Normen
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
AVG §52;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §53;
BauO NÖ 1996 §54 Abs3;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z3;
BauRallg;
MRK Art6 Abs1;
MRK Art6;
VwGVG 2014 §24 Abs1;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
VwGVG 2014 §24;
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Gemeinde R hat den Revisionswerbern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Zum bisherigen Verfahrensverlauf wird auf das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 2012, Zl. 2010/05/0095, verwiesen. Der Verwaltungsgerichtshof führte dort begründend im Wesentlichen aus, dass gemäß § 54 NÖ Bauordnung 1996 (NÖ BO 1996) zur Beurteilung eventueller Verletzungen subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte durch eine Beeinträchtigung der Belichtung von Hauptfenstern auf den Nachbargrundstücken nicht nur auf Hauptfenster bestehender Gebäude, sondern auch zukünftig bewilligungsfähiger Gebäude abzustellen ist. Es wäre zu prüfen gewesen, welche Bebauung auf der Liegenschaft der Revisionswerber zulässig ist.
2 Im fortgesetzten Verfahren hat die Niederösterreichische Landesregierung mit Bescheid vom 16. April 2013 den Berufungsbescheid der nunmehr vor dem Landesverwaltungsgericht belangten Behörde vom 2. Dezember 2009 aufgehoben.
3 Mit Eingabe vom 29. Mai 2013 legten die Revisionswerber eine gutachterliche Stellungnahme des Architekten DI C. vom April 2011 vor, nach der auf Grund des Datums der Einreichung des Bauansuchens § 54 NÖ BO 1996 idF vor der Novelle LGBl. Nr. 8200- 17 maßgeblich sei. Das Gutachten gelangt - auch unter Verweis auf das mittlere Niveau des gewachsenen Geländes bei ca. -2,2 m - zum Schluss, dass der erforderliche Lichteinfallswinkel von 45 Grad auf Hauptfenster zulässiger Gebäude auf der Liegenschaft der Revisionswerber bei Realisierung des Bauvorhabens nicht gegeben sei.
4 Laut im Akt befindlichem Aktenvermerk vom 28. November 2013 führte der Amtssachverständige Ing. K. aus, dass die Ostfront des Gebäudes auf der Liegenschaft der Mitbeteiligten eine gemittelte Gebäudehöhe von 7,2 m und an der geringsten Stelle einen Abstand zum Gebäude der Revisionswerber von 9,97 m aufweise. Das Erdgeschoß des Wohnhauses der Revisionswerber weise Wohnräume und vier Fenster auf. Es liege über dem Niveau des Fußbodens des Erdgeschoßes des Hauses der Mitbeteiligten. Auf Grund der Höhe der zueinander zeigenden Gebäudefronten und des Abstandes zwischen den Wohnhäusern werde der freie Lichteinfall unter 45 Grad auf die bewilligten Hauptfenster des Wohnhauses der Revisionswerber nicht beeinträchtigt.
