VwGH Ra 2016/11/0018

VwGHRa 2016/11/001821.4.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision der N K in W, vertreten durch Mag. Daniel Kornfeind, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Singerstraße 27/28, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Dezember 2015, Zl. W141 2107624-1/7E, betreffend Zusatzeintragung in den Behindertenpass (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien),

Normen

AVG §52;
BBG 1990 §42 Abs1;
Behindertenpässe Ausstellung 2014 §1 Abs2 Z3;
Behindertenpässe Ausstellung 2014 §1 Abs3;
Behindertenpässe Ausstellung 2014 §1;
GO BVwG 2014 §20 Abs2;
GO BVwG 2014 §20 Abs6;
GO BVwG 2014 §20 Abs7;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;
AVG §52;
BBG 1990 §42 Abs1;
Behindertenpässe Ausstellung 2014 §1 Abs2 Z3;
Behindertenpässe Ausstellung 2014 §1 Abs3;
Behindertenpässe Ausstellung 2014 §1;
GO BVwG 2014 §20 Abs2;
GO BVwG 2014 §20 Abs6;
GO BVwG 2014 §20 Abs7;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;

 

Spruch:

I. den Beschluss gefasst:

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist wird stattgegeben.

II. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird dahin abgeändert, dass dem Antrag der Revisionswerberin, in ihren Behindertenpass den Zusatz "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" einzutragen, stattgegeben wird.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der im Spruch genannte Antrag gemäß § 42 Abs. 1 und § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Z 3 und § 3 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, abgewiesen und ausgesprochen, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

In der Begründung des angefochtenen Erkenntnis wurde festgestellt, dass der Revisionswerberin am 16. Jänner 2015 ein Behindertenpass ausgestellt worden sei.

Mit Antrag vom 24. Oktober 2014 (Einlangensdatum) habe die Revisionswerberin den Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO gestellt, den die belangte Behörde (laut Aktenlage: nach Rücksprache mit der Revisionswerberin) als Antrag auf Eintragung des Zusatzes "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gewertet habe. Die Revisionswerberin habe zum Antrag zusammengefasst ausgeführt, dass sie seit vier Jahren an Morbus Crohn leide und dass nach einer Entfernung eines Teiles des Dick- und Dünndarmes trotz etlicher Untersuchungen und Medikationen keine Besserung in Sicht sei. Sie leide an ständigem Durchfall und müsse pro Tag mindestens 20mal die Toilette aufsuchen, wobei sie ständig in der Angst lebe, nicht rechtzeitig eine Toilette zu erreichen. Sie könne den Stuhldrang nicht unterdrücken und getraue sich nicht, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen, da sie Angst habe, keine Toilette zu erreichen. Die Durchfälle seien von einer gewissen Flatulenz begleitet. In ihrem Alter von 22 Jahren sei sie dadurch nicht nur in ihrem sozialen Leben eingeschränkt. Angesichts der Häufigkeit der Durchfälle und der Flatulenzen sei es ihr entgegen den Überlegungen der belangten Behörde auch nicht zumutbar, unter Verwendung von Windeln die öffentlichen Verkehrsmittel zu benützen, um in die Arbeit zu kommen.

Im Rahmen des Parteiengehörs zu den eingeholten Gutachten habe die Revisionswerberin auch auf psychische Probleme hingewiesen, die damit einhergingen, dass sie auf dem Weg zum Arbeitsplatz zweibis dreimal Stuhlgang, begleitet durch eine entsprechende Geruchsentwicklung, habe. Sie habe daher die zusätzliche Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens beantragt. Das Verwaltungsgericht legte diese Angaben der Revisionswerberin, sowohl was die Art ihrer Erkrankung als auch die nicht vorhersehbaren und nicht beeinflussbaren Zeitpunkte des Stuhlganges betrifft, dem angefochtenen Erkenntnis als entscheidungsrelevanten Sachverhalt zugrunde. Weiters wurde, dem eingeholten Gutachten eines Facharztes für Innere Medizin folgend, festgestellt, dass "handelsübliche Hilfsmittel (Inkontinenzprodukte wie zB Einlagen, saugfähige Einmalhosen)" geeignet seien, "der durch das Krankheitsbild der (Revisionswerberin) bedingten Verunreinigung und Geruchsbelästigung für den Zeitraum bis zur nächsten Möglichkeit, das öffentliche Verkehrsmittel zu verlassen, ausreichend sicher vorzubeugen". Diese Hilfsmittel könnten nämlich durch ihre Saugstärke und den Auslaufschutz Verschmutzungen der Kleidung verhindern und durch den Saugkern Geruchsbelästigungen vermeiden. In der rechtlichen Beurteilung vertrat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen die Auffassung, dass der Revisionswerberin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bei Verwendung der genannten Inkontinenzprodukte nicht in hohem Maße erschwert und daher zumutbar sei.

Außerdem meinte das Verwaltungsgericht, dass die Durchführung einer Verhandlung aufgrund der technischen Natur des Sozialrechts (Hinweis auf Rechtsprechung des EGMR) habe unterbleiben können.

