VwGH 99/09/0018

VwGH99/09/001821.6.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des Dipl. Ing. H in Innsbruck, vertreten durch Dr. Markus Orgler und Dr. Josef Pfurtscheller, Rechtsanwälte in Innsbruck, Anichstraße 29, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen in Wien vom 25. November 1998, Zl. OB. 810-051990-005, betreffend Neubemessung der Beschädigtenrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §7 Abs1 Z4;
AVG §7 Abs1;
KOVG 1957 §4 Abs1;
KOVG 1957 §4 Abs3;
KOVG 1957 §52 Abs2;
KOVG 1957 §78;
KOVG 1957 §90 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §7 Abs1 Z4;
AVG §7 Abs1;
KOVG 1957 §4 Abs1;
KOVG 1957 §4 Abs3;
KOVG 1957 §52 Abs2;
KOVG 1957 §78;
KOVG 1957 §90 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Dem im Jahr 1917 geborenen Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Salzburg vom 8. Februar 1958 entsprechend den Vorschriften des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 (KOVG 1957) auf Grund einer im Jahre 1944 erlittenen Kriegsverletzung eine Grundrente infolge einer kausalen Minderung der Erwerbsfähigkeit von 70 v.H. mit Wirksamkeit vom 1. November 1951 zuerkannt.

Mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Tirol vom 16. April 1984 wurde ihm per 1. März 1983 eine Grundrente in Anerkennung einer Minderung der Erwerbstätigkeit von 80 v.H. (unter Berücksichtigung weiterer beruflicher Erschwernis gemäß § 8 KOVG) zuerkannt.

Maßgebend für die Zuerkennung der Beschädigtengrundrente war ein als Dienstbeschädigung (§ 4 KOVG) anerkannter "Zustand nach Kopfschuss mit Jackson-Anfällen sowie geringen Halbseitensyndromen rechts" (Bescheid vom 8. Februar 1958) bzw. "Schädelimpressionsfraktur links parietal mit geringer Halbseitensymptomatik rechts und seltenen fokalen Anfällen" (Bescheid vom 16. April 1984).

Mit Eingabe vom 18. Oktober 1996 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Neubemessung seiner Beschädigtenrente, da sich sein Leidenszustand wesentlich verschlechtert habe. Er verwies hierzu auf die Begründung in seinem Ansuchen um Pflegezulage vom 31. März 1996, in welchem er angegeben hatte, er habe vor sechseinhalb Jahren (1989) einen Schlaganfall als Folge seiner Kriegsverletzung erlitten, von dem er sich - mit Ausnahme seiner schweren Augenschädigung - wieder etwas erholt habe. Am 22. März 1996 habe er einen neuerlichen Schlaganfall erlitten und sei am Freitag, den 29. März von der Klinik (Neurologie) auf sein Ersuchen wieder entlassen worden. Er müsse allerdings für längere Zeit eine physiotherapeutische Behandlung durchführen, da seine rechte Körperhälfte leicht gelähmt sei und er sich derzeit nur schwer bewegen könne. Dadurch sei er auf die dauernde Hilfe seiner Frau angewiesen. Des Weiteren beantragte er die Anerkennung seines "Zustandes nach Schlaganfall 1989 und Kreislauf-Kollaps 1996" als Dienstbeschädigung.

Auf Grund dieses Antrages wurde von der Behörde erster Instanz ein Gutachten des neurologischen Sachverständigen Dr. H. Schmid vom 13. Februar 1997 eingeholt, der zusammenfassend zum Ergebnis kam, die festgestellte Verschlechterung sei auf die Schlaganfälle 1989 und 1996 - die in keinem Zusammenhang mit dem seinerzeitigen Schädel-Hirn-Trauma stünden - zurückzuführen und betreffe demnach den "akausalen Anteil". Hingegen sei keine Verschlechterung der Leidenszustände betreffend den "kausalen Anteil" festzustellen gewesen.

Diesem Gutachten stimmte auch die Leitende Ärztin mit Stellungnahme vom 17. März 1997 zu.