5 Die Revisionswerber äußerten sich in einer Stellungnahme vom 20. Dezember 2013 dazu ablehnend.
6 Der Sachverständige DI H. tätigte in einem "Ortsbildgutachten" vom 25. Juli 2014 im Wesentlichen iZm § 54 NÖ BO 1996 (zur Frage der allfälligen Abweichung des Projektes von der Anordnung und Höhe zu bewilligten Hauptgebäuden im Umgebungsbereich) Ausführungen zur Ausgestaltung der in einem Umkreis von 100 m vom Bauprojekt gelegenen Gebäude und kam zum Schluss, dass Bauklasse I/II abgeleitet werden könne sowie eine offene Bauweise. Das Wohnhaus der Mitbeteiligten entspreche zwar der Bauklasse I/II, jedoch werde der Seitenabstand im Ausmaß der halben Gebäudehöhe zur gemeinsamen Grundgrenze nicht eingehalten. Daher sei eine Untersuchung nach § 56 NÖ BO 1996 durchgeführt worden. Zur Wahrung des Charakters der vom Sachverständigen festgestellten Bebauung im Sinne des § 56 NÖ BO 1996 dürfe von § 54 Abs. 1 bis 3 NÖ BO 1996 abgewichen werden, wenn der Lichteinfall von 45 Grad auf bewilligte Hauptfenster auf den Nachbargrundstücken nicht beeinträchtigt werde. Eine Übereinstimmung mit der Struktur der bestehenden Bauten in der Umgebung sei gegeben. Die Gestaltungscharakteristik des Zubaues stehe mit der Gestaltungscharakteristik der bestehenden Bauten in der Umgebung in einem ausgewogenen Verhältnis. Zwischen den Objekten der Bauwerber und Revisionswerber bestehe an der engsten Stelle ein Abstand von 9,93 m bei einer mittleren Gebäudehöhe von 6,49 m und einer maximalen Giebelhöhe von 7,4 m. Somit sei der Lichteinfall von 45 Grad auf bewilligte Hauptfenster gegeben und § 54 Abs. 4 NÖ BO 1996 anwendbar.
7 Zu diesen Ausführungen äußerten sich die Revisionswerber mit Eingabe vom 8. September 2014 ablehnend und bezogen sich auch auf das von ihnen vorgelegte Gutachten des DI C.
8 Zum Gutachten des DI C. führte DI H. in einer weiteren gutachterlichen Stellungnahme vom 26. Jänner 2015 hinsichtlich der Belichtung von Hauptfenstern der Revisionswerber aus, dass im Schemaschnitt mit den Seitenabständen die mittlere Gebäudehöhe des Wohnhauses der Mitbeteiligten und die mögliche Bebauung der Revisionswerber bei einem Abstand von 3 m zur Grundgrenze dargestellt seien. Ein Hauptfenster mit einer Parapethöhe von 90 cm könnte die volle Belichtung bei dem angenommenen Lichteinfallswinkel von 45 Grad haben, und es könnte sogar das Fensterparapet um 16 cm gesenkt werden.
9 Auch gegen diese gutachterliche Stellungnahme wandten sich die Revisionswerber in einer Eingabe vom 13. Februar 2015 mit näherer Begründung und führten aus, dass das von ihnen vorgelegte Gutachten von April 2011 und ihre Stellungnahme von September 2014 dadurch nicht habe widerlegt werden können.
10 Mit Bescheid vom 15. April 2015 wies der Gemeindevorstand die Berufungen der Revisionswerber gegen den erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters der Gemeinde R vom 16. September 2009 unter Bezugnahme auf die gutachterlichen Stellungnahmen des DI K. und des DI H. sowie mit Verweis darauf ab, dass das Gutachten des DI C. nicht zur Beurteilung des Lichteinfalles herangezogen werden könne, weil es keine ausreichende Bemaßung aufweise und die Darstellung der Lichteinfallslinien nicht nachvollziehbar sei.
11 Gegen diesen Bescheid erhoben die Revisionswerber Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (VwG) und stellten in einem einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Unter anderem wandten sich die Revisionswerber in der Beschwerde gegen die von DI H. angenommene mittlere Gebäudehöhe.
12 Das VwG wies die Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und führte begründend im Wesentlichen aus, Feststellungen hinsichtlich der abgeleiteten Bebauungsweise sowie der Bebauungshöhe wären nur insoweit erforderlich, als durch die behaupteten Abweichungen des Bauvorhabens von der Umgebung der Lichteinfall auf zulässige Hauptfenster am Nachbargrundstück beeinträchtigt wäre. Da Erhebungen hinsichtlich der Umgebung nicht erforderlich seien, wenn das neue Hauptgebäude der offenen Bebauungsweise sowie den Bauklassen I oder II entspreche und somit gegenständlich keine Abweichung hinsichtlich der Anordnung und der Höhe vorliege, sei eine Bebauung im Baulandbereich ohne Bebauungsplan bei Einhaltung der offenen Bebauungsweise und der Bauklassen I und II grundsätzlich immer zulässig. Die dem Grundstück der Revisionswerber zugewandte Wand überschreite nicht die in der Bauklasse II maximal zulässige Gebäudehöhe von 8 m. Die errechnete mittlere Gebäudehöhe beider Frontabschnitte des Bauvorhabens von 4,9 m im Nordosten und 6,49 m im Südosten sei nicht bestritten worden. Das Vorbringen der Revisionswerber, wonach nicht auf die fiktive mittlere Wandhöhe abzustellen sei, sondern vielmehr auf das konkrete Bauvorhaben, verkenne, dass die Begrenzung eines Giebels durch ein Krüppelwalmdach zulässig sei und die sich daraus ergebende Dachform bei der Berechnung der Giebelfront nicht berücksichtigt werde (wurde näher ausgeführt).
