Normen
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litb idF 1995/507;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litf idF 1995/507;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z4 idF 1995/507;
PaßG 1992 §15 Abs1 idF 1995/507;
SGG §12;
SGG §16;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litb idF 1995/507;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litf idF 1995/507;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z4 idF 1995/507;
PaßG 1992 §15 Abs1 idF 1995/507;
SGG §12;
SGG §16;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 30. März 1999 hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (die belangte Behörde) dem Beschwerdeführer gemäß § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. b und Z. 4 des Passgesetzes 1992 (PassG), BGBl. Nr. 839 idF BGBl. Nr. 507/1995, die Ausstellung eines Reisepasses (Spruchpunkt I) und gemäß § 19 Abs. 2
iVm § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. b und Z. 4 PassG die Ausstellung eines Personalausweises (Spruchpunkt II) versagt sowie gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. b und Z. 4 PassG den am 15. Juni 1987 von der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land ausgestellten österreichischen Reisepass mit der Nummer S 0209893 entzogen (Spruchpunkt III.).
Der Beschwerdeführer sei mit Urteil vom 23. Jänner 1984 wegen des Vergehens nach § 16 Abs. 1 Z. 1 und 2 sowie Abs. 2 des Suchtgiftgesetzes zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt worden. Es sei unter anderem für schuldig erkannt worden, in der Zeit zwischen 31. Jänner 1983 und 2. Februar 1983 in München ein Briefchen Heroin zum Preis von DM 100,-- erworben und nach Österreich verbracht zu haben. Am 2. August 1984 sei er von einem Strassburger Gericht wegen Vergehens gegen das französische Betäubungsmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt worden, weil bei ihm am 12. April 1984 Suchtgift vorgefunden worden sei. Mit Urteil des Landesgerichts Wels vom 11. Oktober 1985 sei er u.a. wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 Suchtgiftgesetz zu einer Zusatzstrafe von 22 Monaten zu dem Urteil des Gerichts in Strassburg verurteilt worden. Dem liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer in mehreren Fällen Haschisch, Heroin und Kokain aus Syrien, Holland und der Bundesrepublik Deutschland teilweise auch über Belgien und Frankreich nach Österreich eingeführt habe.
Mit Urteil vom 5. Juli 1995 sei er wegen des Vergehens nach § 16 Abs. 1 Suchtgiftgesetz zu einer Geldstrafe von 300 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden. Er habe im März 1992 durch das Großziehen und Abernten von Hanfpflanzen unberechtigt ein Suchtgift, nämlich Cannabis, erzeugt und besessen. Weiters habe er von August 1994 bis 3. Februar 1995 Haschisch, zwischen Oktober und Dezember 1993 Heroin (nach dem Akteninhalt: 0,25 Gramm), bis zum 3. Februar 1995 morfinhältige Mohnkapseln und im selben Zeitraum Haschisch und Marihuana erworben und besessen.
Mit Urteil vom 17. April 1997 sei er wegen des Vergehens nach § 16 Abs. 1 Suchtgiftgesetz zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass er im Jahr 1995 und im Frühjahr 1996 durch die Aufzucht und Aberntung von insgesamt 631 Cannabispflanzen unberechtigt ein Suchtgift erzeugt habe, im Juni 1996 43 Cannabispflanzen zum Zweck der Suchtgifterzeugung einem anderen (laut Akteninhalt: unentgeltlich) überlassen und im Juni1996 zwei Gramm Cannabisharz angekauft habe. Aus der Urteilsbegründung ergebe sich weiters, dass der Beschwerdeführer das gesetzliche Drogenverbot hinsichtlich der "weichen Drogen" strikt ablehne und sich bewusst über dieses hinwegsetze, obwohl er auf Grund seines Suchtgiftkonsums HIV-positiv, arbeitsunfähig, minder belastbar und in Frühpension sei.
