Normen
ABGB §427;
MSG Wr 2010 §12 Abs1;
MSG Wr 2010 §12 Abs2 Z2;
MSG Wr 2010 §24;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ABGB §427;
MSG Wr 2010 §12 Abs1;
MSG Wr 2010 §12 Abs2 Z2;
MSG Wr 2010 §24;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Land Wien hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 30. Oktober 2014 verpflichtete das Verwaltungsgericht Wien den Revisionswerber gemäß § 24 Wiener Mindestsicherungsgesetz - WMG im Instanzenzug zum Ersatz von EUR 18.568,20 für im Zeitraum vom 1. Jänner 2012 bis 30. September 2013 aufgewendete Kosten für Leistungen der Mindestsicherung. Darüber hinaus sprach es aus, dass gegen das Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber beziehe eine Dauerleistung nach dem WMG. Im Rückforderungszeitraum vom 1. Jänner 2012 bis 30. September 2013 sei dem Revisionswerber insgesamt ein Betrag von EUR 18.734,10 angewiesen worden.
Am 14. Jänner 2014 sei auf dem Konto der Mutter des Revisionswerbers, S.H., ein Betrag von EUR 21.887,90 als Nachzahlung der Familienbeihilfe zuzüglich Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum Dezember 2008 bis Dezember 2013 gutgeschrieben worden; diesen Betrag habe S.H. "zunächst auf zwei dem (Revisionswerber) zugedachte, mit einem dem (Revisionswerber) auch bekannten Losungswort gesicherten Sparbüchern für ihren Sohn einbezahlt, welche sie für ihn aufbewahrt" habe.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Vorschriften der Sozialhilfegesetze der Länder über die Heranziehung des Vermögens bei der Vorschreibung eines Kostenbeitrages zu den Kosten der Sozialhilfe seien Ersparnisse als Vermögen des Hilfeempfängers zu behandeln, wobei es nicht maßgeblich sei, aus welchen Quellen die Ersparnisse gebildet würden. Auch wenn die Ersparnisse aus Einkommensteilen gebildet würden, die bei der Gewährung von Sozialhilfe außer Ansatz zu bleiben hätten, seien sie als Vermögen im Sinne der Regelungen über die Heranziehung des Vermögens bei der Leistung von Kostenersatz anzusehen. Im gleichen Sinne habe der Verwaltungsgerichtshof auch für ein aus der Nachzahlung von Familienbeihilfe entstandenes Vermögen erkannt, dass dieses die Grundlage für einen Ersatzanspruch bilden könne (Hinweis u.a. auf die hg. Erkenntnisse vom 29. April 2002, Zl. 98/03/0289, und vom 28. Jänner 2008, Zl. 2007/10/0271).
Das aus der Nachzahlung von Familienbeihilfe gebildete Vermögen sei "eigentumsrechtlich dem Revisionswerber zuzurechnen", weil dieses Vermögen als Sparguthaben des Revisionswerbers auf zwei dem Revisionswerber "zugedachte", mit einem ihm auch bekannten Losungswort gesicherte Sparbücher einbezahlt worden sei. Diese Ersparnisse seien als Vermögen des Revisionswerbers und nicht als das seiner Mutter zu behandeln und daher bei der Verpflichtung zum Kostenersatz - soweit es den zu berücksichtigenden Vermögensfreibetrag von EUR 4.069,95 übersteige - als verwertbares Vermögen heranzuziehen. Der Revisionswerber sei somit verpflichtet, "den vorgeschriebenen Betrag an bezogener Mindestsicherung zu ersetzen".
Zum Ausspruch über die Unzulässigkeit einer Revision merkte das Verwaltungsgericht an, es sei keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen gewesen. Die gegenständliche Entscheidung weiche weder von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehle es an einer Rechtsprechung. Weder sei die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als uneinheitlich zu beurteilen noch lägen sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Der Revisionsweber erhob gegen dieses Erkenntnis eine außerordentliche Revision.
