VwGH AW 2003/07/0006

VwGHAW 2003/07/00069.7.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der I GmbH, vertreten durch O, O, K, H, Rechtsanwälte GmbH, der gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 8. Jänner 2003, Zl. 66 3510/315-VI/6/02- Bu, betreffend Feststellung nach § 6 Abs. 5 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002, eingebrachten Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §56;
AWG 2002 §6 Abs5;
VerpackV 1996;
VwGG §30 Abs2;
AVG §56;
AWG 2002 §6 Abs5;
VerpackV 1996;
VwGG §30 Abs2;

 

Spruch:

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.

Begründung

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 8. Jänner 2003 stellte die belangte Behörde gemäß § 6 Abs. 5 des Abfallwirtschafsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 102/2002 (AWG 2002) fest, dass die von der beschwerdeführenden Partei erzeugten und vertriebenen Druckkapseln (Sahnekapseln und Sodakapseln) Verpackungen im Sinne der Verpackungsverordnung 1996 - und zwar konkret Verkaufsverpackungen, darstellen und "als diese dieser Verordnung unterliegen".

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde beantragte die beschwerdeführende Partei die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und begründet dies wie folgt:

Bei den den Gegenstand des angefochtenen Bescheides bildenden Druckgaskapseln handle es sich nicht um Verpackungen, sondern um Produkte. Würde die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt und der angefochtene Bescheid sofort verbindlich werden, würde die beschwerdeführende Partei für die von ihr hergestellten Druckgaskapseln den Produktstatus verlieren. Dies hätte zwangsläufig zur Folge, dass die beschwerdeführende Partei die sich aus der Verpackungsverordnung 1996 ergebenden Rücknahme- und Verwertungsverpflichtungen erfüllen müsste. Dafür gebe es zwei Varianten. Beide wären mit einem erheblichen finanziellen Aufwand verbunden.

Die beschwerdeführende Partei sei aufgrund einer Entpflichtungs- und Lizenzvereinbarung mit der A-AG verpflichtet, mit all jenen Verpackungsmaterialien, auf welche die Verpackungsverordnung 1996 anzuwenden sei, am ARA-System teilzunehmen. Ausgenommen von dieser Verpflichtung seien nur jene Verpackungsmaterialien, für die von der beschwerdeführenden Partei selbst oder durch von ihr beauftragte befugte Personen nachweislich eine gesetzeskonforme Entsorgung und Verwertung ohne Inanspruchnahme des ARA-Systems erfolge. Für den Fall der Inanspruchnahme des ARA-Systems müsste die beschwerdeführende Partei Lizenzgebühren von mindestens EUR 70.000,-- pro Jahr an die A-AG bezahlen. Aufgrund der Marktgegebenheiten bestehe für die beschwerdeführende Partei nicht die Möglichkeit, diese Zusatzbelastung auf den Verkaufspreis aufzuschlagen. Sie habe auch im Falle eines Erfolges der Beschwerde keinerlei Chance, die für die Druckgaskapseln an die A-AG vor der endgültigen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes bezahlten Lizenzgebühren wieder refundiert zu erhalten, weil die A-AG zu Recht behaupten könne, dass sie eine Leistung erbracht habe, die nicht rückabgewickelt werden könne.

Selbst, wenn die beschwerdeführende Partei als sogenannter "Selbstentpflichter" aus eigenem für die Einhaltung der Rücknahme- und Verwertungsverpflichtungen nach der Verpackungsverordnung 1996 auch in Bezug auf die Druckgaskapseln Sorge tragen würde, wäre damit ein mindestens ebenso großer Aufwand verbunden. Die beschwerdeführende Partei müsste eine eigene Sammellogistik aufbauen. Überdies drohe ihr noch der Zwang zur sogenannten Komplementärmengenlizenzierung gemäß § 3 Abs. 9 der Verpackungsverordnung 1996. Es bestehe nicht die geringste Chance, die getätigten Aufwendungen im Rahmen der Selbstentpflichtung und Komplementärmengenlizenzierung wieder refundiert zu erhalten.

Zwingende öffentliche Interessen stünden der Bewilligung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen. Die im angefochtenen Bescheid von der belangten Behörde vorgenommene Einordnung der Druckgaskapseln als Verkaufsverpackung bringe keinerlei ökologische Vorteile. Die Druckgaskapseln würden von den Konsumenten in den Restmüll eingebracht und in den Splitting- bzw. Sortieranlagen, die mittlerweile bei jeder Art der Behandlung von Siedlungsabfällen Standard seien, problemlos mittels Metallabscheider aus dem Restmüll entfernt und einer stofflichen Verwertung zugeführt. Die in § 1 Abs. 3 AWG 2002 genannten öffentlichen Interessen würden dadurch nicht einmal ansatzweise berührt oder gar beeinträchtigt. Vielmehr würde der mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides verbundene Zwang zum "Durchschleusen" der Druckgaskapseln durch das ARA-System zur Folge haben, dass sich die Sammellogistik der A-AG im Metallbereich ausweiten würde. Das Herstellen und Aufstellen zusätzlicher ARA-Sammelcontainer sowie ein erhöhtes Transportaufkommen wären mit zusätzlichem Schadstoffemissionen verbunden.

