VwGH Ra 2015/04/0077

VwGHRa 2015/04/007711.11.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Pürgy als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Revision der F GmbH in W, vertreten durch MMag. Dr. Claus Casati, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 1b/17, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 16. Juli 2015, Zl. VGW- 123/072/6297/2015-25, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung (mitbeteiligte Parteien: 1. W GmbH & Co KG, vertreten durch Heid Schiefer Rechtsanwälte in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 88/2-4; 2. C GmbH in W), den Beschluss gefasst:

Normen

BVergG 2006 §126 Abs1;
BVergG 2006 §230;
BVergG 2006 §69;
BVergG 2006;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015040077.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien wurde der Antrag der Revisionswerberin, die Zuschlagsentscheidung der erstmitbeteiligten Partei (im Folgenden: Auftraggeberin) vom 21. Mai 2015 im Vergabeverfahren "Erneuerung und Erweiterung der Tunnelfunkanlagen der W" für nichtig zu erklären, abgewiesen und die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig erklärt.

In seiner Begründung ging das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Ausschreibungsunterlagen davon aus, dass die in die Bewertung bei vier näher genannten Qualitätssubkriterien einfließende Übererfüllung bestimmter Mindestkriterien durch Vorlage von Messprotokollen, die von einer unabhängigen Stelle bestätigt sind, nachzuweisen war, wobei die Nachweise mit dem Erstangebot vorzulegen waren. Im Hinblick auf den mit den Ausschreibungsunterlagen verfolgten Zweck der Vorlage von Messprotokollen und den objektiven Erklärungswert des Begriffes "Messprotokoll" sei ein Schreiben (fallbezogen das von der Revisionswerberin vorgelegte Schreiben einer Prüfstelle vom 5. Dezember 2014), das lediglich Messergebnisse enthalte, aber keine Darlegung, wie diese zustande gekommen seien, nicht als Messprotokoll anzusehen. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes habe die Auftraggeberin den Begriff "Messprotokoll" auch nicht missverständlich verwendet. Hinsichtlich der - von der Revisionswerberin diesbezüglich ins Treffen geführten - technischen Spezifikationen zu den Lichtwellenleiterkabeln verwies das Verwaltungsgericht darauf, dass sowohl die Revisionswerberin als auch die zweitmitbeteiligte Partei diesbezüglich jeweils das Referenzprodukt angeboten hätten und nach dem Leistungsverzeichnis eine Bestätigung durch einen Ziviltechniker nur für die Gleichwertigkeit des angebotenen Produktes mit dem Referenzprodukt erforderlich gewesen wäre. Ausgehend davon läge weder ein Ausscheidensgrund (wegen fehlender Vorlage von Messprotokollen zu den Lichtwellenleiterkabeln) für beide Angebote noch ein Widerrufsgrund vor.

Die fehlende Vorlage eines bestätigten, aus der Zeit vor der Abgabe des Erstangebotes stammenden Messprotokolls stelle nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes zwar grundsätzlich einen behebbaren Mangel dar. Vorliegend sei die Nachreichung aber verspätet erfolgt, weil die Revisionswerberin innerhalb der gesetzten Frist kein Messprotokoll vorgelegt habe. Darüber hinaus sei die Nachreichung auch deshalb unzureichend, weil das - einen unabdingbaren Bestandteil der Vorlage darstellende - (undatierte) Bestätigungsschreiben der Prüfstelle nach Aussage der Revisionswerberin vom Februar 2015 stamme. Zum Zeitpunkt der Abgabe des Erstangebotes sei daher kein von einer unabhängigen Stelle bestätigtes Messprotokoll hinsichtlich der Übererfüllung der Mindestkriterien im Bereich der maßgeblichen Qualitätssubkriterien vorgelegen.

2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

3.1. Nach Auffassung der Revisionswerberin liegt eine grundsätzliche Rechtsfrage darin, ob ein Auftraggeber - und ihm folgend das Verwaltungsgericht - dem Begriff Messprotokoll bei den Qualitätssubkriterien (Zuschlagskriterien) einen anderen Inhalt unterstellen dürfe als bei den technischen Spezifikationen.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Ausgehend davon hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Auslegung von Ausschreibungsbestimmungen bzw. von Angebotsunterlagen bereits festgehalten, dass eine diesbezüglich in vertretbarer Weise vorgenommene, einzelfallbezogene Auslegung nicht revisibel ist (siehe die hg. Beschlüsse vom 18. März 2015, Ra 2015/04/0017, und vom 24. November 2014, Ra 2014/04/0039).

