Normen
VStG §5 Abs1;
VStG §51e Abs3 Z2;
VStG §51e;
VwGbk-ÜG 2013 §3 Abs7 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs2;
VwGG §42 Abs3;
VwGVG 2014 §24 Abs1 impl;
VwGVG 2014 §44 Abs1;
VwGVG 2014 §44;
VwRallg;
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung vom 14. März 2011 wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, er habe am 23., 27. und 28. Oktober 2009 in T, W-Gasse 80, entgegen § 18 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) die Arbeitsleistung (Fassadenarbeiten und Zuschneiden von Styropor) von fünf namentlich genannten ungarischen Staatsangehörigen und damit von Ausländern, die von einem ausländischen Arbeitgeber (der Firma FF mit Sitz in Ungarn) ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland beschäftigt worden seien, in Anspruch genommen, ohne dass für die Ausländer eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung erteilt worden seien. Er habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 28 Abs. 1 Z 1 lit. b iVm § 18 Abs. 1 AuslBG verletzt und es wurden über ihn fünf Geldstrafen von jeweils EUR 2.300,-- (Ersatzfreiheitsstrafen jeweils 38 Stunden) verhängt.
Der dagegen erhobenen Berufung des Revisionswerbers gab der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland mit dem nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung ergangenen Bescheid vom 4. April 2012 gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 51 Abs. 1 VStG Folge; er behob das erstinstanzliche Straferkenntnis und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG ein.
Dieser Bescheid wurde infolge einer Beschwerde des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. November 2013, 2012/09/0070, auf das an dieser Stelle zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Landesverwaltungsgericht Burgenland hat das Verfahren über die Berufung (nun: Beschwerde) des Revisionswerbers gegen das in Rede stehende Straferkenntnis nach Art. 151 Abs. 51 Z 8 zweiter Satz B-VG und § 3 Abs. 7 Z 1 VwGbk-ÜG weitergeführt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde dahingehend Folge, als die Geldstrafen auf je EUR 1.300,-- (Ersatzfreiheitsstrafen je 25 Stunden) herabgesetzt wurden. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für nicht zulässig erklärt.
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die (richtig: außerordentliche) Revision des Revisionswerbers. Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Aktenvorlage erwogen:
Der Revisionswerber erachtet die Revision deshalb für zulässig, weil das Landesverwaltungsgericht ohne neuerliche mündliche Verhandlung über die als Beschwerde weiter behandelte Berufung entschieden habe und dem Revisionswerber dadurch - entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in dem in dieser Rechtssache im ersten Rechtsgang ergangenen Erkenntnis - keine Möglichkeit zur Darstellung seines mangelnden Verschuldens gegeben worden sei.
Damit zeigt der Revisionswerber eine Rechtsfrage von der Qualität des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf, weshalb die Revision entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes zulässig ist. Sie ist auch berechtigt.
Die nunmehr maßgebliche Bestimmung des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes - VwGVG lautet:
"2. Abschnitt
Verfahren in Verwaltungsstrafsachen
...
Verhandlung
§ 44. (1) Das Verwaltungsgericht hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) Die Verhandlung entfällt, wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
(3) Das Verwaltungsgericht kann von einer Verhandlung absehen, wenn
1. in der Beschwerde nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder
2. sich die Beschwerde nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder
3. im angefochtenen Bescheid eine 500 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder
4. sich die Beschwerde gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet
und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn es einen Beschluss zu fassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
(5) Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
(6) Die Parteien sind so rechtzeitig zur Verhandlung zu laden, dass ihnen von der Zustellung der Ladung an mindestens zwei Wochen zur Vorbereitung zur Verfügung stehen."
Das Verwaltungsgericht hat demnach im Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 44 Abs. 1 VwGVG grundsätzlich eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In den Abs. 2 bis 5 dieser Bestimmung finden sich zulässige Ausnahmen von der Verhandlungspflicht. Inhaltlich entspricht § 44 VwGVG dem bisherigen § 51e VStG (mit Ausnahme des nunmehr fehlenden Abs. 7), weshalb die bisherige Rechtsprechung zu § 51e VStG auch auf § 44 VwGVG übertragen werden kann (siehe auch das Erkenntnis vom 31. Juli 2014, Ra 2014/02/0011).
Vorweg ist daher den Ausführungen der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht in ihrer Revisionsbeantwortung in diesem Zusammenhang zu entgegnen, dass die von ihr zitierte Bestimmung des § 24 Abs. 1 VwGVG - woraus sie Gründe für das Unterbleiben einer öffentlichen mündlichen Verhandlung ableitet - im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren nicht anzuwenden, sondern vielmehr § 44 VwGVG heranzuziehen ist, der - wie bereits ausgeführt - eine grundsätzliche Verhandlungspflicht normiert. Ein allfälliges Absehen von der Verhandlung ist nach dieser Bestimmung zu beurteilen und zu begründen (siehe auch dazu das bereits zitierte Erkenntnis vom 31. Juli 2014, Ra 2014/02/0011).