An der berufskundlichen Einschätzung der Minderung der Erwerbstätigkeit ergab sich keine Änderung.

Mit Bescheid des Bundessozialamtes Tirol vom 27. Juni 1997 wurden die Anträge des Beschwerdeführers auf Neubemessung der Beschädigtenrente bzw. Anerkennung weiterer Gesundheitsschädigungen als Dienstbeschädigungen abgewiesen. Die Behörde erster Instanz ging bei ihrer Entscheidung von dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Schmid vom 13. Februar 1997 aus, welches als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung dem Bescheid zu Grunde gelegt worden sei. Daraus ergebe sich, dass gegenüber dem dem Vorbescheid zu Grunde gelegten ärztlichen Befund über die als Dienstbeschädigung anerkannten Leiden (Vergleichsbefund) keine maßgebende Änderung eingetreten sei und man komme zu dem Schluss, der durch die Gesamteinschätzung zu erfassende Gesamtleidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller gemäß § 4 KOVG zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen rechtfertige nach § 3 der Richtsatzverordnung die Einschätzung der MdE mit 70 v.H. Gemäß § 8 KOVG sei bei Feststellung des Grades der MdE auch zu prüfen, ob sie bei Berücksichtigung der Tauglichkeit des Beschäftigten zu einer Erwerbstätigkeit, die ihm nach seinem früheren Beruf oder nach Vorbildung billigerweise zugemutet werden könne, höher als nach § 7 KOVG einzuschätzen sei. In diesen Fällen sei die Minderung der Erwerbsfähigkeit unter Bedachtnahme auf die Erfahrungen auf dem Gebiet der Berufskunde einzuschätzen. An der bereits im Bescheid vom 26. März 1984 berücksichtigten Einschätzung nach § 8 KOVG sei keine Änderung eingetreten. Es bleibe daher bei einer anerkannten Minderung der Erwerbstätigkeit nach § 7 und 8 KOVG von insgesamt 80 %. Der "Zustand nach Schlaganfall 1989 und Kreislaufkollaps 1996" könne nicht als Dienstbeschädigung gemäß § 4 KOVG anerkannt werden, weil hinsichtlich dieser Gesundheitsschädigungen festgestellt worden sei, dass sie nicht, auch nicht zu einem Teil auf ein infolge des Wehrdienstes eingetretenes schädigendes Ereignis oder auf die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen seien.

In der dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer unter Hinweis auf eine beigebrachte ärztliche Stellungnahme Dris. A. Dzien vom August 1997 (ohne näheres Datum) im Wesentlichen geltend, die Verschlimmerung seiner Leidenszustände sei auf den im Jahre 1996 erlittenen "Kreislauf-Kollaps" zurückzuführen und kausal, da dieser Kollaps durch die anerkannten Kriegsverletzungen zumindest begünstigt worden sei und danach dieselbe Symptomatik (Lähmungen und Sprachstörungen) aufgetreten sei wie im Jahre 1944.

Die belangte Behörde ergänzte das Ermittlungsverfahren durch Einholung eines Gutachtens des internmedizinischen Sachverständigen Dr. R. Günther vom 2. Februar 1998 sowie weiteren Stellungnahmen der Leitenden Ärztin vom 11. Februar 1998 und 28. Mai 1998.

Im Rahmen des dem Beschwerdeführer eingeräumten Parteiengehörs legte dieser neuerlich ein mit 24. Juli 1998 datiertes - allerdings mit der Stellungnahme vom August 1997 wörtlich identes - Gutachten Dris. Dzien vor, in dem der Standpunkt vertreten wird, dass "auf Grund der vorliegenden Befunde (es kann kein ischämisches bzw. embolisches Geschehen nachgewiesen werden)...wohl die im Jahre 1944 stattgefundene Schädigung in diesem Bereich für die nachfolgenden Ereignisse als begünstigend angesehen werden" könnten.

