VwGH Ra 2014/15/0058

VwGHRa 2014/15/005819.10.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Revision des Finanzamts Graz‑Stadt in 8010 Graz, Conrad von Hötzendorf‑Straße 14‑18, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 15. September 2014, Zl. RV/2100356/2014, betreffend Forschungsprämie gemäß § 108c EStG 1988 für 2006 (mitbeteiligte Partei: K AG in K, vertreten durch Moore Stephens City Treuhand GmbH in 1015 Wien, Kärntner Ring 5‑7), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §201
BAO §201 Abs2 Z3
BAO §279 Abs1
BAO §303
BAO §303 Abs1 idF 2013/I/014
BAO §303 Abs1 litb idF 2013/I/014
BAO §303 Abs2 litb idF 2013/I/014
BAO §303 idF 2013/I/014
BAO §303a litb
BAO §93 Abs2
EStG 1988 §108c

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2014150058.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Die mitbeteiligte Partei ist auf dem Gebiet der Schmiedetechnik tätig und erzeugt u.a. maßgefertigte Einzelserien für die Industrie. Für Aufwendungen in Zusammenhang mit von ihr durchgeführten Forschungs‑ und experimentellen Entwicklungstätigkeiten machte sie für 2006 eine Forschungsprämie gemäß § 108c EStG 1988 von 82.248,48 € geltend. Die Forschungsprämie für 2006 wurde ihr am Abgabenkonto am 7. September 2007 gutgeschrieben.

2 Im Zuge einer für die Jahre 2004 bis 2006 im Jahr 2008 durchgeführten Außenprüfung vertrat die Prüferin die Auffassung, die für das Jahr 2006 geltend gemachte Forschungsprämie sei auf 15.465 € zu kürzen. Die Mitbeteiligte produziere Schmiedeteile. Die für die Produktion notwendigen Werkzeuge würden vom Unternehmen selbst hergestellt. Die Mitarbeiter der Konstruktionsabteilung überprüften mit Hilfe eines Konstruktionsprogrammes bei den Kundenentwürfen/Kundenwünschen für neue Schmiedeteile, ob die Form ausgefüllt sei, wie viele Tonnen Presskraft für die Formung notwendig seien, ob der Werkstoff Schädigungen aufweise und wie sich Temperatur‑ und Faserverlauf entwickelten. Daraufhin werde die Werkzeugform hergestellt. Es komme zu ersten Testläufen, bis in weiterer Folge die Serienproduktion beginne. Die Versuchsproduktion sei die Startphase der Serienproduktion, könne Produkt‑ und Verfahrensmodifikationen, die Umschulung auf neue Techniken und die Einweisung in neue Maschinen einschließen und falle nach Ansicht der Prüferin nicht unter Forschung und experimentelle Entwicklung im steuerlichen Sinn. Begünstigt seien allerdings die von der Mitbeteiligten in den Jahren 2004 und 2005 im Rahmen des Forschungsfreibetrages (2004) bzw. der Forschungsprämie (2005) geltend gemachten konkreten Forschungsprojekte; bei diesen gehe es tatsächlich um das Experimentieren mit neuen Verfahren. Da für 2006 keine neuen Produkte oder Verfahren im Rahmen der Produktion entwickelt worden seien, sondern lediglich mit bestehenden Verfahren in der Startphase der Serienproduktion die Anpassung an die Funktions‑ und Qualitätsanforderungen des Kunden erfolgt sei, müsse die für 2006 geltend gemachte Forschungsprämie von 82.248,48 € um den Betrag von 66.783,48 € gekürzt werden.

3 Den Prüfungsfeststellungen folgend setzte das Finanzamt mit Bescheid vom 25. August 2008 die Forschungsprämie 2006 mit 15.465 € gemäß § 201 BAO (neu) fest. Begründend verwies es auf die Niederschrift über die Schlussbesprechung anlässlich der Außenprüfung vom 9. Juli 2008. In dieser wurde die Neuberechnung der Forschungsprämie insbesondere folgendermaßen begründet:

„Da im gegenständlichen Fall keine neuen Produkte oder Verfahren im Rahmen der Produktion entwickelt wurden, sondern lediglich mit bestehenden Verfahren in der Startphase der Serienproduktion die Anpassung an die Funktions- und Qualitätsanforderungen des Kunden erfolgte, wird die geltend gemachte Prämie [...] gekürzt.“

4 Die Mitbeteiligte erhob gegen den Bescheid betreffend Festsetzung der Forschungsprämie Berufung, die der unabhängige Finanzsenat mit Bescheid vom 9. August 2011 abwies.

