VwGH 99/20/0180

VwGH99/20/018017.6.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, 1.) über den Antrag des AE in Wien, geboren am 8. Juni 1975, vertreten durch den zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt Dr. Christiane Buchleitner, 1190 Wien, Sieveringer Straße 122, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 19. Oktober 1998, Zl. 204.679/5-XI/33/98, betreffend Asylgewährung, und 2.) über die Beschwerde des Genannten gegen den zitierten Bescheid, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

1.) Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.

2.) Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Beschluss vom 10. November 1998 bewilligte der Verwaltungsgerichtshof dem Beschwerdeführer gemäß § 61 VwGG die Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Rechtsanwaltes und die einstweilige Befreiung von der Entrichtung der Stempel- und Kommissionsgebühren sowie von der Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG und den notwendigen Barauslagen des der Partei beigegebenen Rechtsanwaltes zur Erhebung der Beschwerde gegen den oben bezeichneten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates. Der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer für Wien bestellte daraufhin mit Bescheid vom 16. November 1998 die Rechtsanwältin Dr. Christiane Buchleitner zur Verfahrenshelferin. Dieser Bescheid wurde der Verfahrenshelferin am 23. November 1998 zugestellt, die sodann nach dem Wiedereinsetzungsvorbringen am 29. Dezember 1998 eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof eingebracht habe.

Der Beschwerdeführer begründet den vorliegenden, am 15. April 1999 zur Post gegebenen Wiedereinsetzungsantrag unter Anschluss einer (nunmehr) an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 19. Oktober 1998 wie folgt:

"Aufgrund eines Eingangsstempels mit dem Vermerk 'Verwaltungsgerichtshof-Verfassungsgerichtshof, eingelangt 18.11.1998' unterlag meine Rechtsvertreterin dem irrigen Umstand, dass es sich hiebei um die Beigebung einer Verfahrenshilfe für die Einbringung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde handle. In der Folge hat diese am 29.12.1998 eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof abgesandt.

Erst mit Zustellung des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom 22.2.1999, eingelangt am 12.4.1999 (gemeint: der Zurückweisungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 22. Februar 1999, B 2449/98, weil die an diesen gerichtete Beschwerde verspätet eingebracht worden sei, da die Frist zur Einbringung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bereits mit Zustellung des Bescheides an den Beschwerdeführer zu laufen begonnen habe und durch den eingebrachten Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof nicht unterbrochen worden sei), musste meine Rechtsvertreterin feststellen, dass sie hier einem Irrtum unterlegen ist.

Da für die Einbringung der Beschwerde (gemeint: an den Verwaltungsgerichtshof) der 31.12.1998 der letzte Tag war, und zwischen den Feiertagen meine Rechtsvertreterin diese Beschwerde mangels Verfügbarkeit der Sekretärin selbst verfasst hat, ist ihr dieser Fehler, der jedenfalls ein minderer Grad des Versehens darstellt, unterlaufen."

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu begründen:

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt hat und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Ein minderer Grad des Versehens hindert die Wiedereinsetzung nicht.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Versehen des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei (vgl. den hg. Beschluss vom 23. Februar 1995, Zl. 95/18/0176, mit weiteren Hinweisen). Dabei stellt ein einem Rechtsanwalt widerfahrenes Ereignis (vgl. zu diesem Begriff den hg. Beschluss eines verstärkten Senates vom 25. März 1976, Slg. Nr. 9024/A) einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war oder es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Verschulden des Rechtsanwaltes, das über einen minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit zu verstehen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes den Beschluss vom 8. August 1996, Zlen. 96/14/0072, 0078). Zu beurteilen ist somit das Verhalten des Rechtsanwaltes selbst (vgl. den hg. Beschluss vom 19. Jänner 1990, Zlen. 89/18/0202, 0203). Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige, bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa die schon zitierten hg. Beschlüsse vom 23. Februar 1995 sowie vom 8. August 1996, mit weiteren Hinweisen).

Bei Anwendung des bei beruflichen rechtskundigen Parteienvertretern gebotenen strengeren Maßstabes hätte es die dem Rechtsanwalt obliegende Sorgfaltspflicht erfordert, sich über den Inhalt des Bestellungsbeschlusses ausreichend zu vergewissern. Dabei hätte es dem Rechtsanwalt jedenfalls auffallen müssen, dass die Verfahrenshilfe ganz unmissverständlich zur Einbringung einer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof bewilligt und er hiefür von der Rechtsanwaltskammer als Verfahrenshelfer bestellt worden war, zumal nach dem Wiedereinsetzungsvorbringen der Verfahrenshelfer den fälschlicherweise an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Schriftsatz zur Gänze selbst verfasst hatte. Dem Wiedereinsetzungsvorbringen ist nicht zu entnehmen, warum der Verfahrenshelfer aus einem nur als minderes Versehen zu qualifizierenden Umstand nicht habe erkennen können, dass er mit dem vom Verwaltungsgerichtshof bewilligten Beschluss zur Einbringung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bestellt worden war. Nicht nachvollziehbar ist die Behauptung, der Verfahrenshelfer hätte die Beschwerde am 29. Dezember 1998 mangels Verfügbarkeit der Sekretärin selbst verfassen müssen, weil der "31.12.1998" der letzte Tag für die fristgerechte Einbringung der Beschwerde gewesen wäre. Da der Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer für Wien dem Verfahrenshelfer am 23. November 1998 zugestellt wurde, lief die Frist zur Einbringung der Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde am 4. Jänner 1999 ab. Tatsächlich hätte die Beschwerde somit noch am 4. Jänner 1999 eingebracht werden können, worauf es freilich nicht ankommt. Im vorliegenden Fall ist nach den eigenen Angaben im Wiedereinsetzungsvorbringen jedenfalls davon auszugehen, dass dem Verfahrenshelfer ein Versehen unterlief, das nicht (mehr) minderen Grades ist (vgl. dazu die hg. Beschlüsse vom 15. Dezember 1998, Zl. 98/20/0403, 0404, und vom 30. Mai 1997, Zlen. 97/19/0822, 0823).

Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher nicht stattzugeben.

Bei diesem Ergebnis war die am 15. April 1999 zur Post gegebene Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdefrist gemäß § 34 Abs. 1 VwGG durch Beschluss in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Die Entscheidung des Berichters über den gleichzeitig mit der nachgeholten Beschwerde gestellten "Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung dieser Beschwerde" erübrigt sich daher.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 17. Juni 1999

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