Der gesetzliche Mindestabstand zur Grundgrenze gemäß § 50 Abs. 1 NÖ BO 1996 im Ausmaß der halben Gebäudehöhe bzw. mindestens 3 m werde nicht eingehalten. Der Abstand bei dem 4,9 m hohen nordöstlichen Frontabschnitt betrage 2,73 m und bei dem 6,49 m hohen südöstlichen Frontabschnitt 2,77 m.
Die zulässige Lage von Hauptfenstern bei zukünftig bewilligungsfähigen Gebäuden auf dem Nachbargrundstück werde unter Beachtung von § 39 Abs. 4 und § 107 Abs. 4 NÖ Bautechnikverordnung 1997 von der maximal zulässigen Bebauung des Baugrundstückes bestimmt. Diese Bebauung sei für den freien Lichteinfall auf Hauptfenster künftig bewilligungsfähiger Gebäude auf dem Nachbargrundstück der Revisionswerber maßgeblich. Für ein der offenen Bebauungsweise und der Bauklasse II entsprechendes Gebäude auf dem Baugrundstück betrage die maximal zulässige Gebäudehöhe 8 m mit einem seitlichen Bauwich von 4 m, wobei im seitlichen Bauwich ein Nebengebäude mit einer Höhe von maximal 3 m errichtet werden könne.
Lege man an die maximal zulässige Bebauung auf dem Baugrundstück eine Ebene im Lichteinfallswinkel von 45 Grad, so ergebe die Schnittlinie "F" auf der im geringsten Abstand zur Grundstücksgrenze möglichen Gebäudefront eines zulässigen Gebäudes auf dem Grundstück der Revisionswerber jene Linie, ab der seine zukünftigen Hauptfenster bei Berücksichtigung der dafür "ungünstigsten" zulässigen Bebauung auf dem Baugrundstück grundsätzlich zulässig seien (es folgt eine Skizze). Liege also der im seitlichen Bauwich beantragte Teil des Bauvorhabens unterhalb der Ebene des Lichteinfallswinkels von 45 Grad, so erfolge keine Beeinträchtigung des freien Lichteinfalls auf zulässige Hauptfenster eines künftig bewilligungsfähigen Gebäudes der Revisionswerber (es folgt eine weitere Skizze).
Ragten Gebäudeteile des beantragten Bauvorhabens über diese Ebene des Lichteinfalles, wäre zu prüfen, ob der freie Lichteinfall bei einer seitlichen Verschwenkung bis höchstens 30 Grad des Lichteinfallswinkels von 45 Grad auf zukünftige bewilligungsfähige Gebäude der Revisionswerber gegeben wäre.
