VwGH 99/09/0148

VwGH99/09/01484.4.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des S in F, vertreten durch Mag. Bernhard Graf, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Liechtensteiner Straße 27, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 27. Januar 1999, Zl. 1-0233/98/K3, 1-0234/98/E5, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit), zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §2 Abs2;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
AuslBG §2 Abs2;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 27. Januar 1999 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m.

§ 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) zu zwei Geldstrafen von jeweils S 10.000,--, im Nichteinbringungsfalle zu zwei Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils zwei Tagen bestraft, weil er am 10. April 1997 an der Adresse S-Straße 9 in N als Arbeitgeber in seinem Betrieb zwei namentlich genannte Ausländer beschäftigt habe, ohne dass eine Beschäftigungsbewilligung oder Anzeigebestätigung erteilt noch ein Befreiungsschein oder eine Arbeitserlaubnis ausgestellt worden sei.

Der angefochtene Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, der Beschwerdeführer habe die beiden bosnischen Staatsangehörigen am 10. April 1997 "in seinem Betrieb" in N beschäftigt, wobei diese bei der Erstellung eines fahrbaren Stalles mitgeholfen hätten. Für die genannten Ausländer seien weder Beschäftigungsbewilligung erteilt noch Anzeigebestätigung, Arbeitserlaubnis oder Befreiungsschein ausgestellt gewesen. Ohne weitere Feststellungen zu treffen, gab die belangte Behörde die Ergebnisse der Zeugeneinvernahmen in der mündlichen Berufungsverhandlung wieder und kam auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens zur Ansicht, in den vorliegenden Fällen seien bewilligungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse vorgelegen. Für diese Annahme sprächen insbesondere die anlässlich der Amtshandlung eigenhändig von den Fremden ausgefüllten Personenblätter, worin beide angegeben hätten, beim Beschwerdeführer "seit dem 10. April 1997" als Helfer beschäftigt worden zu sein. Als Entlohnung würden sie "Essen, Trinken, Wohnen" erhalten. Als vereinbarte Arbeitszeit habe der eine "von 8 - 17 Uhr", der andere "seit 9 Uhr" angegeben. Beide bosnischen Staatsangehörigen hätten über Vorhalt dieser Angaben ausgesagt, sie seien jeweils vom Arbeitsinspektor befragt worden, was der Beschwerdeführer für diese Arbeit verlangt habe bzw. sie erhielten. Auf die Antwort, sie erhielten kein Geld dafür, habe der Arbeitsinspektor sie gefragt, ob sie Essen und Trinken erhielten, im Falle der Bejahung sollten sie dieses niederschreiben. Niemals sei auch vom Beschwerdeführer die Behauptung aufgestellt worden, die von den Fremden gemachten Angaben seien in unrichtiger Weise zustande gekommen. Es könne dahingestellt bleiben, ob die von den Fremden nach dem (vom Beschwerdeführer vorgenommenen) Umbau bewohnten Kellerräumlichkeiten (im sowohl vom Beschwerdeführer als auch von der Schwester und dem Schwager der beiden bosnischen Staatsangehörigen bewohnten Haus) weiterhin zur Mietwohnung ihrer Verwandten oder zu jener des Beschwerdeführers gehöre oder nicht. Fest stehe jedenfalls, dass diese Kellerräume vom Beschwerdeführer auf seine Kosten umgebaut worden seien, um die beiden Fremden dort wohnen zu lassen. Für diese vom Beschwerdeführer geschaffene Wohnmöglichkeit hätten weder die beiden Bosnier noch die Mieter des Beschwerdeführers (Schwester und Schwager der bosnischen Staatsangehörigen) etwas bezahlen müssen.

Nach Zitierung der in Anwendung gebrachten Gesetzesbestimmung kam die belangte Behörde zu dem Schluss, der Beschwerdeführer habe die ihm zur Last gelegten Taten sowohl in subjektiver als auch in objektiver Hinsicht zu verantworten. Insoweit der Beschwerdeführer der Meinung gewesen sei, eine gelegentliche aushilfsweise Beschäftigung sei zulässig, werde auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 5 VStG verwiesen, wonach die Unterlassung von Erkundigungen zumindest ein fahrlässiges Verhalten indiziere. Die belangte Behörde habe nicht zu prüfen gehabt, ob den beiden Fremden auch die Tragweite ihres Handelns, insbesondere die Unzulässigkeit ihrer Beschäftigung, bewusst gewesen sei. Insoweit in der Berufung auf die Richtlinien der Caritas über bosnische Kriegsflüchtlinge hingewiesen werde, wonach eine zwei Wochen nicht überschreitende Beschäftigung im landwirtschaftlichen Bereich ohne Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zulässig sei, sei darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer anlässlich der mündlichen Verhandlung selbst angegeben habe, die Caritas nicht in Anspruch genommen zu haben und erst nach dem Tatzeitpunkt von einem der Fremden die Mitteilung erhalten zu haben, dass ein gelegentliches Aushelfen über die Caritas erlaubt sei. Dem diesbezüglichen Antrag in der Verhandlung auf Einvernahme des Leiters der Caritas sei ebenso wenig zu entsprechen gewesen wie dem weiteren Beweisantrag auf Beischaffung der beim Arbeitsamt aufliegenden Anzeige, zumal diese anonym erstattet worden sei.