Im vorliegenden Fall ist nicht zu erkennen, dass die vom Verwaltungsgericht - unter Rückgriff auf den mit der Vorlage von Messprotokollen verfolgten Zweck sowie auf das allgemeine Begriffsverständnis eines Protokolls - vorgenommene Auslegung des Begriffs "Messprotokoll" hinsichtlich der fraglichen Ausschreibungsbestimmungen zu den Qualitätssubkriterien unvertretbar wäre bzw. im objektiven Erklärungswert der Ausschreibung keine Deckung finden würde. Die Revisionswerberin vermag mit ihrem Vorbringen auch nicht aufzuzeigen, dass dem Verwaltungsgericht dabei eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen ist (siehe dazu den hg. Beschluss vom 17. Februar 2015, Ro 2014/02/0124). Es wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung zukommt.

Ausgehend von der nicht als unvertretbar anzusehenden Auslegung der Ausschreibungsunterlagen durch das Verwaltungsgericht ist auch seine Einschätzung, es lägen fallbezogen keine Ausscheidensgründe hinsichtlich beider Angebote vor, nicht zu beanstanden. Daher war das Verwaltungsgericht nicht gehalten, sich mit der Frage eines allfälligen Widerrufs des Vergabeverfahrens und einer Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung aus diesem Grund - im Hinblick auf das von der Revisionswerberin ins Treffen geführte Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 4. Juli 2013, Rs C- 100/12 , Fastweb - auseinanderzusetzen.

3.2. Weiters bringt die Revisionswerberin vor, die Auftraggeberin wäre verpflichtet gewesen, freiwillig nachgereichte Nachweise zu berücksichtigen, solange die Angebotsprüfung noch nicht abgeschlossen war. Die zum Zeitpunkt der Angebotsbewertung vorliegenden Unterlagen hätten nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Dies entspreche dem Grundsatz der "Richtigkeit" und dem Gleichbehandlungsgebot, wonach die Angebote nach ihrem materiellen Gehalt anhand der vorgegebenen Kriterien zu bewerten seien.

Das Verwaltungsgericht hat die Vorlage des Messprotokolls im vorliegenden Fall nicht nur als verspätet angesehen, sondern es hat auch darauf abgestellt, dass das - einen unabdingbaren Bestandteil des Messprotokolls darstellende - Bestätigungsschreiben der Prüfstelle nach Aussage der Revisionswerberin vom Februar 2015 stamme und somit nach Abgabe des Erstangebotes entstanden sei. Nach der hg. Judikatur zu behebbaren bzw. unbehebbaren Mängeln ist zu unterscheiden, ob im maßgeblichen Zeitpunkt der nachzuweisende Umstand fehlt (diesfalls liegt ein unbehebbarer Mangel vor) oder ob es bloß am Nachweis des bereits bestehenden Umstandes mangelt (im letztgenannten Fall ist der Mangel behebbar; vgl. dazu das Erkenntnis vom 12. Mai 2011, 2008/04/0087, mwN). Im Erkenntnis vom 27. Oktober 2014, 2012/04/0065, hat der Verwaltungsgerichtshof eine Urkunde, datierend aus der Zeit nach Angebotsöffnung, als nicht geeignet angesehen, um das Vorliegen der Leistungsfähigkeit eines Bieters zum dort relevanten Zeitpunkt der Angebotsöffnung zu belegen. Ausgehend davon ist die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, die Revisionswerberin habe zu Recht bei den vier maßgeblichen Qualitätssubkriterien 0 Punkte erhalten, weil - anders als in der Ausschreibung verlangt - zum Zeitpunkt der Abgabe des Erstangebotes kein von einer unabhängigen Stelle bestätigtes Messprotokoll hinsichtlich der Übererfüllung der Mindestkriterien bei diesen Qualitätssubkriterien vorgelegen sei, nicht zu beanstanden.

Da dieser tragfähigen Alternativbegründung keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zugrunde liegt, kommt der Frage der Berücksichtigung von verspätet vorgelegten, bewertungsrelevanten Nachweisen (bzw. der Zulässigkeit ihrer Nichtberücksichtigung) keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu (siehe zu einer derartigen Konstellation den hg. Beschluss vom 16. Dezember 2014, Ra 2014/11/0095, 0093).

4. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 11. November 2015

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