Mit Schreiben vom 16. September 1998 formulierte der Beschwerdeführer erneut seinen Standpunkt und äußerte unter einem auch Bedenken gegen die Unvoreingenommenheit der in das Verfahren involvierten Leitenden Ärztin, Dr. Keiler-Cziep, die jahrelang seine Hausärztin gewesen sei, weil diese "Dritten gegenüber negative Äußerungen" über ihn gemacht habe.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 25. November 1998 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, nach dem Gutachten der Leitenden Ärztin Dr. Keiler-Cziep habe der Beschwerdeführer 1989 einen Schlaganfall erlitten, ein Zusammenhang mit der Kriegsverletzung "Schädelimpression" sei aber nicht gegeben, weil ein artieller Hochdruck bestünde bzw. bereits damals bestanden habe und dieser schwer einzustellen gewesen sei. Es treffe viel eher der Schluss zu, dass der Schlaganfall durch die Hypertonie bzw. Aortendilation und Sklerose mit wandständigem Thrombus und ventrikulären Extrasystolen verursacht worden sei. Weiters sei von einem Mediainfarkt links die Rede gewesen, hingegen finde ein "Kreislaufkollaps" keine Erwähnung, habe es sich um einen solchen dennoch gehandelt, so könne dieser nur im Zusammenhang mit dem Mediainfarkt gesehen werden. Aus dem Gutachten Dris. Günther zitierte die belangte Behörde, auch dieser Sachverständige sei zum Ergebnis gekommen, dass ein kausaler Zusammenhang der seit 1989 durchgemachten Leiden mit der Dienstbeschädigung nicht gegeben sei. Es sei zwar denkbar, dass der Patient subjektiv eine Ähnlichkeit der zerebralen Ereignisse von 1944, 1989 bzw. 1996 empfinde, doch sei der objektiv-pathogenetische Mechanismus vollkommen unterschiedlich. In den Jahren vor 1989 sei es zur Entwicklung mannigfaltiger akausaler Erkrankungen gekommen, wobei praktisch jede Einzelne für einen hämorrhagischen oder auch ischämischen Insult in Frage komme. Es bestünde eine labile, schwer einstellbare Hochdruckkrankheit mit hochgradiger allgemeiner Gefäßsklerose, welche für den - lediglich laut Aussage des Patienten hämorrhagischen - Insult 1998 (richtig offenbar: 1989) in Frage komme, sowie ein paroxysmales Vorhofflimmern und eine Neigung zu Blutdruckabfällen bis 70 mm systolisch als prädestinierende Faktoren für ein ischämisch-embolisches Insultgeschehen. Auch die sklerotische Aortenklappe komme als zusätzliche Emboliequelle in Betracht. An den bisherigen Einschätzungen der Dienstbeschädigung ergebe sich daher keine Änderung. Derselben Einschätzung sei auch die praktische Ärztin (gemeint: Leitende Ärztin) beigetreten. Unter Berücksichtigung der erhobenen Befunde ergebe sich folgende Einschätzung:

1. Zustand nach Schädelimpressionsfraktur

parietal links I/a/2 30 v.H.

2. Hämisyndrom rechts IV/g/436 40 v.H.

3. Mögliche seltene vokale Anfälle

IV/v/571 10 v.H.

