VwGH Ra 2015/20/0218

VwGHRa 2015/20/021815.10.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofräte Mag. Eder und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Ortner, in den Rechtssachen der Revisionen 1. des E H (prot. zur hg. Zl. Ra 2015/20/0218), 2. der Ü H (prot. zur hg. Zl. Ra 2015/20/0219), 3. des R E H (prot. zur hg. Zl. Ra 2015/20/0220), 4. des H E H (prot. zur hg. Zl. Ra 2015/20/0221), alle in G, alle vertreten durch die Kocher & Bucher Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. August 2015, Zlen. L518 1438461- 2/36E (zu 1.), L518 1438462-2/26E (zu 2.), L518 1438463- 2/24E (zu 3.) und L518 2010271-1/24E (zu 4.), jeweils betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG, den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3 Abs1;
AsylG 2005;
B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §52;
FrPolG 2005;
EMRK Art3;
EMRK Art8;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AsylG 2005;
B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §52;
FrPolG 2005;
EMRK Art3;
EMRK Art8;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

In den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG bei einer außerordentlichen Revision gesondert vorzubringenden Gründen ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte. In diesem Zusammenhang reicht es nicht aus, Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes der Zahl nach zu zitieren (vgl. den hg. Beschluss vom 21. November 2014, Ra 2014/02/0114, mwN).

Soweit in den in den Revisionen vorgebrachten Gründen nach § 28 Abs. 3 VwGG bloß allgemein ein Abweichen von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behauptet wird, zeigen die Revisionswerber in den gegenständlichen Fällen nicht konkret bezogen auf die vorliegenden Revisionssachen auf, welche Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung bei einer Entscheidung über die Revisionen zu lösen wäre (vgl. den hg. Beschluss vom 26. November 2014, Ra 2014/19/0117, mwN).

Im Übrigen wird die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes bekämpft. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten, dass sich das Revisionsmodell nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren soll. Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 24. März 2014, Ro 2014/01/0011).

Entgegen der Ansicht der Revisionswerber kann die vom Bundesverwaltungsgericht in den gegenständlichen Fällen nach Durchführung einer Verhandlung erfolgte einzelfallbezogene Beurteilung nicht als unschlüssig oder nicht nachvollziehbar angesehen werden.

Wenn die Revisionswerber noch (allerdings auch insoweit im Vorbringen zur Zulässigkeit der Revisionen bloß pauschal und unsubstantiiert gehalten) behaupten, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Art. 3 und 8 EMRK abgewichen, ist auszuführen, dass nach dieser Rechtsprechung im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaats gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 28. April 2010, 2008/19/0139 bis 0143, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof erkennt ferner in seiner ständigen Rechtsprechung, dass bei der Beurteilung, ob im Fall der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben des oder der Fremden eingegriffen wird, eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt. Bei dieser Abwägung kommt auch dem Umstand Bedeutung zu, dass eine medizinische Behandlung in Österreich vorgenommen wird, die im Einzelfall zu einer maßgeblichen Verstärkung des persönlichen Interesses an einem Verbleib in Österreich führen kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. April 2015, Ra 2014/18/0146 bis 0152, mwN). Auch nach der auf Art. 8 EMRK abstellenden (aus der Rechtsprechung des EGMR übernommenen) Judikatur des Verwaltungsgerichtshof hat im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in seinem aktuellen Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, fällt nicht entscheidend ins Gewicht, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielland gibt. Der Verwaltungsgerichtshof hat diesbezüglich auch schon festgehalten, dass es einem Fremden obliegt, substantiiert darzulegen, auf Grund welcher Umstände eine bestimmte medizinische Behandlung für ihn notwendig sei und dass diese nur in Österreich erfolgen könnte. Denn nur dann wäre ein sich daraus (allenfalls) ergebendes privates Interesse im Sinn des Art. 8 EMRK an einem Verbleib in Österreich - auch in seinem Gewicht - beurteilbar (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 30. Juli 2015, Ra 2014/22/0055 bis 0058, vom 17. April 2013, 2013/22/0068, und vom 13. September 2011, 2010/22/0003). In Bezug auf die Behauptung der Notwendigkeit einer medizinischen Behandlung haben die für die Beurteilung nach Art. 3 EMRK maßgeblichen Kriterien grundsätzlich auch in die Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK einzufließen (vgl. nochmals das bereits erwähnte Erkenntnis vom 13. September 2011).

Dass das Bundesverwaltungsgericht in den gegenständlichen Fällen bei seiner Beurteilung von dieser Rechtsprechung abgewichen wäre, vermögen die Revisionen nicht aufzuzeigen.

In den Revisionen werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 15. Oktober 2015

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