Im Übrigen legte die belangte Behörde ihre Strafbemessungsgründe dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete, nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juni 1999, B 620/99-3 an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetretene Beschwerde, mit welcher nach ihrer auftragsgemäßen Ergänzung die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Als Beschäftigung gilt gemäß § 2 Abs. 2 AuslBG in der für den Beschwerdefall maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl. Nr. 895/1995 die Verwendung

  1. a) in einem Arbeitsverhältnis,
  2. b) in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, sofern die Tätigkeit nicht auf Grund gewerberechtlicher oder sonstiger Vorschriften ausgeübt wird,

    c) in einem Ausbildungsverhältnis, einschließlich der Tätigkeiten nach § 3 Abs. 5,

  1. d) nach den Bestimmungen des § 18 oder
  2. e) überlassener Arbeitskräfte im Sinne des § 3 Abs. 4 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes, BGBl. Nr. 196/1988.

    Nach § 3 AuslBG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 201/1996 darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt.

    Nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit a AuslBG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 895/1995 begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer entgegen dem § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§ 4) erteilt noch eine Anzeigebestätigung (§ 3 Abs. 5) oder eine Arbeitserlaubnis (§ 14a) oder ein Befreiungsschein (§ 15) ausgestellt wurde bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafen von 10.000 S bis zu 60.000 S, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 20.000 S bis zu 120.000 S, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 20.000 S bis zu 120.000 S, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 40.000 S bis zu 240.000 S.

    Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid zusammengefasst deswegen für rechtswidrig, weil im vorliegenden Fall keine Beschäftigungsverhältnisse im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG zu den beiden bosnischen Kriegsflüchtlingen bestanden hätten. Er meint, bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter vollständiger und richtiger Würdigung der vorliegenden Verfahrensergebnisse hätte die belangte Behörde anstelle der von ihr gemachten Ausführungen vielmehr feststellen müssen, dass es sich bei den genannten Ausländern um bosnische Kriegsflüchtlinge gehandelt habe, die auf Grund der bewaffneten Konflikte in ihrem Heimatland zum Verlassen desselben gezwungen worden seien. Die genannten Fremden seien im relevanten Zeitraum bereits seit einigen Jahren gemeinsam bei ihrer Schwester und ihrem Schwager an der als Tatort bezeichneten Adresse wohnhaft und gemeldet gewesen. Der Beschwerdeführer habe aus den Medien entnommen, dass nach Informationen der Caritas bosnische Kriegsflüchtlinge im Haushalt sowie in der Landwirtschaft beschäftigt werden dürften. Dies sei auch anlässlich der gegenständlichen Kontrolle dem Kontrollorgan gegenüber erklärt worden. Auch habe der Beschwerdeführer bis zur gegenständlichen Kontrolle nicht das Gefühl gehabt, durch sein Tun eine gesetzliche Bestimmung zu verletzen. Nach den Richtlinien der Caritas und den diesen zugrunde liegenden Vereinbarungen zwischen der Caritas, dem Land Vorarlberg, der Vorarlberger Gebietskrankenkasse, Finanzverwaltung und Arbeitsmarktverwaltung hätten bosnische Kriegsflüchtlinge zumindest im relevanten Zeitraum im land- und forstwirtschaftlichen Bereich sogar gegen finanzielles Entgelt bis zu zwei Wochen tätig sein dürfen, ohne dass hiefür eine Bewilligung nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes erforderlich gewesen wäre. Beide bosnischen Staatsangehörigen hätten am Morgen des 10. April 1997 bemerkt, dass der Beschwerdeführer mit einem Bekannten auf dem im Eigentum seiner Familie stehenden landwirtschaftlichen Anwesen einen fahrbaren Stall hergestellt habe, wobei u.a. schwere Holzplatten in einen Rahmen hineingelegt hätten werden müssen, sodass sich die beiden genannten bosnischen Staatsangehörigen spontan entschlossen hätten, bei der Durchführung dieser Arbeiten zu helfen. Diese Hilfeleistung sei völlig freiwillig und unentgeltlich erfolgt. Für beide bosnischen Staatsangehörigen seien am 13. Oktober 1998 jeweils befristete Aufenthaltstitel nach den Bestimmungen des so genannten "Bosniergesetzes" ausgestellt worden.