Bei der zulässigen Bebauung auf dem Baugrundstück mit einem 4 m von der Grundstückgrenze entfernten, 8 m hohen Gebäude ergebe sich der Schnittpunkt der Linie "F" mit der Grundgrenze auf einer Höhe von 4 m über dem Grundstücksniveau. Da sich die Schnittpunkte bei den verfahrensgegenständlich relevanten Gebäudefronten von 4,9 m Höhe in einem Abstand zur Grundgrenze von 2,73 m beziehungsweise von 6,49 m Höhe in einem Abstand von 2,77 m zur Grenze in einer Höhe von 2,17 m beziehungsweise 3,72 m ergäben, lägen diese deutlich unterhalb des jedenfalls zulässigen Schnittpunktes in einer Höhe von 4 m, weshalb eine Beeinträchtigung des Lichteinfalles auf zukünftig bewilligungsfähige Fenster der Revisionswerber nicht gegeben sei. Dies entspreche der hg. Rechtsprechung (Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 6. November 2013, Zl. 2010/05/0179), wonach die Zulässigkeit eines Gebäudeteiles im Bauwich anhand der an das höchstzulässige Gebäude an der Baufluchtlinie angelegten Ebene des Lichteinfallswinkels von 45 Grad beurteilt werden könne.
Auf Grund der nicht bestrittenen und bereits im Einreichplan ersichtlichen Gebäudehöhe sowie des Abstandes des Bauvorhabens zur Grundgrenze sei nicht auf die im Verfahren eingeholten Gutachten einzugehen.
Den Skizzen sei beispielhaft ein ebener Geländeverlauf sowohl am Bau- als auch am Nachbargrundstückstück zu Grunde gelegt worden. Bei Kenntnis des bestehenden beziehungsweise bewilligten Geländeniveaus auf dem Grundstück der Revisionswerber könne der Abstand der Linie "F" zu diesem Geländeniveau berechnet und eine konkrete Aussage getroffen werden, ab welcher Höhe von diesem Niveau die Revisionswerber berechtigt seien, Hauptfenster in einem zukünftig bewilligungsfähigen Gebäude unter Beachtung des Lichteinfallswinkels zu errichten.
Das von den Revisionswerbern ins Treffen geführte Gutachten des DI C. sei bereits deshalb nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen, weil es sich ausdrücklich auf eine nicht mehr anzuwendende Rechtslage stütze und den gesetzlich normierten Umgebungsbereich nicht erfasse.
Die Frage, ob die unbestrittene Unterschreitung des Bauwichs zur Wahrung des Charakters der Bebauung in Schutzzonen, erhaltungswürdigen Altortgebieten und zusammenhängend bedeutenden Ortsgebieten erforderlich sei, betreffe kein subjektivöffentliches Recht der Revisionswerber.
Die öffentliche mündliche Verhandlung habe gemäß § 44 Abs. 4 VwGVG unterbleiben können, weil sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt aus den Akten ergebe und der Beschwerdefall in rechtlicher Hinsicht durch die Rechtslage und die bisherige Rechtsprechung geklärt sei, wobei zur Lösung von Rechtsfragen keine Verhandlung geboten sei und eine solche auf Grund der ausschließlich zu klärenden Rechtsfragen eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lasse.
13 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, es kostenpflichtig aufzuheben.
14 Das VwG legte die Akten des Verfahrens vor. 15 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete
eine Revisionsbeantwortung.
16 Die mitbeteiligten Parteien erstatteten ebenfalls eine Revisionsbeantwortung und beantragten die kostenpflichtige Abweisung der Revision.
17 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Revision erweist sich in Ansehung der Frage der Zulässigkeit des Entfalles der mündlichen Verhandlung als zulässig. Sie ist auch begründet.
Die gemäß § 70 Abs. 1 1. Satz NÖ Bauordnung 2014, LGBl. Nr. 1/2015, idF LGBl. Nr. 89/2015 auf das gegenständliche Verfahren weiterhin anzuwendende
NÖ BO 1996, LGBl. Nr. 8200-0, in der nunmehr maßgebenden
Fassung LGBl. Nr. 8200-23 lautet auszugsweise:
"§ 6
Parteien, Nachbarn und Beteiligte
(1) In Baubewilligungsverfahren und baupolizeilichen Verfahren nach § 32, § 33 Abs. 2, § 34 Abs. 4 und § 35 haben Parteistellung:
...