2. Dagegen richtet sich die vorliegende, beim Bundesverwaltungsgericht im elektronischen Rechtsverkehr (im Folgenden kurz: ERV) am 2. Februar 2016, dem letzten Tag der sechswöchigen Revisionsfrist, um 16:44:01 eingebrachte außerordentliche Revision der Revisionswerberin.

Darin erachtet sie sich in ihrem subjektiven Recht auf Eintragung der genannten Zusatzeintragung in den Behindertenpass verletzt und führt zur Zulässigkeit aus, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (u.a.) deshalb ab, weil es mit dem hg. Erkenntnis vom 17. Juni 2013, Zl. 2010/11/0021, nicht in Einklang zu bringen sei. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

3. Mit dem am 23. Februar 2016 beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Schriftsatz beantragte die Revisionswerberin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumte Revisionsfrist.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

4.1. Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

4.1.1. Vorweg reicht es, zur Frage der Verspätung der am letzten Tag der Revisionsfrist nach Ablauf der Amtsstunden beim Bundesverwaltungsgericht im elektronischen Rechtsverkehr eingebrachten Revision gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG auf den hg. Beschluss vom 17. November 2015, Ra 2014/01/0198, zu verweisen. Gemäß § 20 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Bundesverwaltungsgerichts gilt die gegenständliche Revision daher erst mit Beginn der Amtsstunden des nächsten Arbeitstages als eingebracht. Die Revision wurde daher verspätet eingebracht. Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Gemäß § 46 Abs. 3 VwGG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Revision beim Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.

4.1.2. Im vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag wird zusammengefasst vorgebracht, dass die im zitierten Beschluss, Zl. Ra 2014/01/0198, vorgenommene Auslegung des § 20 Abs. 2 und 7 der Geschäftsordnung des Bundesverwaltungsgerichtes dahin, dass die nach Ablauf der Amtsstunden im ERV eingebrachten schriftlichen Anbringen erst mit Beginn der Amtsstunden des nächsten Arbeitstages als eingebracht gelten, überraschend und nicht vorhersehbar gewesen sei (Hinweis u.a. auf die vergleichbare Regelung des § 89d GOG und den Beschluss des OGH vom 27. Mai 2015, 6 Ob 43/15i, sowie auf § 75 Abs. 1 VwGG). Auch in der Literatur (Hinweis auf Schneider/Frank/Kirschbichler/Moravec/Roth, ERV (1999) 139) sei anlässlich der Einführung des ERV im (zivil-)gerichtlichen Verfahren betont worden, dass bei der Nutzung des ERV "die Übertragungseinrichtungen jederzeit (auch außerhalb der normalen Dienstzeit sowie samstags, sonntags und feiertags) zur Verfügung stehen" und "bis zur letzten Minute genutzt werden" könnten.

Die nun gegenteilige Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes sei der Revisionswerberin erst durch eine Aussendung der Rechtsanwaltskammer Wien mittels email vom 9. Februar 2016 bekannt geworden.

4.1.3. Im Hinblick auf den zuletzt genannten Zeitpunkt erweist sich der vorliegende Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als rechtzeitig (§ 46 Abs. 3 VwGG).

Auch ein Rechtsirrtum (wie im vorliegenden Fall jener über den Zeitpunkt der Rechtswirksamkeit der Einbringung eines schriftlichen Anbringens beim Bundesverwaltungsgericht außerhalb der Amtsstunden) kann ein "Ereignis" im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG darstellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. September 2015, Zl. Ra 2015/03/0049, mwN).

Im vorliegenden Fall ist auch davon auszugehen, dass die Revisionswerberin (bzw. ihren Rechtsvertreter, der die Revision mittels ERV eingebracht hat) an diesem Rechtsirrtum kein über den Grad eines minderen Versehens hinausgehender Verschuldensgrad trifft:

Einerseits hat das Bundesverwaltungsgericht selbst noch in seinem Erkenntnis vom 3. Dezember 2015, Zl. W139 2115379-2 (siehe dort Pkt. 3.1.) die Frage der Rechtswirksamkeit von außerhalb der Amtsstunden bei ihm mittels ERV eingebrachter schriftlicher Anbringen vor dem Hintergrund des § 20 seiner Geschäftsordnung gegenteilig zum zitierten hg. Beschluss vom 17. November 2015, Zl. Ra 2014/01/0198, beantwortet.

Andererseits konnte dem Revisionswerber der genannte hg. Beschluss, Zl. Ra 2014/01/0198, im Zeitpunkt der Einbringung der gegenständlichen Revision noch nicht bekannt sein, weil dieser im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) erst am 9. Februar 2016 veröffentlicht wurde (vgl. die entsprechende Anmerkung im RIS am Ende des zitierten Beschlusses) und daher glaubhaft ist, dass auch das erwähnte Informationsschreiben der Rechtsanwaltskammer Wien vom 9. Februar 2016 stammt.

