VwGH Ra 2015/01/0241

VwGHRa 2015/01/024115.12.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schweda, über die Revision des R D in S, vertreten durch Dr. Stefan Gloss, Dr. Hans Pucher, Mag. Volker Leitner, Mag. Christian Schweinzer, Mag. Georg Karl Burger und Dr. Peter Gloß, Rechtsanwälte in 3100 St. Pölten, Wiener Straße 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 24. August 2015, Zl. LVwG-MB-13-0035, betreffend Wegweisung und Betretungsverbot nach § 38a Sicherheitspolizeigesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Niederösterreich), den Beschluss gefasst:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
B-VG Art133 Abs4;
MRK Art6;
SPG 1991 §38a Abs1;
SPG 1991 §38a Abs2;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs1a;
VwGVG 2014 §24;
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
B-VG Art133 Abs4;
MRK Art6;
SPG 1991 §38a Abs1;
SPG 1991 §38a Abs2;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs1a;
VwGVG 2014 §24;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Maßnahmenbeschwerde des Revisionswerbers nach Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gegen den Ausspruch einer Wegweisung und eines Betretungsverbotes nach § 38a Sicherheitspolizeigesetz (SPG) als unbegründet abgewiesen (1.), der Revisionswerber zu einem näher bezeichneten Aufwandersatz verpflichtet (2.) und die Revision für nicht zulässig erklärt (3.).

2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

3. In den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG bei einer außerordentlichen Revision gesondert vorzubringenden Gründen ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte. In diesem Zusammenhang reicht es nicht aus, Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes der Zahl nach zu zitieren (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 18. Juni 2015, Zl. Ra 2015/20/0073, mwN).

Die vorliegende Revision zitiert in der als "Geltendmachung der Gründe für eine a.o.Revision" betitelten Zulässigkeitsbegründung gar keine Rechtsprechung, sondern bringt bloß allgemein vor, es sei "wohl einhellige Rechtsprechung des Höchstgerichtes, dass das beiderseitige Gehör zu wahren" sei. Weiters rügt die Revision in der Zulässigkeitsbegründung, das Verwaltungsgericht habe in der Begründung nicht aufgezeigt, dass der Revisionswerber den Antrag auf Einvernahme von vier Zeugen gestellt habe, und es habe keine mündliche Verhandlung durchgeführt. Hätte das Verwaltungsgericht dies getan, hätte der Revisionswerber eine Äußerung in der Richtung abgeben können, dass seine Beschwerde berechtigt gewesen sei bzw. wäre das Verwaltungsgericht zum Ergebnis gekommen, dass die Vernehmung der beantragten Zeugen berechtigt gewesen sei.

Wegweisung und Betretungsverbot sind gleichermaßen an die Voraussetzung geknüpft, dass auf Grund bestimmter Tatsachen (Vorfälle) anzunehmen ist, ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit einer gefährdeten Person stehe bevor. Welche Tatsachen als solche im Sinne des § 38a SPG in Frage kommen, sagt das Gesetz nicht (ausdrücklich). Diese Tatsachen müssen (auf Grund bekannter Vorfälle) die Annahme rechtfertigen, dass plausibel und nachvollziehbar bestimmte künftige Verhaltensweisen zu erwarten sein werden. Auf Grund des sich den einschreitenden Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bietenden Gesamtbildes muss mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein, dass ein gefährlicher Angriff im genannten Sinn durch den Wegzuweisenden bevorstehe. Dabei (bei dieser Prognose) ist vom Wissensstand des Beamten im Zeitpunkt des Einschreitens auszugehen (vgl. zuletzt den hg. Beschluss vom 13. Oktober 2015, Zl. Ra 2015/01/0193, mwN).

Damit handelt es sich bei Wegweisung und Betretungsverbot um eine administrativ-rechtliche Maßnahme zum Schutz der öffentlichen Ordnung und nicht um eine strafrechtliche Anklage im Sinne des Art 6 EMRK (vgl. idS zum Waffenverbot das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Zl. Ro 2014/03/0063, mwN). Dass die Maßnahme "civil rights" des Revisionswerbers betroffen hätte, ist fallbezogen nicht zu sehen und wird auch nicht vorgebracht.

Außerhalb des Anwendungsbereiches des (hier nicht maßgeblichen) Art. 47 GRC bzw. des Art. 6 EMRK ist es weiterhin Sache des Revisionswerbers, die Relevanz der unterbliebenen mündlichen Verhandlung aufzuzeigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2015, Zl. Ra 2014/12/0021, mit Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2013, Zl. 2010/15/0196).

Bei der Beurteilung einer Wegweisung oder eines Betretungsverbotes ist nach dem Obgesagten vom Wissensstand des Beamten im Zeitpunkt des Einschreitens auszugehen. Es ist daher - mangels konkreten Vorbringens in der Revision - nicht ohne Weiteres zu sehen, warum die Einvernahme der beantragten vier Privatpersonen als Zeugen etwas an diesem maßgeblichen Wissenstand der Beamten ändern sollte. Das zum mangelnden Parteiengehör und zur unterbliebenen mündlichen Verhandlung erstattete Vorbringen ist gleichermaßen derart allgemein gehalten, dass eine ausreichende Relevanz der gerügten Verfahrensfehler und damit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht dargetan wird.

4. In der Revision werden aus diesen Gründen keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 15. Dezember 2015

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