Das Verwaltungsgericht legte die Revision sowie die Verfahrensakten dem Verwaltungsgerichtshof vor.
Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht sah von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung "im Hinblick auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs" ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Das Gesetz zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Wien (Wiener Mindestsicherungsgesetz - WMG), LGBl. Nr. 38/2010 idF LGBl. Nr. 29/2013, hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
"Anrechnung von Einkommen und sonstigen Ansprüchen bei der Bemessung der Mindestsicherung
§ 10. (1) Auf den Mindeststandard ist das Einkommen der Person, für die der jeweilige Mindeststandard gilt, anzurechnen. (...)
§ 11. (1) Von der Anrechnung ausgenommen sind
1. Leistungen nach dem Bundesgesetz vom 24. Oktober 1967 betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen (Familienlastenausgleichsgesetz 1967) mit Ausnahme von Zuwendungen aus dem Familienhospizkarenz-Härteausgleich sowie Kinderabsetzbeträge nach § 33 Abs. 4 Z 3 Bundesgesetz vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988),
(...)
Anrechnung von Vermögen
§ 12. (1) Auf die Summe der Mindeststandards ist das verwertbare Vermögen von anspruchsberechtigten Personen der Bedarfsgemeinschaft anzurechnen.
(2) Soweit keine Ausnahmeregelung nach Abs. 3 anzuwenden ist, gelten als verwertbar:
(...)
2. Ersparnisse und sonstige Vermögenswerte.
(...)
(3) Als nicht verwertbar gelten:
(...)
5. verwertbares Vermögen nach Abs. 2 bis zu einem Freibetrag in Höhe des Fünffachen des Mindeststandards nach § 8 Abs. 2 Z 1 (Vermögensfreibetrag);
(...)
Kostenersatz bei verwertbarem Vermögen oder Einkommen, das
nicht aus eigener Erwerbstätigkeit stammt
§ 24. (1) Für Kosten, die dem Land Wien als Träger der Bedarfsorientierten Mindestsicherung durch die Zuerkennung von Leistungen zur Mindestsicherung entstehen, ist dem Land Wien als Träger der Bedarfsorientierten Mindestsicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Ersatz zu leisten.
(2) Ersatzpflichtig sind alle anspruchsberechtigten Hilfe suchenden oder empfangenden Personen, soweit sie zu verwertbarem Vermögen oder Einkommen, das nicht aus eigener Erwerbstätigkeit stammt, gelangen. Es sind jene Kosten zu ersetzen, die dem Träger der Bedarfsorientierten Mindestsicherung durch Hilfegewährungen in den letzten drei Jahren der Hilfeleistung entstanden sind. Stichtag für die Berechnung der Frist ist der letzte Tag des Jahres in dem Leistungen an die Ersatzpflichtige oder den Ersatzpflichtigen geflossen sind.
(...)"
§ 4 der Verordnung der Wiener Landesregierung zum Gesetz zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Wien (WMG-VO), LGBl. Nr. 39/2010 idF LGBl. Nr. 8/2014, lautet:
"Vermögensfreibetrag
§ 4. Als Vermögensfreibetrag sind EUR 4.069,95 zu berücksichtigen."
2.1. Gemäß § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
Der Revisionswerber macht zur Zulässigkeit der Revision (und auch in den Revisionsgründen) u.a. geltend, in den im angefochtenen Erkenntnis zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes sei jeweils derjenige, der zum Ersatz einer bezogenen Sozialhilfeleistung verpflichtet worden sei, zugleich auch derjenige, der unmittelbar Ersparnisse erworben oder eine andere Sozialhilfeleistung empfangen habe, die als verwertbares Vermögen bzw. verwertbares Einkommen angesehen worden sei und die Verpflichtung zum Rückersatz der zuvor erhaltenen Sozialleistung begründet habe (Hinweis u.a. auf die hg. Erkenntnisse vom 26. Februar 2002, Zl. 2001/11/0071, und vom 29. April 2002, Zl. 98/03/0289).