    Mit diesen Ausführungen zeigt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

    Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. Dezember 1998, Zl. 98/09/0290, und vom 3. Juli 2000, Zl. 99/09/0037) dargelegt hat, fallen Gefälligkeitsdienste nicht unter die bewilligungspflichtige Beschäftigung des AuslBG. Als Gefälligkeitsdienste können kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anerkannt werden, die vom Leistenden auf Grund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungsberechtigten erbracht werden. Der Übergang zwischen Gefälligkeitsdienst und kurzfristiger Beschäftigung im Sinne des AuslBG ist fließend. Es ist eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen, um einen Gefälligkeitsdienst annehmen zu können. So hat der Verwaltungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom 11. Juli 1990, Zl. 90/09/0062, ausgesprochen, dass der Umstand der stundenweise Aushilfe (in der Landwirtschaft und im Gastbetrieb) eines Ausländers, der bei einem Arbeitgeber freies Quartier und freie Kost hat, alleine für sich nicht die Annahme einer Beschäftigung im Sinne des AuslBG rechtfertigt. Auch die Mithilfe eines Dauergastes im Haushalt oder die Dienste eines Flüchtlings für Quartier und Kost können Gefälligkeitsdienste darstellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. November 2000, Zl. 98/09/0199). Die Mithilfe eines Landsmannes oder die Dienste für eine ihm geleistete Gefälligkeit können Gefälligkeitsdienste darstellen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2000, Zl. 99/09/0037). Bedenken sind dort angebracht, wo die Tätigkeit in einem Gewerbebetrieb erfolgen soll. Wesentlich ist in einem solchen Fall die Freiwilligkeit der Leistung. Freiwilligkeit ist in diesem Zusammenhang dann anzunehmen, wenn nicht versteckter oder offener Zwang vorliegt.

    Die belangte Behörde hat sich mit dem Vorbringen solcher Umstände in Verkennung der oben aufgezeigten Rechtslage nicht auseinander gesetzt. Soweit dem angefochtenen Bescheid Sachverhaltsfeststellungen entnehmbar sind (und nicht bloß Verwaltungsgeschehen referiert bzw. Ergebnisse der Beweiswürdigung kundgemacht werden), hat die belangte Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegt, dass die Bosnier Hilfstätigkeiten "im Betrieb" des Beschwerdeführers verrichtet hätten. Woraus sie dies ableitet, ist unklar, zumal auch nicht festgestellt wurde, welcher Art der "Betrieb" des Beschwerdeführers ist. Dass diese Tätigkeiten auf der Grundlage eines wenigstens stillschweigend zwischen ihnen und dem Beschwerdeführer vereinbarten Vertrages erbracht worden wären, hat die belangte Behörde nicht festgestellt. Sie hat sich auch nicht ausreichend damit auseinander gesetzt, dass nach den insoweit unwidersprochenen Angaben der beiden betroffenen Ausländer diese Hilfeleistung spontan und freiwillig erfolgt sei. Es erscheint nicht undenkbar, dass die offenbar bereits vor geraumer Zeit gezeigte Großzügigkeit der Hilfestellung des Beschwerdeführers ihnen gegenüber den Wunsch geweckt haben könnte, diese Hilfe in einem ihnen möglichen Rahmen zu erwidern. Die Tatsache der gelegentlichen Verköstigung rechtfertigt nämlich für sich genommen nicht die Schlussfolgerung, die Ausländer seien dafür verpflichtet gewesen, dem Beschwerdeführer Hilfstätigkeiten zu erbringen. Dass die Ausländer die Tätigkeiten nicht freiwillig erbracht hätten, ist nicht hervorgekommen.

    Geht man von dem im angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegten Sachverhalt aus, dann steht entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht fest, dass die Ausländer vom Beschwerdeführer bzw. in einer dem AuslBG unterliegenden Beschäftigung verwendet wurden.

    Der angefochtene Bescheid war aus den dargelegten Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

    Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Ein Zuspruch von Stempelmarkenersatz für die Beilagen konnte nicht erfolgen, da dieser in der Pauschalgebühr bereits enthalten ist.

    Wien, am 4. April 2001

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