5 Dagegen erhob die Mitbeteiligte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der mit Erkenntnis vom 30. Jänner 2014, 2011/15/0156, den angefochtenen Bescheid aufhob. Begründend führte er aus, dass die Festsetzung der Forschungsprämie für das Jahr 2006 nach § 108c EStG 1988 entsprechend § 201 BAO zu erfolgen hat, weshalb eine Festsetzung ohne Eingehen auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 201 BAO rechtswidrig ist.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das (an die Stelle des unabhängigen Finanzsenats tretende) Bundesfinanzgericht im fortgesetzten Verfahren der (nunmehrigen) Beschwerde der Mitbeteiligten Folge gegeben und den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufgehoben. Begründend führte es aus, ein Festsetzungsbescheid betreffend Forschungsprämie gemäß § 201 BAO habe das Vorliegen der Voraussetzungen für seine Erlassung darzulegen. Stütze sich das Finanzamt auf neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel iSd § 303 BAO, habe es diese und ihr „Neuhervorkommen“ in der Bescheidbegründung darzulegen. Wie bei Wiederaufnahmebescheiden sei die Nichtdarlegung der maßgeblichen Tatsachen oder Beweismittel in der Bescheidbegründung nicht im Berufungs-/Beschwerdeverfahren sanierbar.

7 Im Revisionsfall werde im Festsetzungsbescheid betreffend Forschungsprämie für das Jahr 2006 vom 25. August 2008 in der Begründung auf die Niederschrift über die Schlussbesprechung vom 9. Juli 2008 verwiesen. Unter Punkt 7 werde darin ausgeführt, dass die Forschungsprämie im Zuge der Betriebsprüfung gekürzt werde. Da die Mitbeteiligte der Ansicht sei, dass der gesamte Konstruktionsaufwand für ein Schmiedeteil der Forschung und experimentellen Entwicklung zuzuordnen sei, seien für 2006 keine konkreten Forschungsprojektbeschreibungen vorgelegen und auch keine projektbezogenen Kostenstellen eingerichtet gewesen. Für die Geltendmachung der Forschungsprämie 2006 seien die von den allgemeinen Kostenstellen entsprechenden Anteile laut Antrag geschätzt worden. Da im gegenständlichen Fall keine neuen Produkte oder Verfahren im Rahmen der Produktion entwickelt worden seien, sondern lediglich mit bestehenden Verfahren in der Startphase der Serienproduktion die Anpassung an die Funktions‑ und Qualitätsanforderungen des Kunden erfolgt sei, werde die geltend gemachte Prämie gekürzt.

8 Aus dem aufhebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs sei abzuleiten, dass die Begründung des Erstbescheides nicht ausgereicht habe, um eine Korrekturfestsetzung zu rechtfertigen.

9 Hinsichtlich der Frage, ob und wie weit eine Sanierung etwa unzureichender Darlegung der maßgeblichen Tatsachen und Beweismittel in der Bescheidbegründung im Berufungsverfahren möglich sei, sei anzunehmen, dass die Grundsätze der Voraussetzungen für (abändernde) Festsetzungsbescheide nicht wesentlich anders als für Wiederaufnahmen des Verfahrens ausgelegt würden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs gehöre der maßgebliche Wiederaufnahmetatbestand in den Spruch des Bescheides. Lasse der Spruch für sich allein Zweifel an seinem Inhalt offen, so sei die Begründung als Auslegungsbehelf heranzuziehen, wobei es ausreichend sei, wenn der Wiederaufnahmetatbestand dem verwiesenen Betriebsprüfungsbericht entnehmbar sei. Die Rechtsmittelbehörde habe lediglich zu beurteilen, ob die von der Abgabenbehörde angeführten Gründe eine Wiederaufnahme rechtfertigten. „Neue“ Wiederaufnahmegründe könnten lediglich (nach der Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides mit Beschwerdevorentscheidung oder mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes) neuerlich zu einer Verfügung der Wiederaufnahme durch die Abgabenbehörde führen. Die fehlende Angabe der Wiederaufnahmegründe in der Begründung eines mit Beschwerde angefochtenen Bescheides sei auch in der Beschwerdevorentscheidung nicht „nachholbar“. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass die für Beschwerdevorentscheidungen bestehende Änderungsbefugnis (§ 263 Abs. 1 BAO) ident sei mit jener für Erkenntnisse (§ 279 Abs. 3 BAO).