Die Einreihung der unter Punkt 2 angeführten Dienstbeschädigung innerhalb des Rahmensatzes der Position erfolge in der Erwägung, dass die Gebrauchsfähigkeit der rechtsseitigen Gliedmaßen beschädigungsbedingt leicht beeinträchtigt sei. Die Einschätzung der Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit infolge des Zusammenwirkens der einzelnen Gesundheitsschädigungen sei mit 70 v.H. gerechtfertigt. Maßgebend hiefür sei, dass die unter Punkt 2 ausgewiesene führende Minderung der Erwerbsfähigkeit durch die übrigen Leiden eine dreistufige Erhöhung erfahre. Die Gutachten der Sachverständigen seien als schlüssig erkannt worden und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden. Gegen die berufskundliche Beurteilung der ersten Instanz, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 80 v.H. gemäß § 8 KOVG ergebe, seien keine Einwendungen erhoben worden. Sie sei demnach höher als die richtsatzmäßig (§ 7 KOVG) ermittelte Minderung der Erwerbsfähigkeit. Da somit gegenüber den Vergleichsbefunden keine maßgebliche Änderung eingetreten sei und auch die beruflichen Verhältnisse unverändert geblieben seien, seien die Voraussetzungen für eine Neubemessung der Grundrente nicht gegeben gewesen. Im Hinblick auf das vorliegende medizinische Beweismaterial und nach fachkundiger ärztlicher Beratung sei die belangte Behörde in freier Beweiswürdigung zur Überzeugung gelangt, dass die zusätzlich geltend gemachten Leiden "Zustand nach Schlaganfall 1989 und Kreislaufkollaps 1996" keine Dienstbeschädigung darstellten. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Einwendungen seien nicht geeignet gewesen, die Beweiskraft der ärztlichen Sachverständigengutachten zu mindern. Insbesondere sei darauf zu verweisen, dass die in beiden Instanzen eingeholten ärztlichen Gutachten in ihren Ergebnissen übereinstimmten, sodass keine Veranlassung bestanden habe, ein weiteres Gutachten einzuholen.

Auf die Frage einer allfälligen Befangenheit der in das Verfahren involvierten Leitenden Ärztin ging die belangte Behörde nicht ein.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid dadurch in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten beeinträchtigt, dass ihm trotz Vorliegen der entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen keine Erhöhung der bescheidmäßig Beschädigtengrundrente bewilligt und die geltendend gemachten weiteren Gesundheitsschädigungen nicht als Dienstbeschädigungen im Sinne des § 4 KOVG anerkannt worden seien. Im Einzelnen macht er - offensichtlich unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften - geltend, der angefochtene Bescheid entspreche nicht dem Formalerfordernis des § 58 AVG, im Verfahren sei ein in die Sache involviertes Verwaltungsorgan tätig geworden, welches er als befangen abgelehnt habe. Die belangte Behörde habe auf diesen Einwand mit keinem Wort reagiert. Die in beiden Instanzen eingeholten Sachverständigengutachten erörterten mit keinem Wort die privatgutachterlichen Stellungnahmen des behandelnden Arztes Dr. Dzien und seien somit nicht schlüssig. Offenbar unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit macht der Beschwerdeführer geltend, die Kausalitätskette sei nicht abschließend geklärt worden, es seien auch keine konkreten Feststellungen getroffen worden, welche Gründe gegen eine "Wahrscheinlichkeit" eines Kausalzusammenhanges zwischen der anerkannten Dienstbeschädigung und den geltend gemachten Leidenszuständen sprächen. Auch die Beweiswürdigung sei nicht nachvollziehbar.

Im Übrigen macht der Beschwerdeführer erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Befangenheit der belangten Behörde als Kollegialorgan geltend, weil der angefochtene Bescheid auf einem Entscheidungsvorschlag des Schriftführers beruhe, dem überhaupt keine Entscheidungsbefugnis zukomme.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Eine Gesundheitsschädigung ist nach § 4 Abs. 1 KOVG 1957 im Sinne des § 1 Abs. 1 leg. cit. anzuerkennen, wenn und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist.