Das Verwaltungsgericht begründete das Unterlassen einer (weiteren) Verhandlung nicht.
Zwar wird von § 3 Abs. 7 Z 1 VwGbk-ÜG für den hier gegebenen (Übergangs‑)Fall, dass der Einzelrichter des Verwaltungsgerichts dem ursprünglich zuständigen Senat des Unabhängigen Verwaltungssenats angehörte, angeordnet, dass in diesem Fall das Verfahren vom Verwaltungsgericht weitergeführt werden kann. Dies bedeutet jedoch nicht, dass im zweiten Rechtsgang ohne Vorliegen der in § 44 VwGVG vorgesehenen Ausnahmen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden könnte.
Im vorliegenden Fall beantragte der Revisionswerber in seiner als Beschwerde weiter behandelten Berufung die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Eine solche wurde zwar im ersten Rechtsgang durchgeführt, das Verfahren jedoch mit der rechtsirrigen Begründung, dass eine Entsendung im Sinn des § 18 AuslBG eine Vorbeschäftigung beim ausländischen Arbeitgeber und eine Rückkehrabsicht des Arbeitnehmers an seine ausländische Arbeitsstelle voraussetze, eingestellt.
Am Ende des diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufhebenden Erkenntnisses vom 12. November 2013, 2012/09/0070, führte der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf das Vorbringen des Revisionswerbers zu seinem fehlenden Verschulden aus:
"Bereits an dieser Stelle wird auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach Übertretungen nach § 28 Abs. 1 AuslBG Ungehorsamsdelikte im Sinn des § 5 Abs. 1 VStG sind, weil zum Tatbestand dieser Verwaltungsübertretungen der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört. In einem solchen Fall ist bei Erfüllung des äußeren Tatbestands der Verwaltungsübertretung ein Verschulden anzunehmen (in Form fahrlässigen Verhaltens), was aber widerlegt werden kann. So lange der Beschuldigte nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verwaltungsübertretung kein Verschulden trifft, hat die Behörde anzunehmen, dass der Verstoß bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte vermieden werden können. Es ist daher Sache des Beschuldigten, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Begehung der Verwaltungsübertretung kein Verschulden traf (vgl. auch dazu etwa das Erkenntnis vom 23. Mai 2013, Zlen. 2011/09/0212, 0213, mwN). Insbesondere reicht es zur Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens im Sinn des § 5 Abs. 1 VStG nicht aus, in Unkenntnis der zur Bestrafung führenden Umstände gewesen zu sein."
Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar in seiner bisherigen Rechtsprechung bei der Unterlassung einer (weiteren) Verhandlung im zweiten Rechtsgang eine Rechtswidrigkeit für den Fall verneint, dass bereits im ersten Rechtsgang eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt worden war; auch in einem solchen Fall muss jedoch eine der in § 44 VwGVG vorgesehenen Ausnahmen von der Durchführung einer Verhandlung gegeben sein (siehe etwa das noch zu § 51e Abs. 3 Z 2 VStG ergangene Erkenntnis vom 9. Dezember 2010, 2007/09/0054, wobei in jenem Fall bloß noch die Höhe der Strafe zu beurteilen war). Bei der Beurteilung, ob von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden kann, kommt es auch nicht darauf an, ob die bisher bereits erstattete Tatsachenbestreitung in der Folge auch zum Erfolg geführt hätte, kann der Beschuldigte doch bei Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht auch weiteres zweckdienliches Vorbringen - etwa zur Dartuung eines Mangels an Verschulden - erstatten (vgl. das Erkenntnis vom 27. Jänner 2011, 2010/09/0215).
Im vorliegenden Fall war auch im zweiten Rechtsgang - schon im Hinblick auf die Ausführungen im Erkenntnis vom 12. November 2013, 2012/09/0070, - jedenfalls das auch konkrete Feststellungen auf Sachverhaltsebene erfordernde Verschulden des Revisionswerbers an den ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen noch ungeklärt. Es lag somit keine der in § 44 VwGVG aufgezählten Ausnahmen vom Grundsatz der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor, sodass das Verwaltungsgericht - ungeachtet der bereits in erster Instanz durchgeführten Verhandlung und solange der Revisionswerber nicht etwa nach Einräumung von rechtlichem Gehör auf die Durchführung einer (weiteren) Verhandlung verzichtete - nicht von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung hätte absehen dürfen.
Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war das angefochtene Erkenntnis somit wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden. Eine solche wird nach dem Gesagten vom Landesverwaltungsgericht Burgenland durchzuführen sein.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 10. Dezember 2014
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