3. die Eigentümer der Grundstücke, die an das Baugrundstück
angrenzen oder von diesem durch dazwischen liegende Grundflächen mit einer Gesamtbreite bis zu 14 m (z. B. schmale Grundstücke, Verkehrsflächen, Gewässer, Grüngürtel) getrennt sind (Nachbarn), ...
Nachbarn sind nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauvorhaben bzw. das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt sind.
...
(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die ...
gewährleisten und über
3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die
Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung auf Hauptfenster (§ 4 Z 11) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen.
..."
"§ 54
Bauwerke im Baulandbereich ohne Bebauungsplan
(1) Ein Neu- oder Zubau eines Hauptgebäudes ist auf einem als Bauland, ausgenommen Bauland-Industriegebiet, gewidmeten Grundstück, für das kein Bebauungsplan gilt oder dieser keine Festlegung der Bebauungsweise oder -höhe enthält, nur zulässig, wenn es in seiner Anordnung auf dem Grundstück oder in seiner Höhe (Bauklasse) von den in seiner Umgebung bewilligten Hauptgebäuden nicht abweicht.
Die Umgebung umfasst einschließlich des Baugrundstücks alle Grundstücke im Bauland, ausgenommen Bauland-Industriegebiet, die vom Baugrundstück aus zur Gänze innerhalb einer Entfernung von 100 m liegen.
Eine Abweichung hinsichtlich der Anordnung oder Höhe liegt dann vor, wenn das neue oder abgeänderte Hauptgebäude nicht der auf dem Baugrundstück bereits bewilligten Bebauungsweise und Bebauungshöhe (Bauklasse) oder nicht jener Bebauungsweise und Bebauungshöhe (Bauklasse) entspricht, die von der Anordnung und der Höhe der Hauptgebäude in der Umgebung abgeleitet wird und die mehrheitlich in der Umgebung vorhanden ist. Neben der abgeleiteten Bauklasse darf auch die nächst niedrigere gewählt werden. Entspricht das neue oder abgeänderte Hauptgebäude der offenen Bebauungsweise und den Bauklassen I und II, liegt unbeschadet des Abs. 4 eine Abweichung hinsichtlich der Anordnung und der Höhe jedenfalls nicht vor. Erhebungen in der Umgebung hinsichtlich der Anordnung und Höhe sind diesfalls nicht erforderlich.
...
(3) Für Hauptgebäude und andere Bauwerke gelten - nach der Feststellung der durch die bewilligten Hauptgebäude gemäß Abs. 1 und 2 abgeleiteten Bebauungsweise und abgeleiteten Bauklasse - dieselben Bestimmungen dieses Gesetzes wie für Hauptgebäude und Bauwerke, die im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegen, sinngemäß, wobei diese den Lichteinfall unter 45 Grad auf bewilligte Hauptfenster auf den Nachbargrundstücken nicht beeinträchtigen dürfen.
(4) Zur Wahrung des Charakters der Bebauung darf von den Absätzen 1 bis 3 abgewichen werden, wenn dagegen keine brandschutztechnischen Bedenken bestehen und der Lichteinfall unter 45 Grad auf bewilligte Hauptfenster auf den Nachbargrundstücken nicht beeinträchtigt wird.
..."
§ 24 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, lautet:
"Verhandlung
§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende
Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
(3) Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
(5) Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden."
18 Die Revisionswerber bringen im Wesentlichen vor, bei der skizzenhaften Darstellung der möglichen Bebauung und deren Auswirkung auf den Lichteinfall auf das Grundstück der Revisionswerber stelle das VwG keinen grafischen Vergleich mit der tatsächlichen Bebauung an, wobei der Skizze nicht entnommen werden könne, ob bei den angeführten theoretischen Gebäudehöhen die mittlere Gebäudehöhe oder die tatsächlich größte Höhe herangezogen worden sei.