4.2. Zur Revision:

4.2.1. Die Revision ist zulässig, weil - wie sich aus den nachstehenden Ausführungen ergibt - das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Die Revision ist auch begründet.

4.2.2. Das Bundesbehindertengesetz - BBG, BGBl. Nr. 283/1990 in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 57/2015, lautet auszugsweise:

"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(2) Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

...

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.

..."

4.2.3. Die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, lautet auszugsweise:

"§ 1. (1) Der Behindertenpass ist mit einem 35 x 45 mm großen Lichtbild auszustatten und hat zu enthalten:

1. den Familien- oder Nachnamen, ...

...

(2) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

...

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

(3) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

...

§ 3. (1) Zum Nachweis, dass der Behindertenpassinhaber/die Behindertenpassinhaberin, der/die über die Eintragung ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung' verfügt, die im § 29b Abs. 2 bis 4 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. 159 (StVO), genannten Berechtigungen in Anspruch nehmen kann, ist ihm/ihr ein Parkausweis auszustellen. Die in einem gültigen Behindertenpass enthaltene Eintragung ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung oder Blindheit' ist der Eintragung ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung' gleichzuhalten.

..."

4.2.4. Der Verwaltungsgerichtshof hatte sich bereits wiederholt mit der Frage zu beschäftigen, ob die Inkontinenz zur Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führt und eine entsprechende Zusatzeintragung in den Behindertenpass rechtfertigt (vgl. das von der Revision zitierte hg. Erkenntnis vom 17. Juni 2013, Zl. 2010/11/0021, und jenes vom 23. Februar 2011, Zl. 2007/11/0142). In beiden Erkenntnissen hielt der Verwaltungsgerichtshof die Annahme der dort belangten Behörden, die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel durch den Betroffenen sei zumutbar, im Hinblick auf Art und Ausmaß der Inkontinenz für nicht nachvollziehbar. In beiden Erkenntnissen wurde ausgeführt, dass es zur Beantwortung dieser Frage - sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt - eines ärztlichen Sachverständigengutachtens bedarf, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden.

Dem steht § 1 Abs. 2 Z 3 der (oben unter 4.2.3. auszugsweise zitierten) Verordnung und die dort - demonstrative ("insbesondere") - Aufzählung solcher Fälle, in denen die Feststellung der genannten Unzumutbarkeit gerechtfertigt erscheint, nicht entgegen (vgl. vielmehr § 1 Abs. 3 leg. cit. zur gebotenen individuellen (ganzheitlichen) Beurteilung auf Basis eines ärztlichen Sachverständigengutachtens). Die (im angefochtenen Erkenntnis zitierten, der Website des zuständigen Bundesministeriums entnommenen) Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 dieser Verordnung führen aus, dass "bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes" in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar sei. Im gegenständlichen Fall ist die Inkontinenz der Revisionswerberin noch deutlich stärker ausgeprägt als in jenen Konstellationen, die den beiden zitierten Erkenntnissen zugrunde lagen: Das Verwaltungsgericht hat zugrunde gelegt, dass die Revisionswerberin an einer Durchfallerkrankung "mit häufigem und imperativem Stuhlgang" (nach ihren unwidersprochenen Angaben mindestens 20mal pro Tag und mit Flatulenzen verbunden) leidet und dass die Zeitpunkte des Stuhlganges für sie in der Regel weder vorhersehbar noch beeinflussbar sind.

Es ist geradezu offenkundig und bedarf keiner weiteren Erörterung, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bei diesem Krankheitsbild unzumutbar ist. Daran ändern - angesichts der gegenständlich schweren Ausprägung der Erkrankung - die im Handel erhältlichen, vom Verwaltungsgericht angesprochenen Inkontinenzprodukte (saugfähige Einmalhosen) nichts.

4.2.5. Überdies ist darauf hinzuweisen, dass auch die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts, es dürfe die Abweisung des Antrages der Revisionswerberin ohne Durchführung einer (von ihr in der Beschwerde beantragten) Verhandlung bestätigen, verfehlt ist (vgl. zur Verhandlungspflicht unter dem Gesichtspunkt der Möglichkeit des Betroffenen, Sachverständige zu befragen und die persönliche Situation darzulegen, das hg. Erkenntnis vom 27. April 2015, Zl. Ra 2015/11/0004, mit Verweisen auf die Judikatur des EGMR, sowie - den Behindertenpass betreffend - die Erkenntnisse vom 11. November 2015, Zl. Ra 2014/11/0109, und vom 14. Dezember 2015, Zl. Ro 2014/11/0062).

5. Da nach dem Gesagten die Sache entscheidungsreif ist, weil die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung in den Behindertenpass der Revisionswerberin offenkundig vorliegen, und auch die übrigen Voraussetzungen des § 42 Abs. 4 VwGG erfüllt sind, konnte der Verwaltungsgerichtshof eine dem Antrag stattgebende Entscheidung in der Sache treffen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 21. April 2016

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