VwGH Ra 2016/01/0166

VwGHRa 2016/01/01665.12.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Fasching und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision des A P N in L, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. April 2016, Zl. W105 2120645- 1/2E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 1997 §13 Abs2;
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
BFA-VG 2014 §9 Abs2;
BFA-VG 2014 §9;
FrPolG 2005 §52;
FrPolG 2005 §53;
MRK Art8;
VwGVG 2014 §24;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe:

1 Dem Revisionsweber, einem Staatsangehörigen Ruandas, wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes (nunmehr Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA)) vom 20. Mai 1997 aufgrund seines Asylausdehnungsantrages vom 7. Februar 1997 in Bezug auf seinen Adoptivvater gemäß § 4 Asylgesetz 1991 Asyl gewährt.

2 Nachdem der unter anderem wegen Raub, Einbruchsdiebstahl und Körperverletzungsdelikten vierfach vorbestrafte Revisionswerber mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Linz vom 3. November 2009 wegen des Verbrechens des schweren (bewaffneten) Raubs nach den §§ 142 Abs. 1 und 143 2. Fall StGB idF BGBl. I Nr. 134/2002, der Vergehen der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB, des Diebstahls nach § 127 StGB und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitstrafe von sieben Jahren verurteilt und nach Verbüßung einer Strafhaft von fünf Jahren und zehn Monaten mit Beschluss des Landesgerichtes Steyr vom 21. Mai 2015 am 27. Juli 2015 aus der Strafhaft bedingt entlassen wurde, wurde dem Revisionswerber mit Bescheid des BFA vom 21. Dezember 2015 der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) aberkannt; gemäß § 7 Abs. 4 leg. cit. festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme; gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt; ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt; gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) eine Rückkehrentscheidung erlassen; gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Ruanda zulässig sei; gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise gesetzt.

3 Begründend führte das BFA zu den Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 aus, dass diese im Hinblick auf die rechtskräftige Verurteilung des Revisionswerbers wegen bewaffnetes Raubes somit wegen eines schweren Verbrechens iSd § 6 Abs 1 Z 4 AsylG 2005 und einer sich aus der konkreten Tatbegehung (Bedrohung des Opfers mit einem Küchenmesser mit einer ca. 16 bis 18 cm langen Klinge) sowie den Erschwernisgründen selbst unter Bedachtnahme auf das mildernd gewertete Geständnis ergebenden Gemeingefährlichkeit vorlägen. Eine günstige Zukunftsprognose könne angesichts der vom Revisionswerber ausgeübten Gewalt, der mehrfachen Begehung von Straftaten und dem Umstand, dass das nach der ersten Verurteilung wegen Raubs verspürte Haftübel, den Revisionswerber nicht von der Begehung weiterer Straftaten habe abhalten können, nicht getroffen werden.

Die Lage in Ruanda habe sich insofern politisch und wirtschaftlich gebessert, als für einen jungen, gesunden, arbeits- und anpassungsfähigen, nicht vulnerablen Menschen wie den Revisionswerber keine existenzbedrohende Notlage im Falle seiner Rückkehr bestehe. Dem Revisionswerber sei daher nicht der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen.

Der Revisionswerber stehe zu seinen in Österreich lebenden Verwandten (seiner Adoptivmutter sowie seine Adoptivschwestern) in keinem Abhängigkeitsverhältnis und lebe mit ihnen nicht im gemeinsamen Haushalt. Obwohl der Revisionswerber einen Großteil seines Lebens in Österreich verbracht und hier einen großen Freundeskreis habe, sei die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK nicht geboten, weil er trotz verspürten Haftübels und der Abweisung seines Antrags auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft wegen seiner strafgerichtlichen Verurteilungen immer wieder straffällig geworden sei und weder seine Familie, noch sein großer Freundeskreis ihn von der Begehung weiterer Straftaten habe abhalten können. Eine positive Zukunftsprognose könne auch wegen seiner Drogenabhängigkeit nicht gestellt werden. Der Revisionswerber habe zwar eine Drogentherapie begonnen. Die Rückfallquote sei jedoch bei Drogensucht sehr hoch. Ebenso könnte er wegen seiner Vermögenssituation gezwungen sein, erneut straffällig zu werden. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen komme daher nicht in Betracht. Mangels existenzbedrohender Gefährdung lägen die Voraussetzungen gemäß § 52 Abs. 9 FPG für die mit der Rückkehrentscheidung zu treffenden Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Revisionswerbers nach Ruanda vor.