Von den dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zugrunde liegenden Fällen unterscheide sich der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt dadurch, dass die nachträgliche Auszahlung der erhöhten Familienbeihilfe an S.H. und nicht an den Revisionswerber erfolgt sei. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Wien, dass die S.H. gewährte Familienbeihilfe bzw. das von S.H. aus der ihr ausbezahlten Familienbeihilfe gebildete Vermögen auf zwei Sparbüchern "eigentumsrechtlich dem Revisionswerber zuzurechnen" sei, seien unrichtig. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes könne das Eigentum an einem durch Losungswort gesperrten Sparbuch nur durch die Mitteilung des Losungswortes und durch die Übergabe des Sparbuchs übertragen werden. Das Verwaltungsgericht setze sich über diese Rechtsprechung hinweg, indem es die beiden gegenständlichen Sparbücher trotz nicht erfolgter Übergabe durch S.H. an den Revisionswerber "eigentumsrechtlich" dem Revisionswerber zuordne.
2.2. Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist auch berechtigt.
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, sind nach der ständigen hg. Rechtsprechung zu den Vorschriften der Sozialhilfegesetze der Länder über die Heranziehung des Vermögens bei der Vorschreibung eines Kostenbeitrages zu den Kosten der Sozialhilfe Ersparnisse als Vermögen des Hilfeempfängers zu behandeln; es ist nicht maßgeblich, aus welchen Quellen die Ersparnisse gebildet wurden. Auch wenn die Ersparnisse aus Einkommensteilen gebildet wurden, die "bei der Gewährung von Sozialhilfe außer Ansatz zu bleiben haben", sind sie als Vermögen im Sinne der Regelungen über die Heranziehung des Vermögens bei der Leistung von Kostenersatz anzusehen. Auch ein aus der Nachzahlung von Familienbeihilfe entstandenes Vermögen kann die Grundlage für einen Ersatzanspruch bilden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 2008, Zl. 2007/10/0271, mwN).
"Ersparnisse" im Sinne dieser Rechtsprechung sind allerdings - wie sich beispielsweise aus dem bereits zitierten Erkenntnis vom 28. Jänner 2008 sowie dem hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2006, Zl. 2003/10/0203, ergibt - nur solche des Hilfeempfängers und nicht etwa die Ersparnisse einer dritten Person.
Nach den unbestrittenen Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses wurde die Nachzahlung an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum Dezember 2008 bis Dezember 2013 in der Höhe von EUR 21.887,90 zunächst auf einem Konto von S.H. gutgeschrieben. S.H. bezahlte diesen Betrag in der Folge auf zwei mit Losungsworten gesicherte Sparbücher ein, welche sie aufbewahrt. Der Revisionswerber kennt das Losungswort für diese Sparbücher, welche ihm allerdings unstrittig nicht übergeben wurden.
Wie die Revision zutreffend ausführt, wird ein mit Losungswort versehenes Sparbuch durch Übergabe und Mitteilung des Losungswortes ins Eigentum des Übernehmers übertragen (vgl. etwa Klicka/Reidinger in Kodek/Schwimann, ABGB4 § 427 Rz 10, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).
Da eine Übergabe der Sparbücher im gegenständlichen Fall nicht erfolgt ist, wurden die Sparbücher nicht in das Eigentum des Revisionswerbers übertragen, auch wenn diesem das Losungswort bekannt ist (vgl. in diesem Zusammenhang zu dem Fall einer nicht wirksamen Übertragung von Vermögen das hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 2014, Zl. 2013/10/0099). Das Verwaltungsgericht ist daher zu Unrecht davon ausgegangen, dass das auf den gegenständlichen Sparbüchern erliegende Vermögen Ersparnisse des Revisionswerbers darstelle, weshalb es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet hat.
3. Das angefochtene Erkenntnis war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 22. April 2015
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)