10 Dagegen richtet sich die Revision des Finanzamts.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

12 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat er die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

14 Die Revision des Finanzamts macht unter anderem Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Die Entscheidung des unabhängigen Finanzsenats sei aufgehoben worden, weil von diesem nicht weiter auf die Voraussetzungen des § 201 BAO bei der Neufestsetzung der Forschungsprämie gemäß § 201 Abs. 2 Z 3 BAO eingegangen worden sei. Dabei habe das Verwaltungsgericht im fortgesetzten Verfahren verkannt, dass das Finanzamt in seinem Festsetzungsbescheid auf die Niederschrift über die Schlussbesprechung verwiesen habe, in der die Gründe für die Festsetzung der Forschungsprämie gemäß § 201 BAO (hinreichend) angeführt gewesen seien. Insofern hätte das Bundesfinanzgericht den in der (verwiesenen) Niederschrift angeführten Wiederaufnahmegrund erkennen und im fortgesetzten Verfahren ausführen können.

15 Die Revision ist zulässig; sie ist auch begründet.

16 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 30. Jänner 2014, 2011/15/0156, ausgeführt hat, hat die Festsetzung der Forschungsprämie nach § 108c EStG 1988 nach der Vorschrift des § 201 BAO zu erfolgen (vgl. Ritz, BAO5 § 201 Tz 5, und VwGH vom 25. September 2012, 2008/13/0175, zur Investitionszuwachsprämie). Im Revisionsfall ist die Vorschrift dabei bereits in der Fassung nach dem FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, (§ 323 Abs. 37 BAO) und nach dem VwG‑AnpG‑BMF, BGBl. I Nr. 70/2013, (§ 323 Abs. 40 BAO) anzuwenden.

17 Die Festsetzung gemäß § 201 BAO kann demnach dann, wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung im Sinne des Abs. 1 der Bestimmung als „nicht richtig“ erweist, gemäß Abs. 2 Z 3 erfolgen, „wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden“. Die Vorschrift hat insoweit den Zweck, einen „Gleichklang mit der bei einem durch Bescheid abgeschlossenen Verfahren geltenden Rechtslage“ herbeizuführen (vgl. nochmals VwGH vom 30. Jänner 2014, 2011/15/0156, sowie vom 25. September 2012, unter Hinweis auf den Bericht des Finanzausschusses zum Abgaben‑Rechtsmittel‑Reformgesetz, BGBl. I Nr. 97/2002, 1128 BlgNR 21. GP  9).

18 Die sprachlichen Anpassungen durch das FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, und das VwG‑AnpG‑BMF, BGBl. I Nr. 70/2013, sollten dabei ausweislich der Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage der „Neuregelung des Wiederaufnahmsrechts in der BAO“ Rechnung tragen (vgl. zum FVwGG 2012 2007 BlgNR 24. GP  16 sowie zum VwG‑AnpG‑BMF 2196 BlgNR 24. GP  8). Damit wurde der schon vom Abgaben‑Rechtsmittel‑Reformgesetz betonte „Gleichklang mit der bei einem durch Bescheid abgeschlossenen Verfahren geltenden Rechtslage“ weiter verfolgt.

19 Aus diesem vom Gesetzgeber statuierten Gleichklang ergibt sich ‑ wie das Bundesfinanzgericht richtig erkannt hat ‑ auch eine Übertragbarkeit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Wiederaufnahme auf Festsetzungen gemäß § 201 Abs. 2 Z 3 BAO.

20 Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Die Wendung „im abgeschlossenen Verfahren“ beruht erkennbar auf einem Redaktionsversehen. Zweck der Wiederaufnahme wegen Neuerungen ist ‑ wie schon nach der Regelung vor dem FVwGG 2012 ‑ die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen (Ritz, BAO5 § 303 Tz 24). Gemeint sind also Tatsachen, die zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung „im abgeschlossenen Verfahren“ bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind (vgl. VwGH vom 26. November 2015, Ro 2014/15/0035).

21 Mit dem FVwGG 2012 erfolgte eine Harmonisierung der Wiederaufnahme von Amts wegen mit jener auf Antrag (vgl. auch diesbezüglich die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 2007 BlgNR 24. GP  22). Nicht geändert wurde aber insbesondere, dass der Wiederaufnahmeantrag u.a. die Bezeichnung der Umstände, auf die der Antrag gestützt wird, zu enthalten hat (§ 303a lit. b BAO idF vor FVwGG 2012; § 303 Abs. 2 lit. b BAO idF FVwGG 2012).