Schließlich seien die Voraussetzungen für ein unbefristetes Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 3 Z 5 FPG im Hinblick auf die rechtskräftige Verurteilung des Revisionswerbers zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und die sich aus der konkreten Tatbegehung, der wiederholten Straffälligkeit trotz verspürten Haftübels, der aufgrund der finanziellen Situation des Revisionswerbers und seiner Suchtmittelabhängigkeit begründeten Gefahr der Begehung weiterer Straftaten sowie aus seinem Gesamtverhalten, das kein Interesse, die Gesetze Österreichs zu respektieren, zeige, ergebenden Gefährlichkeitsprognose gegeben.

4 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) und brachte vor, er stelle trotz seiner Verurteilung wegen schweren Raubs keine Gefahr für die Gemeinschaft dar. Er habe sich während seiner Haft einer Drogentherapie unterzogen und grundlegend geändert. Seit seiner bedingten Haftentlassung gehe er einer Beschäftigung nach und nehme die Bewährungshilfe engagiert wahr. Aufgrund dessen und dem Umstand einer drohenden Haftstrafe bei einer neuerlichen Verurteilung sei eine günstige Zukunftsprognose zu treffen.

Überdies würde eine Abschiebung nach Ruanda eine Verletzung der Art. 2 und 3 EMRK sowie des Rechts auf Achtung seines Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK bedeuten, weil er seit 1997 in Österreich aufhältig sei, seine gesamte Schullaufbahn einschließlich der Lehrabschlussprüfung hier absolviert habe, im Gegensatz zu Ruanda in Österreich seine familiären Bindungen habe, während er in Ruanda über kein soziales Netzwerk verfüge und nicht mehr die dortige Landessprache spreche.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG die Beschwerde des Revisionswerbers - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6 Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, der Revisionswerber sei bereits 2004 im Alter von 16 Jahren wegen Raubes und anderer strafbarer Handlungen, zuletzt 2009 unter anderem wegen schweren Raubes (Überfall auf ein Wettbüro mit einem Messer) jeweils zu einer Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden. Neben Vermögendelikten (Raub, schwerer Raub, Diebstahl und Einbruchsdiebstahl) habe er auch Delikte gegen Leib und Leben (Körperverletzung, schwere Körperverletzung sowie absichtlich schwere Körperverletzung) über einen mehrjährigen Zeitraum hinweg begangen. Dabei handle es sich um die Verletzung objektiv besonders wichtiger Lebensgüter. In solch gravierenden Fällen verübter Straftaten wie vorliegend sei es zulässig, bereits ohne umfassende Prüfung aller einzelnen Tatumstände, eine eindeutige Wertung als schweres Verbrechen mit negativer Zukunftsprognose vorzunehmen.

Der Revisionswerber sei als gemeingefährlich anzusehen, weil er viele Straftaten innerhalb mehrerer Jahre wiederholt begangen habe. Trotz seiner Verurteilung wegen Raubes und anderer strafbarer Handlungen habe er keine Einsicht gezeigt und zahlreiche weitere Straftaten verübt. Allein die Tatsache der bedingten Entlassung aus der Strafhaft nach fünf Jahren und zehn Monaten sei nicht mit einer positiven Zukunftsprognose gleichzusetzen. Es könne nicht prognostiziert werden, dass sich der Revisionswerber in Zukunft wohlverhalten bzw. nicht wieder straffällig werde.

Der Revisionswerber habe weder im Verfahren über seinen Asylausdehnungsantrag, noch im Asylaberkennungsverfahren asylrelevante Gründe vorgebracht. Er habe seine ersten neun Lebensjahre in Ruanda verbracht und dort ein Jahr die Volksschule besucht. Die dort herrschenden Gepflogenheiten seien ihm sohin nicht fremd. Angesichts des von ihm erlernten Handwerksberufs des Schlossers sei für ihn als jungen, gesunden Erwachsenen eine volle Teilnahme am Erwerbsleben in Ruanda möglich. Überdies könne er diverse Hilfstätigkeiten verrichten, um sich den notwendigen Unterhalt in Ruanda zu finanzieren. Letztlich könne er sich auch ohne familiären Rückhalt durch Inanspruchnahme der staatlich angebotenen Rückkehrhilfe eine neue Existenz in Ruanda aufbauen und sich nach Bedarf auch an dort karitativ tätige Organisationen wenden. Die politische Situation sowie die Sicherheitslage in Ruanda seien relativ stabil. Der Revisionswerber habe schließlich keinerlei substanzielle Gründe für das Vorliegen eines Abschiebehindernisses iSd Art 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG 2005 dargetan.

Insgesamt sei der Grad der sozialen Integration in Österreich als schwach anzusehen. Nach einer Gesamtabwägung würden die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet überwiegen und daher die angeordnete Rückkehrentscheidung Art. 8 EMRK nicht verletzen.

