. März 1999, 97/12/0291, mwN).

28 Im vorliegenden Fall leitete das Verwaltungsgericht aus der Aktenlage feststellend ab, dass der Revisionswerber das Studium der Rechtswissenschaften und das Gerichtsjahr mit dem persönlichen Ziel absolviert habe, möglichst rasch innerhalb der Post- und Telegraphenverwaltung eine dienstliche Verwendung zu erlangen, die die Absolvierung dieses Studiums voraussetzte.

29 Zutreffend ist in diesem Zusammenhang, dass sich den die Karenzurlaube bewilligenden Bescheiden weder der Grund der Karenzurlaubsgewährung noch ein allfälliges dienstliches Interesse entnehmen lässt. Aus den Anträgen ergibt sich zwar der Zweck der Karenzurlaube, nämlich - zunächst - die Ablegung von Diplomprüfungen im Studium der Rechtswissenschaften. Eine Bezugnahme auf den Arbeitsplatz findet sich in diesen nicht. Erst im letzten Antrag führte der Revisionswerber aus, dass das Gerichtsjahr "eine sinnvolle Bereicherung für meine weitere Tätigkeit bei der Post- und Telegraphendirektion" sei.

30 Ausgehend von § 75 Abs. 1 BDG 1979, wonach ein Karenzurlaub antragsbedürftig ist, wird in der Regel auch ein gewisses persönliches Interesse des Karenzurlaubswerbers an der Gewährung des Karenzurlaubs gegeben sein. Die Formulierung "andere als private Interessen" der ersten Tatbestandsvoraussetzung des § 75 Abs. 3 BDG 1979 aF ist aber nicht in dem Sinn zu verstehen, dass auf Grund dessen das Vorliegen eines dienstlichen Interesses verlangt wird (siehe zum Ganzen abermals das Erkenntnis vom 21. November 2001, 2000/12/0054).

31 Unter dem Gesichtspunkt der "anderen als privaten Interessen" hat nun der Revisionswerber entsprechendes Vorbringen erstattet, wonach ihm einerseits sein damaliger stellvertretender Dienststellenleiter die Absolvierung des rechtswissenschaftlichen Studiums nahegelegt habe. Andererseits habe er auch bereits bei seiner ursprünglichen Verwendung rechtliche mit technischen Fähigkeiten verbinden können. Mit diesem relevanten Vorbringen setzte sich das Verwaltungsgericht - wie die Revision zutreffend aufzeigt - nicht auseinander und es traf dazu auch keine Feststellungen. Dazu hätte es auch einer - über die Aktenlage hinausgehenden - Beweisaufnahme bedurft. Jedenfalls durfte das Bundesverwaltungsgericht dieses Vorbringen nicht ohne Weiteres übergehen.

32 Diese Verletzung von Verfahrensvorschriften kann im vorliegenden Fall jedoch im Hinblick auf die im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Feststellungen dahinstehen.

33 So stellte das Verwaltungsgericht ausdrücklich fest, dass der Revisionswerber das Studium und das Gerichtsjahr mit dem Ziel absolvierte, innerhalb der Post- und Telegraphenverwaltung möglichst rasch eine dienstliche Verwendung zu erlangen, die die Absolvierung des Studiums voraussetzt. Das Verwaltungsgericht geht nicht davon aus, dass dies dem Dienstgeber nicht erkennbar gewesen ist, oder dieser eine andere Vorstellung gehabt hätte. Diese Feststellung lässt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs jedoch nicht die vom Bundesverwaltungsgericht gezogene Schlussfolgerung zu, dass ausschließlich private Interessen für die Gewährung der Karenzurlaube ausschlaggebend gewesen wären. Diese Feststellung schließt nämlich aus, dass der Revisionswerber das Studium und die Gerichtspraxis zur Vorbereitung einer Beschäftigung außerhalb des Bundesdienstes oder für eine Nebenbeschäftigung absolvierte. Solche Intentionen kamen im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nicht hervor, und wurden demnach auch nicht festgestellt. Vielmehr war nach den Feststellungen die Verwertung der Kenntnisse im Rahmen des Dienstverhältnisses und damit die berufliche Weiterbildung das Motiv des Revisionswerbers. Dass damit für den Revisionswerber im Bundesdienst auch ein Karriereaufstieg verbunden war, macht die Intention noch nicht zu einer ausschließlich persönlichen, liegt doch eine berufliche Weiterentwicklung eines Beamten auch im recht verstandenen Dienstgeberinteresse. Auch die vom Revisionswerber bei der Post- und Telegraphenverwaltung (und ihren Nachfolgegesellschaften) erlangte dienstliche Stellung und Verwendung in der Verwendungsgruppe PT 2, Dienstzulagengruppe 1, bzw. in der Verwendungsgruppe PT 1 an sich spricht gegen ein rein privates Interesse an der Erwerbung der Kenntnisse durch den Revisionswerber, waren diese doch offenbar auch für den Dienstgeber von dienstlichem Interesse. Dass bei Gewährung der Karenzurlaube noch kein bestimmter Arbeitsplatz mit dieser Einstufung vom Revisionswerber angestrebt wurde oder von der Dienstbehörde für diesen vorgesehen war, ändert an dieser Einschätzung nichts. Dies ist gerade bei einer längeren Ausbildung nicht zu erwarten, was aber nicht zur grundsätzlichen Verneinung des dienstlichen Interesses an einer solchen führen kann.

34 Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts kann auch aus dem zur Information aufgenommenen Wortlaut des § 75 Abs. 2 BDG 1979, dass der Zeitraum des Karenzurlaubs für Rechte, die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängig sind, nicht zu berücksichtigen sei, soweit in den Besoldungsvorschriften nicht anderes bestimmt sei, weder geschlossen werden, dass damit bereits eine allfällige spätere Vollanrechnung ausgeschlossen worden wäre, noch dass für die Genehmigung der Karenzurlaube überwiegend private Interessen maßgeblich gewesen wären (siehe auch dazu das Erkenntnis vom 21. November 2001, 2000/12/0054).

35 Aus dem Gesagten ist somit abzuleiten, dass die erste Voraussetzung des § 75 Abs. 3 BDG 1979 in der maßgeblichen Fassung gegeben ist.

36 Das angefochtene Erkenntnis war deshalb wegen der vorrangig aufzugreifenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

37 Im fortzusetzenden Verfahren wird sich das Bundesverwaltungsgericht mit der weiteren Tatbestandsvoraussetzung § 75 Abs. 3 BDG 1979 aF auseinanderzusetzen haben.

38 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 27. Juni 2017

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