VwGH Ra 2015/04/0017

VwGHRa 2015/04/001718.3.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und den Hofrat Dr. Kleiser sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Revision der B GmbH in S, vertreten durch Mag. Stefano Alessandro, Rechtsanwalt in 3423 St. Andrä-Wördern, Josef-Karnerplatz 1, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 11. Dezember 2014, Zl. VGW- 123/077/32454/2014-35, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung (mitbeteiligte Parteien: 1. W GmbH & Co KG in W, 2. T Ges.m.b.H. in W), den Beschluss gefasst:

Normen

ABGB §863;
ABGB §914;
ABGB §915;
AVG §52;
BVergG 2006 §78;
BVergG 2006 §79;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015040017.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde betreffend das Vergabeverfahren der erstmitbeteiligten Auftraggeberin "Lieferung von 7000 Stück LED-Röhren" der Antrag der Revisionswerberin auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 20. Oktober 2014 zugunsten der zweitmitbeteiligten präsumtiven Zuschlagsempfängerin nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgewiesen (I.), festgestellt, dass die Revisionswerberin die von ihr entrichteten Pauschalgebühren selbst zu tragen hat (II.) und ausgesprochen, dass die ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig ist (III.). Diese Spruchpunkte stützte das Verwaltungsgericht undifferenziert auf die "§§ 1, 2 Abs. 4, 7 Abs. 2, 11, 13, 15, 20, 23, 24, 25, 26 WVRG 2014, §§ 1 Abs. 2, 2 Z 16 lit. a sublit. cc, 163, 165, 169, 187 Abs. 1, 267, 268, 271, 272, 281, 282, 283 BVergG 2006".

2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

3. Auslegung von Ausschreibungsbestimmungen:

Die Revision bringt in ihren Zulässigkeitsgründen vor, das Verwaltungsgericht habe die Unklarheitenregel des § 915 ABGB entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausgelegt, welcher in ständiger Rechtsprechung judiziere, dass undeutliche Ausschreibungsbestimmungen zu Lasten des Auftraggebers auszulegen seien.

Zu diesem Vorbringen ist klarzustellen, dass eine derartige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur vergaberechtlichen Nachprüfung nicht besteht. Vielmehr hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass Ausschreibungsbestimmungen nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlichen fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen sind. In Zweifel sind Festlegungen in der Ausschreibung gesetzeskonform und sohin in Übereinstimmung mit den maßgeblichen Bestimmungen zu lesen. Auf den vermuteten Sinn und Zweck der Ausschreibungsbestimmungen kommt es nicht an. Maßgeblich ist vielmehr der objektive Erklärungswert der Ausschreibungsbestimmungen (vgl. zu allem das hg. Erkenntnis vom 27. Oktober 2014, 2012/04/0066, mwN). Lässt sich der Inhalt eines Begriffes aus dem allgemeinen Sprachgebrauch bzw. unter Heranziehung der gesamten Ausschreibungsunterlagen nicht eindeutig ermitteln, so kann für die Klärung, welche Bedeutung eine Ausschreibungsbestimmung für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter hat, auch die Beiziehung eines Sachverständigen erforderlich sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. September 2013, 2010/04/0066).

4. Einzelfallbezogene Auslegung durch das Verwaltungsgericht:

Die Revision bringt zur Zulässigkeit weiter - auf das Wesentliche zusammengefasst - vor, das Verwaltungsgericht hätte sich mit der Frage auseinander setzen müssen, welchen objektiven Erklärungswert die Abbildung der ausgeschriebenen LED-Röhre in der Skizze im Leistungsverzeichnis gehabt habe. Da das Verwaltungsgericht über keine Kenntnisse verfüge, um technische Skizzen derart auszuwerten, habe es insbesondere verabsäumt, das von der Revisionswerberin beantragte technische Gutachten darüber einzuholen, ob ein durchschnittlich verständiger Dritter auf Grund der Vorgaben des Leistungsverzeichnisses annehmen durfte/musste, dass sich der in der Leistungsbeschreibung wiedergegebene Ausschreibungsgegenstand mit den (von der Revisionswerberin angebotenen) LED-Röhren mit Arretierung decke.

Fallbezogen ist alleine die Frage strittig, welche Bedeutung zwei kleine Rechtecke in der Darstellung der Leuchtstoffröhre in einer Skizze im Leistungsverzeichnis haben. Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass die Rechtecke nicht Teil der (ausgeschriebenen) elektrischen Schaltung seien und stützte sich dabei tragend auf das Fehlen einer Arretierung in der verbalen Umschreibung der Anforderungen an die Schaltung im Leistungsverzeichnis.

Diese nicht unvertretbare einzelfallbezogene Auslegung durch das Verwaltungsgericht ist vor dem Hintergrund, dass einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt (vgl. den hg. Beschluss vom 17. September 2014, Ra 2014/04/0023), nicht revisibel.

Insoweit die Revision als Verfahrensfehler die Nichtbeiziehung eines Sachverständigen zur Auslegung dieser Ausschreibungsbestimmung rügt, trifft zu, dass für die Klärung, welche Bedeutung eine Ausschreibungsbestimmung für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter hat, auch die Beiziehung eines Sachverständigen erforderlich sein kann (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis 2010/04/0066).

Eine solche Erforderlichkeit kann die Revisionswerberin vorliegend aber nicht dartun. Das Verwaltungsgericht hat wie ausgeführt auf Grundlage der durchgeführten mündlichen Verhandlung und in nicht unvertretbarer Berücksichtigung des Ausschreibungstextes zur genannten Skizze die strittige Ausschreibungsbestimmung ausgelegt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Verwaltungsgericht über ausreichende technische Kenntnisse betreffend die ausgeschriebenen Leistungen hat, sondern alleine darauf, ob die Klärung, welche Bedeutung eine Ausschreibungsbestimmung für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter hat, auch ohne Beiziehung eines Sachverständigen möglich ist. Fallbezogen ist nicht zu sehen, inwieweit die Beiziehung eines Sachverständigen etwas am Fehlen einer geforderten Arretierung in der verbalen Umschreibung der Anforderungen an die Schaltung im Leistungsverzeichnis ändern sollte.

Dass das Verwaltungsgericht die im Einzelfall erforderliche rechtliche Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte, ist auch nach dem Revisionsvorbringen nicht zu erkennen (vgl. idS den hg. Beschluss vom 18. Februar 2015, Ra 2015/08/0008).

5. In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 18. März 2015

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