Für eine Anerkennung gemäß § 4 Abs. 1 KOVG 1957 und eine Versorgung kommen auch mittelbare Folgen einer Dienstbeschädigung in Betracht. Eine mittelbare Dienstbeschädigung liegt nicht nur dann vor, wenn die als Dienstbeschädigung anerkannte Gesundheitsschädigung die unmittelbare Ursache einer anderen Gesundheitsschädigung bildet, sondern auch dann, wenn infolge der Dienstbeschädigung eine Verschlimmerung eines vorbestandenen Leidens eintritt. Dieselbe rechtliche Beurteilung hat auch Platz zu greifen, wenn eine Dienstbeschädigung ein erst danach entstandenes alters- oder schicksalsbedingtes akausales Leiden verschlechtert. Als Dienstbeschädigung sind weiters auch solche Gesundheitsschädigungen anzuerkennen, die ihre Ursache in einer bereits anerkannten Gesundheitsschädigung haben (mittelbare Dienstbeschädigung). Als Ursache gilt auch im Falle einer mittelbaren Dienstbeschädigung nur eine wesentliche Bedingung. Wirken mehrere Bedingungen für einen Erfolg zusammen, so kann nur jene Bedingung als wesentlich gewertet werden, die in der Wirkung neben anderen Bedingungen nach Bedeutung und Tragweite annähernd gleichwertig ist.

Gemäß den §§ 4 Abs. 3 und 78 KOVG hat die Behörde über die Anerkennung einer Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung spruchgemäß zu entscheiden, wenn eine unmittelbare oder mittelbare Dienstbeschädigung neu geltend gemacht wird oder wenn in der Bezeichnung einer früher bereits anerkannten Dienstbeschädigung eine Änderung eingetreten ist.

Gemäß § 52 Abs. 2 KOVG 1957 ist die Beschädigtenrente neu zu bemessen, wenn eine für die Höhe der Leistung maßgebende Veränderung eintritt. Der Eintritt einer für die Höhe der Beschädigtenrente maßgebenden Veränderung ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

Der Beschwerdeführer macht im Gegenstandsfalle die Verschlimmerung seines Leidenszustandes durch Hinzutreten mittelbar auf die anerkannte Dienstbeschädigung (Schädelimpressionsfraktur) zurückzuführender neuer Gesundheitsschädigungen geltend und bezieht sich im Wesentlichen auf die von ihm vorgelegte Stellungnahme Dris. Dzien, in welcher dieser zu dem Schluss kommt, die im Jahr 1944 stattgefundene Schädigung habe die "Ereignisse in diesem Bereich" (gemeint ist der linksseitige Mediateilinfarkt 1996) zumindest "begünstigt". Die von den Verwaltungsbehörden beigezogenen Sachverständigen haben sich in diesem Zusammenhang im Wesentlichen auf den Standpunkt gestellt, das Ereignis im Jahre 1996 sei - durch andere akausale Leiden des Beschwerdeführers bedingt - mit dem anerkannten Leiden nicht in Zusammenhang zu bringen. Zu einer derartigen Schlussfolgerung hätte es aber einer Auseinandersetzung mit der - gegenteiligen - Ansicht des vom Beschwerdeführer konsultierten Internisten Dr. Dzien bedurft, zumal es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Fall der Auslösung einer Anlagebereitschaft (durch Kriegseinwirkung) darauf ankommt, ob die Verschlimmerung (hier: der Mediateilinfarkt 1996) auch ohne die Kriegsverletzung jene Folgen gehabt hätte, die der Beschwerdeführer nunmehr geltend macht oder ob die nunmehr aufgetretene Symptomatik nicht zumindest auch eine Teilursache in der Kriegsverletzung haben kann (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1997, Zl. 95/09/0334, und die dort wiedergegebene Judikatur). Der Beschwerdeführer hat auch in seiner Berufung bereits darauf hingewiesen, dass die Irreversibilität seiner Leiden nach dem Mediateilinfarkt 1996 durch die Sauerstoffunterversorgung und Schädigung gerade jener Gehirnzellen verursacht worden sein kann, die die Funktionen der kriegsbedingt zerstörten seinerzeit übernommen hatten. Die Leitende Ärztin und der von der belangten Behörde beigezogene Sachverständige hätten daher ausführlicher darzustellen gehabt, auf welchen Fakten ihre Annahme beruht, die Schädelverletzung des Beschwerdeführers habe den in diesem Bereich aufgetretenen Mediainfarkt nicht einmal "begünstigt" und aus welchen Gründen sie zum Schluss kamen, es bestünde nicht einmal die Möglichkeit einer mit anderen - akausalen - Ursachen gleichwertigen Kausalität.