Auf Grund der beiden letztgenannten Verurteilungen stehe fest, dass der Beschwerdeführer nach wie vor Suchtgiftkonsument sei und ihm zumindest hinsichtlich "weicher Drogen" ein Unrechtsbewusstsein fehle. Wenn auch die übrigen Verurteilungen des Beschwerdeführers bereits lange zurücklägen, sei doch zu bedenken, dass er erst am 12. Juli 1990 bedingt entlassen worden sei. Diese früheren Straftaten hätten einen starken Auslandsbezug aufgewiesen. In Anbetracht des Umstandes, dass der Beschwerdeführer nach wie vor Suchtgiftkonsument sei, halte es die belangte Behörde nicht für ausgeschlossen, dass er, wäre er im Besitz eines Reisepasses oder Personalausweises, wiederum Suchtgift nach Österreich einführen könnte. Daher bestehe die Gefahr, dass er Zollvorschriften übertreten und durch seinen Auslandsaufenthalt - zum Zweck der Beschaffung von Suchtmitteln - die innere Sicherheit der Republik Österreich gefährden werde. Bei der derzeit gegeben Sachlage sei allerdings nicht zu befürchten, dass der Beschwerdeführer Suchtgift in einer großen Mengen erzeugen oder in Verkehr zu setzten beabsichtige. Anderes als die Behörde erster Instanz halte die belangte Behörde daher den Tatbestand des §14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PassG nicht für erfüllt.
2. Mit Beschluss vom 23. Juni 1999, B 824/99, hat der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des PassG haben folgenden
Wortlaut:
"§ 14 (1) Die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Reisepasses sind zu versagen, wenn
....
3. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber den Reisepass benützen will, um
...
b) Zollzuwiderhandlungen zu begehen,
...
f) entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen, oder
4. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass durch den Aufenthalt des Passwerbers im Ausland die innere oder äußere Sicherheit des Republik Österreich gefährdet würde.
...
§ 15 (1) Ein Reisepass, dessen Gültigkeitsdauer nicht länger als fünf Jahre abgelaufen ist, ist zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung des Reisepasses rechtfertigen.
...
§ 19 ...
(2) Auf die Ausstellung, die Gültigkeitsdauer und ihre Einschränkung, die Vorlagepflicht, die Versagung und die Entziehung von Personalausweisen, weiters auf die Miteintragung von Kindern und auf die Ungültigerklärung einer Miteintragung sowie auf die Abnahme vom Personalausweisen sind die diesbezüglichen, die gewöhnlichen Reisepässe betreffenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes einschließlich der §§ 9 Abs. 7 und 15 Abs. 5 mit der Maßgabe anzuwenden, dass Entziehungsverfahren oder Verfahren zur Ungültigerklärung der Miteintragung auf gültige Personalausweise beschränkt sind."
1.2. Obwohl gemäß §14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PassG die Annahme, der Passwerber werde entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge erzeugen, einführen, ausführen oder in Verkehr setzen, - anders als nach der Rechtslage vor der Passgesetz-Novelle BGBl. Nr. 507/1995 - einen eigenen Tatbestand für die Passversagung darstellt, kann die Versagung auch bei zu befürchtenden Suchtgiftdelikten des Passwerbers mit Auslandsbezug auf die Bestimmung des § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. b (früher § 14 Abs. 1 Z. 4) PassG und § 14 Abs. 1 Z. 4
(früher § 14 Abs. 1 Z. 5) PassG gestützt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. September 1999, Zl. 98/18/0001).