Weiters sei die rechtmäßig bestehende unterschiedliche Höhenlage der beiden Liegenschaften nicht berücksichtigt worden. Laut dem Gutachten des DI C. sei weder das Gelände des Baugrundstückes noch jenes der Revisionswerber eben, sondern nach Süden abfallend. Somit seien die vom VwG getroffenen Sachverhaltsannahmen unzutreffend. Es könne nur bei Berücksichtigung des bestehenden Geländeniveaus eine konkrete Aussage getroffen werden, ab welcher Höhe des Bauvorhabens die Revisionswerber Hauptfenster errichten könnten, ohne dass der freie Lichteinfall unter 45 Grad beeinträchtigt wäre. Die skizzenhaften Darstellungen im angefochtenen Erkenntnis seien unvollständig und keiner Überprüfung zugänglich. Auch eine vom VwG angesprochene Verschwenkung des Lichteinfallswinkels bis höchstens 30 Grad wäre nur unter Beiziehung eines bautechnischen Sachverständigen beurteilbar.
Das VwG habe anstelle des erforderlichen Einholens eines Sachverständigengutachtens selbst eine Beurteilung vorgenommen und wäre bei Einholung eines solchen zur Abweisung des Bauansuchens gekommen.
Entgegen den Ausführungen des VwG hätten die Revisionswerber die Feststellungen zur Gebäudehöhe und zum Abstand zur Grundgrenze anhand des Gutachtens von DI C. beanstandet.
Die Ansicht des VwG, wonach die gutachterliche Stellungnahme des DI C. auf Grund der mangelnden Ausführungen zum 100 m Umgebungsbereich und der dieser zu Grunde liegenden, nicht mehr anzuwendenden Rechtsgrundlage unbeachtlich sei, sei unzutreffend, da die nunmehr gemäß § 54 Abs. 1 NÖ BO 1996 durchzuführende Prüfung des Umgebungsbereiches für die Beurteilung der Beeinträchtigung des Lichteinfalles nicht von Relevanz sei und sich die Rechtslage hinsichtlich des maßgeblichen Lichteinfalles nicht geändert habe.
Der erforderliche Seitenabstand von der halben Gebäudehöhe bzw. mindestens 3 m könne nicht aus § 50 NÖ BO 1996 abgeleitet werden, weil diese Norm auf den Geltungsbereich eines Bebauungsplanes abstelle, der jedoch nicht vorliege (Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 29. April 2015, Zl. 2013/05/0004).
Das VwG habe sich nicht der Beweiswürdigung der Verwaltungsbehörde angeschlossen, sondern sich darüber hinausgehend auf weitere Aspekte bezüglich des Lichteinfalles gestützt und somit die tragenden Erwägungen der Behörde nicht bloß unwesentlich ergänzt. Zur Gewährung des Parteiengehörs wäre demnach mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen. Weiters stütze sich das VwG unzutreffend auf § 44 Abs. 4 VwGVG statt auf § 24 Abs. 4 VwGVG.
19 Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann eine mündliche Verhandlung ungeachtet eines Parteienantrages unterbleiben, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) entgegenstehen. Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist daher grundsätzlich durchzuführen, wenn es um "civil rights" im Sinn des Art. 6 EMRK geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird. Nachbarrechte im Baubewilligungsverfahren sind als "civil rights" anzusehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 2015, Zl. Ro 2015/05/0004).
20 Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenen Vorbringen der Revisionswerber vor dem VwG durchzuführen. Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG durchzuführen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. November 2016, Zl. Ra 2016/05/0014, mwN). Das VwG darf in seine rechtliche Würdigung keine Sachverhaltselemente einbeziehen, die der Partei nicht bekannt waren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. März 2016, Zl. Ra 2014/05/0038, mwN).
Gegenständlich haben die Revisionswerber mittels Vorlage eines Sachverständigengutachtens ein konkretes Vorbringen zur Belichtung zulässiger Hauptfenster getätigt und sich unter Bezugnahme darauf wiederholt gegen die Feststellungen des Amtssachverständigen gewandt. Weiters hat das VwG eine abweichende Beweiswürdigung vorgenommen beziehungsweise die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses im Wesentlichen auf eigene Ausführungen zur zulässigen Bebauung des Baugrundstückes und der Liegenschaft der Revisionswerber gestützt. Das VwG hätte demnach nicht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen dürfen.
