Spruch:
1.) Dem Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.
2.) Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit Beschluß vom 12. Jänner 1998 bewilligte der Verwaltungsgerichtshof der Beschwerdeführerin gemäß § 61 VwGG die Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Rechtsanwaltes und die einstweilige Befreiung von der Entrichtung der Stempel- und Kommissionsgebühren sowie der Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG zur Erhebung der Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid. Der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer für Oberösterreich bestellte daraufhin mit Bescheid vom 29. Jänner 1998 (dem Verfahrenshelfer zugestellt am 18. Februar 1998) Dr. Johann Poulakos, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Museumstraße 7/3, zum Verfahrenshelfer. Dieser erhob sodann am 31. März 1998 Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, wobei er sich auf seine Bestellung zum Verfahrenshelfer berief. Der Verfassungsgerichtshof wies die Beschwerde mit Beschluß vom 9. Juni 1998, B 680/98-3, (laut Beschwerdevorbringen dem Verfahrenshelfer am 1. September 1998 zugestellt) mit der Begründung zurück, es bestehe keine Rechtsvorschrift, welche die gemäß § 61 VwGG iVm § 464 Abs. 3 ZPO eintretende Wirkung der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes zum Verfahrenshelfer auf den Fristenverlauf im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof über dieses Verfahren hinaus auf ein anderes Verfahren ausdehne, insbesondere nicht in der anscheinend angenommenen Weise, auf ein denselben Bescheid betreffendes Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof. Die Verfassungsgerichtshof-Beschwerde erweise sich demnach wegen Versäumung der ab Zustellung des angefochtenen Bescheides an die Beschwerdeführerin am 4. Dezember 1997 zu berechnenden sechswöchigen Beschwerdefrist des § 82 Abs. 1 VfGG als verspätet und sei sohin zurückzuweisen. Der Antrag, die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abzutreten, sei abzuweisen, weil nach Art. 144 Abs. 3 B-VG (und § 87 Abs. 3 VfGG) eine solche Abtretung nur für den Fall vorgesehen sei, daß der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde abweise oder seine Behandlung ablehne, nicht aber für den Fall ihrer Zurückweisung.
Da der Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer für Oberösterreich dem Verfahrenshelfer am 18. Februar 1998 zugestellt wurde, war demnach die Frist zur Einbringung der Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde am 1. April 1998 abgelaufen.
Die Beschwerdeführerin begründet ihren am 14. September 1998 zur Post gegebenen Wiedereinsetzungsantrag im wesentlichen wie folgt:
Erst durch die Zustellung des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 1998, B 680/98-3, sei dem Verfahrenshilfevertreter der Umstand bekannt geworden, daß irrtümlich Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof anstatt wie vorgesehen beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht worden sei. Als Grund für diesen Irrtum wird angeführt, daß nach Einlangen des Bescheides des Ausschusses der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer am 18. Februar 1998 die für den Fristvormerk zuständige Sekretärin zwar richtigerweise den Fristvormerk in dem dazu vorhandenen Vormerkkalender eingetragen habe, den Akt aber sowohl als Verfahrenshilfe- als auch als Verfassungsgerichtshofakt angelegt habe. Es handle sich bei dieser Sekretärin um eine Mitarbeiterin, die bereits seit vielen Jahren in der Kanzlei tätig sei, selbständig Arbeiten verrichte und als Chefsekretärin über besondere fachliche Qualitäten verfüge. Der Verfahrenshilfevertreter habe jedoch der Sekretärin aufgetragen, die Beschwerde als Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde in den Vormerkkalender einzutragen. Aus welchem Grund der versierten, bisher fehlerfrei arbeitenden Kanzleikraft bei dieser immer wiederkehrenden, von ihr beherrschten Routinearbeit der Fehler unterlaufen sei, daß sie entgegen der Anweisung des Verfahrenshilfevertreters die Verfassungsgerichtshof-Beschwerde vorgemerkt habe, könne nicht geklärt werden. Wie üblich habe der Verfahrenshilfeanwalt die Eintragung dieser Frist überprüft. Der Umstand, daß dort "Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof" und nicht, wie es ordnungsgemäß heißen hätte sollen, "Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof" gestanden sei, sei ihm dabei nicht aufgefallen, da er sich vor allem auf die Rechtzeitigkeit der Fristvormerkung konzentriert habe. In der Folge habe sich der Verfahrenshilfevertreter sodann im Vertrauen auf die Vormerkung im Fristkalender nur noch auf die Ausarbeitung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof konzentriert. Während dieser Ausarbeitung sei das gesamte Augenmerk auf dem Inhalt der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gelegen, sodaß der Irrtum nicht mehr habe auffallen können. Der Akt sei auf Grund der Vormerkung als Akt der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof angelegt worden, sodaß während der Ausführung keiner der Mitarbeiter mehr den Grund der Vormerkung habe anzweifeln können.