22 Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden, bestimmt bei der Wiederaufnahme auf Antrag die betreffende Partei, bei der Wiederaufnahme von Amts wegen die für die Entscheidung über die Wiederaufnahme zuständige Behörde (vgl. VwGH vom 14. Mai 1991, 90/14/0262).

23 Ein Antrag auf Wiederaufnahme hat sohin ‑ bei Geltendmachung neu hervorgekommener Tatsachen ‑ insbesondere die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel „neu hervorgekommen sind“. Damit setzt aber diese Bestimmung voraus, dass diese Tatsachen im Zeitpunkt der Antragstellung bereits bekannt geworden sind. Aus dem insoweit klaren Wortlaut des § 303 Abs. 1 lit. b iVm Abs. 2 lit. b BAO ist somit abzuleiten, dass bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist. Gleiches gilt spiegelbildlich für die Wiederaufnahme von Amts wegen, bei der die ‑ für die Behörde ‑ neu hervorgekommenen Tatsachen im Wiederaufnahmebescheid anzuführen sind.

24 Gemäß § 279 Abs. 2 BAO hat das Bundesfinanzgericht außer in hier nicht interessierenden Fällen des Abs. 1 immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Bei einer Beschwerde gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen ist die Sache, über welche das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 Abs. 2 BAO zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen, also jene wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilt hat. Unter Sache ist in diesem Zusammenhang die Angelegenheit zu verstehen, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Abgabenbehörde erster Instanz gebildet hatte. Die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, wird durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde (vgl. mit weiteren Hinweisen VwGH vom 29. Jänner 2015, 2012/15/0030).

25 Aufgabe des Bundesfinanzgerichts bei Entscheidungen über ein Rechtsmittel gegen die amtswegige Wiederaufnahme durch ein Finanzamt ist es daher, zu prüfen, ob dieses Verfahren aus den vom Finanzamt gebrauchten Gründen wieder aufgenommen werden durfte, nicht jedoch, ob die Wiederaufnahme auch aus anderen Wiederaufnahmegründen zulässig gewesen wäre. Liegt der vom Finanzamt angenommene Wiederaufnahmegrund nicht vor oder hat das Finanzamt die Wiederaufnahme tatsächlich auf keinen Wiederaufnahmegrund gestützt, muss das Bundesfinanzgericht den vor ihm bekämpften Wiederaufnahmebescheid des Finanzamtes ersatzlos beheben (vgl. nochmals VwGH vom 29. Jänner 2015, 2012/15/0030).

26 Entscheidend ist im Revisionsfall einer amtswegigen (Neu)Festsetzung nach § 201 Abs. 2 Z 3 BAO somit, ob und gegebenenfalls welche für das Finanzamt seit der Selbstbemessung neu hervorgekommenen Umstände seitens des Finanzamts dargetan wurden, die als Wiederaufnahmegrund geeignet sind.

27 Im gegenständlichen Fall hat die mitbeteiligte Partei mit Antrag vom 14. August 2007 unter Verwendung des Formulars E108c die Forschungsprämie gemäß § 108c EStG 1988 beantragt. Dabei hat sie den im Formular vorgedruckten Text („Ich beantrage für Forschungsaufwendungen [§ 4 Abs. 4 Z 4 EStG 1988] des oben angeführten Veranlagungszeitraums eine Forschungsprämie in Höhe von“) verwendet und darin keinerlei zusätzliche Angaben zu den Forschungsaufwendungen gemacht. Die beantragte Forschungsprämie wurde ihr zunächst am 7. September 2007 erklärungsgemäß gutgeschrieben.

28 Mit Bescheid vom 25. August 2008 hat das Finanzamt die Forschungsprämie 2006 sodann mit einem niedrigeren Betrag festgesetzt. Dabei hat das Finanzamt seinen (Neu)Festsetzungsbescheid gemäß § 201 BAO mit einem Verweis auf die Niederschrift über die Schlussbesprechung anlässlich der Außenprüfung vom 9. Juli 2008 begründet. Dass ein solcher Verweis grundsätzlich zulässig ist, entspricht ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 29. Jänner 2015, 2012/15/0030, sowie vom 22. November 2012, 2012/15/0172).

29 Das Finanzamt hat vor diesem Hintergrund zu Recht darauf hingewiesen, dass das Bundesfinanzgericht seiner amtlichen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen ist und keine näheren Feststellungen zur Frage eines vom Finanzamt herangezogenen Wiederaufnahmetatbestands und sodann diesbezüglicher Wiederaufnahmegründe getroffen hat.

30 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 19. Oktober 2016

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