2.1. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes rechtfertigt die Begehung eines nach § 12 Suchtgiftgesetz (nunmehr § 28 Suchtmittelgesetz) zu ahndenden Suchtgiftdeliktes die Versagung eines Reisepasses (vgl. aus jüngster Zeit etwa die Erkenntnisse vom 1. Juni 1999, Zl. 96/18/0473 und vom 21. September 1999, Zl. 99/18/0267, aber auch bereits die zum Passgesetz 1969 ergangene Judikatur, etwa das Erkenntnis vom 13. Jänner 1992, Zl. 91/19/0137.) Auf Grund der diesem Delikt innewohnenden Wiederholungsgefahr (vgl. etwa das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 99/18/0267) hat der Gerichtshof Zeiträume des Wohlverhaltens im Bereich von zwei bis drei Jahren als zu kurz befunden, um die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr als weggefallen oder entscheidend gemindert anzusehen (vgl. neben den bereits zitierten Erkenntnissen, Zl. 96/18/0473 und Zl. 99/18/0267 etwas das Erkenntnis vom 21. April 1998, Zl. 98/18/0075). Im hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1998, Zl. 98/18/0017, wurde die Beschwerde gegen u.a. eine Passversagung wegen eines schweren Suchtgiftdeliktes (Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten wegen der Ausfuhr von mehr als 3,5 kg Heroin) abgewiesen, obwohl die Tat bereits fast 8 Jahre zurücklag, in welchem Zeitraum allerdings auch die Haftstrafe vollzogen und der Beschwerdeführer neuerlich wegen vorsätzlicher schwerer Körperverletzung verurteilt worden war.
2.2 Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer laut den im Akt erliegenden Urteilsausfertigungen die letzte gemäß § 12 Suchtgiftgesetz strafbare Tat am 12. April 1984 begangen. Seither sind fast 15 Jahre vergangen. Von diesem Zeitraum hat sich der Beschwerdeführer - selbst wenn die über ihn verhängten insgesamt 44 Monate (3 Jahre und 8 Monate) Freiheitsstrafe zur Gänze vollzogen worden sein sollten - jedenfalls mehr als elf Jahre in Freiheit befunden. Hätte sich der Beschwerdeführer während dieses langen Zeitraumes wohlverhalten, wäre die Annahme, er werde Zollzuwiderhandlungen begehen (§ 14 Abs. 1 Z. 3 lit. b PassG) oder durch seinen Auslandsaufenthalt die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährden (§ 14 Abs. 1 Z. 4 PassG), zweifellos nicht gerechtfertigt. Tatsächlich hat der Beschwerdeführer jedoch in diesem Zeitraum Suchtgift - fast ausschließlich so genannte "weiche Drogen" - erworben bzw. durch die Aufzucht von Cannabispflanzen erzeugt. Laut Akteninhalt verwendete er das Suchtgift - abgesehen von der unentgeltlichen Weitergabe von 43 Cannabispflanzen - allerdings ausschließlich für den Eigenkonsum. Bei den deswegen erfolgten Verurteilungen wegen des Vergehens nach § 16 Suchtgiftgesetz fand das Gericht in einem Fall mit einer Geldstrafe und im anderen Fall mit einer bedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von lediglich zwei Monaten das Auslangen. Anderes als die in den Jahren 1983 und 1984 begangenen Suchtgiftdelikte hatten diese Taten keinerlei Auslandsbezug. Der Beschwerdeführer hat also in den mehr als elf Jahren, in denen er sich nach seinen schweren Suchtgiftdelikten in Freiheit befand, kein einziges Mal Suchtgift im Ausland erworben, von dort eingeführt oder dorthin ausgeführt, obwohl er unstrittig seit 1987 über den mit dem angefochtenen Bescheid entzogenen Reisepass verfügte.
Vor dem Hintergrund dieser Umstände kann sich der Verwaltungsgerichtshof der Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer werde im Fall der (neuerlichen) Ausstellung eines Reisepasses Zollzuwiderhandlungen begehen oder durch seinen Auslandsaufenthalt die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährden, nicht anschließen. Die belangte Behörde hat dennoch insoweit die Rechtslage verkannt, als sie zum Ergebnis gekommen ist, es lägen die Passversagungsgründe gemäß § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. b und Z. 4 PassG vor.
3. Da die belangte Behörde sowohl die Versagung der Ausstellung des Reisepasses und des Personalausweises als auch die Entziehung des Reisepasses auf das Vorliegen der genannten Passversagungsgründe stützte, belastete sie ihren Bescheid in allen drei Punkten des Spruches mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 14. März 2000
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