Die Versäumung der fristgerechten Einbringung einer Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde sei somit auf ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis, nämlich darauf zurückzuführen, daß die Sekretärin entgegen ihrer sonstigen Verläßlichkeit und entgegen der Weisung durch den Rechtsanwalt die falsche Beschwerde vorgemerkt habe und während der Ausarbeitung der Beschwerde nicht mehr bemerkt werden konnte, daß unrichtigerweise Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werde. Der Verfahrenshilfevertreter habe sehr wohl im Sinne seiner Überprüfungspflicht die Fristvormerkung kontrolliert, daß die Sekretärin aber entgegen seiner ausdrücklichen Anweisung, aus welchem Grund auch immer, die falsche Beschwerde vorgemerkt hatte, habe ihm dabei jedoch nicht auffallen müssen, da er sich auf die Eintragung seiner bislang ohne Fehler arbeitenden Mitarbeiterin habe verlassen können.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Ein minderer Grad des Versehens hindert die Wiedereinsetzung nicht.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Versehen des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei (vgl. den hg. Beschluß vom 23. Februar 1995, Zl. 95/18/0176, mit weiteren Hinweisen). Dabei stellt ein einem Rechtsanwalt widerfahrenes Ereignis (vgl. zu diesem Begriff den hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom 25. März 1976, Slg. Nr. 9024/A) einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war oder es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Verschulden des Rechtsanwaltes, das über einen minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes den Beschluß vom 8. August 1996, Zlen. 96/14/0072, 0078). Zu beurteilen ist somit das Verhalten des Rechtsanwaltes selbst (vgl. den hg. Beschluß vom 19. Jänner 1990, Zlen. 89/18/0202, 0203). Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht außer acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige, bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa die schon zitierten hg. Beschlüsse vom 23. Februar 1995 sowie vom 8. August 1996, mit weiteren Hinweisen).
Bei Anwendung des bei beruflichen rechtskundigen Parteienvertretern gebotenen strengeren Maßstabes hätte es die dem Rechtsanwalt obliegende Sorgfaltspflicht erfordert, sich bei Ausarbeitung der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde, in der er sich selbst auf die Bestellung zum Verfahrenshelfer berief (auf Seite 2 der Verfassungsgerichtshof-Beschwerde nimmt er ausdrücklich auf den "Verfahrenshilfebescheid des VwGH zu Zahl VH 98/20/0001" Bezug), über den Inhalt des Bestellungsbeschlusses zu vergewissern. Dabei hätte es dem Rechtsanwalt auffallen müssen, daß die Verfahrenshilfe ganz unmißverständlich zur Einbringung einer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof bewilligt und er hiefür von der Rechtsanwaltskammer als Verfahrenshelfer bestellt worden war. Da der Rechtsanwalt im vorliegenden Fall nach seinen eigenen Angaben sein gesamtes Augenmerk auf den Inhalt der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof legte, sodaß ihm der falsche Fristvormerk nicht mehr auffallen konnte, unterlief im ein Versehen, das nicht minderen Grades ist (siehe zu einem vergleichbaren Sachverhalt den hg. Beschluß vom 30. Mai 1997, Zlen. 97/19/0822, 0823).
Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher nicht stattzugeben.
Bei diesem Ergebnis war die am 14. September 1998 zur Post gegebene Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdefrist gemäß § 34 Abs. 1 VwGG durch Beschluß in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Ebenso erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den gleichzeitig mit der nachgeholten Beschwerde gestellten "Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bis zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag".
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 15. Dezember 1998
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