Die belangte Behörde hat sich gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ausgesprochen. Sie führt dazu aus, die allfällige Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung hätte nicht zur Folge, dass die Druckgaskapseln als Nicht-Verpackungen (Produkte) zu werten wären, sondern sie hätte lediglich die Wirkung, dass der beschwerdeführenden Partei jene Rechtsstellung zukäme, die sie vor Erlassung des angefochtenen Bescheides gehabt habe. Ein Produktstatus der Druckgaskapseln habe vor Erlassung des Feststellungsbescheides nicht bestanden. Die belangte Behörde habe bereits seit längerem die Auskunft erteilt, dass Druckgaskapseln zum Aufschäumen von Schlagobers bzw. zur Herstellung von Sodawasser als Verpackungen im Sinne der Verpackungsverordnung 1996 gelten. Die beschwerdeführende Partei habe seit Jahren die Rechtslage verkannt und sich nicht nur Lizenzgebühren erspart, sondern auch die Sammlung und Verwertung der in Rede stehenden Metallabfälle der Hausmüllsammlung überbürdet. Die Behauptung der beschwerdeführenden Partei, mit dem sofortigen Vollzug des angefochtenen Bescheides wären für sie irreversible und unverhältnismäßige Nachteile wie erhebliche Lizenzgebühren und Unmöglichkeit der Rückerstattung bei erfolgreicher Beschwerde verbunden, könne nicht gefolgt werden, da der Feststellungsbescheid keinen Rechtsverlust für die beschwerdeführende Partei bewirke, sondern lediglich die Rechtslage verbindlich klargestellt habe.

Dem Versuch der beschwerdeführenden Partei, die getrennte Sammlung von Metallverpackungen in eine ökologische Sinnlosigkeit umzudrehen und der inkorrekten Darstellung der derzeitigen Erfassung der Druckgaskapseln sei entgegenzuhalten, dass einerseits die angeführte Abtrennung aus dem Restmüll über Metallabscheider nur bei bestimmten Anlagen, aber keinesfalls bei jeder Art der Behandlung von Siedlungsabfällen gängige Praxis sei und dass andererseits die Kapseln auch in die Metallverpackungssammlung bzw. in die kommunale Metallsammlung eingebracht würden. Dies führe dazu, dass gerade die Vorgangsweise der beschwerdeführenden Partei zu einer Wettbewerbsverzerrung im Verhältnis zu anderen, Metallverpackungen produzierenden, importierenden oder in Verkehr setzenden Unternehmen führe und zusätzlich die sie treffenden finanziellen Verpflichtungen auf die die Kosten der Hausmüllsammlung tragenden Kommunen bzw. auf die anderen Inverkehrsetzer von Metallverpackungen überwälze. Es stünden somit zwingende öffentliche Interessen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegen.

Nach § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Feststellungsbescheide unterliegen zwar in der Regel keinem unmittelbaren Vollzug; sie sind aber gleichwohl im Rahmen ihrer normativen Wirkung verbindlich und daher insoweit einem mittelbaren Vollzug zugänglich (vgl. den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. April 2001, AW 2001/08/0013 und die dort angeführte Vorjudikatur).

Mit dem angefochtenen Bescheid wird festgestellt, dass die von der beschwerdeführenden Partei hergestellten Druckgaskapseln Verpackungen im Sinne der Verpackungsverordnung 1996 sind. Mit dieser Feststellung verbinden sich Rechtswirkungen derart, dass die beschwerdeführende Partei die in der Verpackungsverordnung für Verpackungen vorgesehenen Maßnahmen zu treffen hat. Der angefochtene Bescheid ist daher geeignet, in Rechte der beschwerdeführenden Partei einzugreifen.

Ob vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides ein "Produktstatus" für die Druckgaskapseln bestanden hat oder nicht, steht zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht fest. Das zu klären, ist Aufgabe des das Verfahren abschließenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes.

Der Einwand der belangte Behörde, durch den angefochtenen Bescheid würden Rechte der beschwerdeführenden Partei nicht gestaltet, weil bereits vor diesem Bescheid kein Produktstatus bestanden habe, geht daher fehl, weil vor dem Ergehen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes in der Sache darüber kein Urteil abgegeben werden kann.

Mit der behaupteten Wettbewerbsverzerrung und mit dem Hinweis auf eine zusätzliche finanzielle Belastung der Kommunen vermag die belangte Behörde keine zwingenden öffentlichen Interessen darzutun, die der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstünden.

Die beschwerdeführende Partei hat nachvollziehbar dargetan, dass mit der Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung für sie hohe finanzielle Aufwendungen verbunden wären, die auch im Falle eines Obsiegens ihrer Beschwerde unwiederbringlich verloren wären. Damit hat sie einen unverhältnismäßigen Nachteil dargestellt, der es rechtfertigt, die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war daher stattzugeben.

Wien, am 9. Juli 2003

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