Darüber hinaus ist Folgendes zu bemerken:
21 Gemäß § 54 Abs. 3 NÖ BO 1996 iVm § 6 Abs. 2 Z 3 NÖ BO 1996 kommt eine Verletzung der Nachbarrechte in Frage, wenn durch eine Verletzung der Regelung betreffend die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich und die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe der Lichteinfall im Sinn des § 6 Abs. 2 Z 3 NÖ BO 1996 für Hauptfenster der zulässigen (bestehenden bewilligten und zukünftig bewilligungsfähigen) Gebäude der Nachbarn beeinträchtigt wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2016, Zl. 2013/05/0200, mwN).
22 Bei der Prüfung der Gewährleistung des gesetzlichen Lichteinfalles ist die Höhe der tiefstgelegenen Hauptfenster bewilligter und zukünftig bewilligungsfähiger Gebäude des Nachbarn festzustellen, wobei das geplante Bauvorhaben dabei nicht zu berücksichtigen ist (vgl. das zitierte hg. Vorerkenntnis vom 15. Mai 2012, mwN). In Bezug auf zukünftig bewilligungsfähige Gebäude des Nachbarn ist zu klären, welche Hauptfenster auf dem Nachbargrundstück zulässig sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. September 2015, Zl. 2013/05/0096). Dem VwG ist Recht zu geben, dass dabei auch die maximale Bebauung der an das Nachbargrundstück angrenzenden Grundstücke (wie hier des Baugrundstückes) bedeutsam ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2008, Zl. 2007/05/0250; in diesem Zusammenhang wird bemerkt, dass das in der Revision genannte hg. Erkenntnis vom 29. April 2015, Zl. 2013/05/0004, betreffend den Seitenabstand, zur hier nicht mehr maßgebenden vormaligen Fassung des § 54 NÖ BO 1996 ergangen ist - vgl. nunmehr für die iSd § 54 NÖ BO 1996 abgeleiteten Bebauungsweisen hingegen das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 2014, Zl. 2012/05/0101). Dabei kommt es aber im Hinblick auf die Gebäudehöhe auch auf den konkreten, rechtmäßigen Geländeverlauf an (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2008 und § 53 NÖ BO 1996). In einem weiteren Schritt ist zu prüfen, ob das jetzt gegenständliche Bauvorhaben den gesetzlichen Lichteinfall auf diese (fiktiven) Hauptfenster des Nachbarn beeinträchtigt. Dies alles ist von einem Sachverständigen nachvollziehbar begründet darzustellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. September 2010, Zl. 2008/05/0262).
23 Das VwG hat sich nicht auf ein Sachverständigengutachten gestützt und sich mit den im Akt befindlichen Sachverständigengutachten nicht auseinandergesetzt, sondern eigene Berechnungen angestellt, bei denen der konkrete, rechtmäßige Geländeverlauf aber offen blieb und eine mittlere Gebäudehöhe als "unbestritten" angesehen wurde, was im Hinblick auf die im Akt befindlichen Sachverständigengutachten und das Beschwerdevorbringen ohne nähere Begründung jedoch nicht nachvollziehbar erscheint (bemerkt wird, dass bezüglich des Lichteinfalles auf Nachbarfenster im Zusammenhang mit dem konkreten Bauvorhaben keine relevante Rechtsänderung eingetreten ist, die eine Befassung mit dem Gutachten des DI C. insoweit obsolet machte). Außerdem findet das hier gegenständliche Bauvorhaben in den Skizzen des VwG keinen Niederschlag, sodass diese nicht ausreichend aussagekräftig sind.
24 Das angefochtene Erkenntnis war aus den genannten Gründen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
25 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG Abstand genommen werden.
26 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF Nr. 8/2014.
Wien, am 16. Februar 2017
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