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 53 Abs. 1 und 3 Z 5 FPG für die Erlassung eines unbefristeten Einreiseverbotes seien erfüllt, weshalb der erstbehördliche Bescheid auch in diesem Punkt zu bestätigen gewesen sei.

7 Mit Beschluss vom 9. Juni 2016, E 988/2016-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde ab und trat die Beschwerde über nachträglichen Antrag iSd § 87 Abs. 3 VfGG gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG mit weiterem Beschluss vom 7. Juli 2016, E 988/20167, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

8 In der daraufhin erhobenen außerordentlichen Revision beantragte der Revisionswerber über die Revision in der Sache zu entscheiden, allenfalls das angefochtene Erkenntnis als rechtwidrig aufzuheben.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 Nach § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden von Amts wegen der Status des Asylberechtigten abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 AsylG 2005 vorliegt. Ein solcher ist nach § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 gegeben, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet.

13 Nach der zu § 13 Abs. 2 zweiter Fall Asylgesetz 1997 - der dem hier maßgeblichen § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 entspricht - ergangenen und für die geltende Rechtslage weiterhin wesentlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs müssen für die Anwendung dieses Asylausschlussgrundes vier Voraussetzungen erfüllt sein: Der Fremde muss erstens ein besonders schweres Verbrechen begangen haben, dafür zweitens rechtskräftig verurteilt worden und drittens gemeingefährlich sein, und schließlich müssen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung seine Interessen am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen (vgl. das bereits zum Asylgesetz 2005 ergangene hg. Erkenntnis vom 23.9.2009, 2006/01/0626, mwN).

14 Entsprechend den Erläuterungen zu § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 (RV 952 BlgNR XXII. GP , 36) ist ein bewaffneter Raub typischerweise ein "schweres Verbrechen". Die Revision wendet sich auch nicht gegen die Qualifikation des vom Revisionswerber begangenen, bewaffneten Raubes als "besonders schweres Verbrechen" iSd § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005, weswegen er (in Verbindung mit weiteren drei Vergehen), zu einer Freiheitstrafe von sieben Jahren rechtskräftig verurteilt wurde.

15 Vielmehr richtet sich der Revisionswerber im Zulässigkeitsvorbringen gegen die Annahme des Erfordernisses der Gemeingefährlichkeit wegen der wiederholten Begehung von Straftaten innerhalb eines Zeitraums von mehreren Jahren. Die rechtskräftige Verurteilung wegen eines besonders schweren Verbrechens ziehe nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegen der Ansicht des BVwG in der angefochtenen Entscheidung nicht zwangsläufig nach sich, dass der Betreffende eine qualifizierte Gefahr darstelle. Es bedürfe einer entsprechenden Zukunftsprognose unter Berücksichtigung der näheren Umstände der Tat, seines Gesamtverhaltens seit der Begehung der strafbaren Handlung einschließlich des Verhaltens während der Haft. Konkret hätte das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang beachten müssen, dass er während der Haft eine Drogentherapie absolviert habe und bereits einer Arbeit nachgegangen sei, er auch jetzt einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehe, die im Zuge der bedingten Haftentlassung angeordneten Weisungen einhalte und die angeordnete Bewährungshilfe engagiert wahrnehme. Unter Berücksichtigung dieses Verhaltens ergebe sich eine günstige Zukunftsprognose.

Aufgrund der unterbliebenen mündlichen Verhandlung sei der für die Zukunftsprognose und die Interessenabwägung relevante Sachverhalt vom Verwaltungsgericht nicht vollständig erhoben worden. Das Verwaltungsgericht habe von einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen, obwohl die nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung für ein Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung erforderlichen Voraussetzungen konkret nicht vorgelegen seien. Schließlich sei eine mündliche Verhandlung auch deshalb unerlässlich gewesen, um sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffen zu können.

16 Mit diesen Ausführungen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

17 Die jeweils unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Gefährdungsprognose und Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK sind im Allgemeinen, wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgen und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen werden, nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. etwa zur Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK zuletzt VwGH 3.10.2017, Ra 2017/01/0288). Dies ist hier der Fall.

18 Das BVwG gründete seine Gefährlichkeitsprognose nicht ausschließlich auf die rechtskräftige Verurteilung des Revisionswerbers zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe wegen bewaffneten Raubs und der Verwirklichung dreier Vergehen, sondern überdies im Wesentlichen auf die vier früheren gerichtlichen Verurteilungen wegen Vermögensdelikten und Delikten gegen Leib und Leben im maßgeblichen Ausmaß jeweils zu Freiheitsstrafen, die den Revisionswerber jedoch nicht davon abhalten konnten, eine noch gravierendere Straftat zu begehen. Schon angesichts dessen, dass selbst das Verspüren des Haftübels und die Verhängung mehrerer bedingter Freiheitsstrafen den Revisionswerber nicht von der Begehung eines "besonders schweren Verbrechens" iSd § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 abhalten konnte, ist die Gefährlichkeitsprognose des BVwG, die im Gegensatz dazu dem vom Revisionswerber behaupteten positiven Verhalten während und nach der Haft im konkreten Fall keine entscheidende Bedeutung beimaß, nicht zu beanstanden.

19 Soweit der Revisionswerber in diesem Zusammenhang auf eine während der Haft absolvierte Drogentherapie sowie auf die Einhaltung der im Zuge der bedingten Entlassung erteilten Weisungen und die Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach seiner Haft verweist, kommt es nicht nur darauf an, dass der Betreffende eine Therapie (erfolgreich) absolviert hat und sich nach der Haftentlassung wohlverhält, sondern auch auf die Dauer des Wohlverhaltens - nach dem Vollzug der Haftstrafe - in Freiheit (vgl. VwGH 26.1.2017, Ra 2016/21/0233 mwN). Dass das BVwG im Entscheidungszeitpunkt nicht ganz zehn Monate nach der bedingten Haftentlassung des Revisionswerbers angesichts seiner wiederholten Delinquenz zu keiner positiven Zukunftsprognose gelangte, erweist sich nicht als unvertretbar.

20 Im konkreten Einzelfall vermag somit der Hinweis des Revisionswerbers auf dessen Wohlverhalten während der letzten Strafhaft und nach seiner Haftentlassung angesichts der wiederholten Delinquenz über einen mehrjährigen Zeitraum und der Begehung eines bewaffneten Raubes, somit eines "besonders schweren Verbrechens", trotz zuvor bereits verspürten Haftübels und der wiederholten Verhängung bedingter Freiheitsstrafen die Beurteilung seines Gesamtverhaltens und darauf aufbauend die Gefährdungsprognose des BVwG nicht entscheidungswesentlich zu erschüttern.

21 Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar wiederholt darauf hingewiesen, dass bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen komme der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände besondere Bedeutung zu (vgl. VwGH 26.1.2017, Ra 2016/21/0233, mwN). Daraus ist aber noch keine "absolute" (generelle) Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über die Aberkennung des Status des Asylberechtigten und aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. Gemäß dem auch im vorliegenden Fall in Betracht zu ziehenden § 21 Abs. 7 BFA-VG kann - trotz Vorliegens eines diesbezüglichen Antrags - (ausnahmsweise) von der Durchführung einer Verhandlung unter anderem dann abgesehen werden, wenn der Sachverhalt - wie hier - aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt scheint (vgl. etwa VwGH 10.08.2017, Ra 2016/20/0105, 0106, mwN).

22 Der Revisionswerber zeigt daher im Zulässigkeitsvorbringen im Zusammenhang mit der behaupteten Verletzung der Verhandlungspflicht keinen wesentlichen Verfahrensmangel auf. Mit der dargelegten wiederholten Straffälligkeit des Revisionswerbers begründete das BFA auch die Erlassung eines unbefristeten Einreiseverbots gemäß § 53 Abs. 1 und 3 Z 5 FPG. Der dagegen erhobenen Beschwerde, die unter Hinweis auf den langjährigen Aufenthalt des Revisionswerbers in Österreich, seine hier absolvierte Schullaufbahn, seine familiären Bindungen in Österreich, der sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigung nach seiner Haftentlassung, seinen großen Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich und seine nicht vorhandenen Bindungen zu seinem Herkunftsstaat die

Begründung

Interessenabwägung des BFA bekämpfte, folgte das BVwG mit der

23 Z 5 FPG erfüllt seien, nicht. Auch die Bestätigung der Gefährdungsprognose des BFA erweist sich angesichts der wiederholten teils gravierenden Straffälligkeit des Revisionswerbers als nicht unvertretbar. Der Revisionswerber vermag daher mit dem behaupteten Fehlen hinreichender Sachverhaltsfeststellungen sowie einer entsprechenden Beweiswürdigung und rechtlichen Beurteilung in Bezug auf die Bestätigung des gemäß § 53 Abs. 1 und 3 Z 5 FPG unbefristet erlassenen Einreiseverbots durch das BVwG ebenfalls keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen.

24 Die Revision erweist sich somit insgesamt mangels Darlegung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG in ihrer Zulässigkeitsbegründung als unzulässig. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen. Wien, am 5. Dezember 2017

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