Die Beweiswürdigung der belangten Behörde ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zwar nicht auf ihre Richtigkeit, wohl aber auf ihre Schlüssigkeit hin zu überprüfen. Die vorliegenden Sachverständigengutachten erweisen sich aus den oben dargelegten Gründen aber als nicht ausreichend begründet und nicht schlüssig. Wenn daher die belangte Behörde ihre Entscheidung auf diese Sachverständigengutachten stützte, ist dies trotz der dem Verwaltungsgerichtshof zustehenden eingeschränkten Kontrolle der Beweiswürdigung von ihm wahrzunehmen und der angefochtene Bescheid wegen eines Begründungsmangels aufzuheben, bei dessen Vermeidung sie zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (vgl. beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1996, 94/09/0288 und auch das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1994, Zl. 93/09/0095, und die dort wiedergegebene Judikatur).

Insoweit der Beschwerdeführer die Befangenheit der in das Verfahren involvierten Leitenden Ärztin Dr. Keiler-Cziep geltend macht, ist Folgendes festzuhalten:

Gemäß § 90 Abs. 5 KOVG sind die von der Behörde eingeholten Sachverständigengutachten zur Wahrung der Einheitlichkeit der ärztlichen Beurteilung vom leitenden Arzt oder einem von diesem hierzu bevollmächtigten Arzt zu prüfen und mit einem Sichtvermerk zu versehen. Im Falle eines Widerspruches sieht diese Bestimmung ein weiteres Verfahren vor. Dies bedeutet, dass der Behörde die Verwertung eines Gutachtens, dem der leitende Arzt gemäß § 90 Abs. 5 KOVG widersprochen hat, verwehrt ist. Es bedeutet aber keine inhaltliche Einflussnahme auf die von der Behörde eingeholten Gutachten anderer Sachverständiger. Im vorliegenden Fall hat sich die Leitende Ärztin aber nicht nur den Ergebnissen der eingeholten Sachverständigengutachten angeschlossen, sondern selbst eine inhaltliche Stellungnahme abgegeben, die der Entscheidung der belangten Behörde auch zu Grunde gelegt wurde. Dem Beschwerdeführer ist aber zuzugeben, dass sich die belangte Behörde in diesem Fall mit dem Einwand der Befangenheit zumindest hätte befassen müssen. Dass sie dies nicht getan hat, obwohl die vom Beschwerdeführer aufgestellte Behauptung, die Leitende Ärztin habe in ihrer Funktion als seine Hausärztin "Negatives" über ihn gesagt, allein aus dem Akteninhalt nicht zu widerlegen ist, belastete den angefochtenen Bescheid mit einem weiteren Verfahrensfehler.

Aktenwidrig ist hingegen die in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, der Spruch des angefochtenen Bescheides enthalte keinen Hinweis auf den Bescheid, über den abgesprochen worden sei.

Inwieweit in der bloßen Tatsache, dass das Konzept des angefochtenen Bescheides vom Schriftführer in Form eines Entwurfes erstellt worden ist, der sodann von der Kollegialbehörde im Wege der Beschlussfassung zum (nun vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften) Bescheid erhoben wurde, eine Verfahrensverletzung liegen soll, ist nicht nachvollziehbar. Insbesondere entbehrt die in der Beschwerde aufgestellte Vermutung, "die Kommissionsmitglieder hätten möglicherweise nicht ohne Beeinflussung durch den vorgelegten Entscheidungsvorschlag entschieden, es könne nicht abgesehen werden, ob mangels Entscheidungsvorschlag die Mitglieder der Kommission aus ihrer eigenen Sachkunde und ihrer unbeeinflussten Entscheidungskraft heraus kollegialiter schlussendlich gleich entschieden hätten", jeglicher Grundlage.

Aus den oben dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Entrichtung von Stempelmarken (Barauslagen) außerhalb der Pauschalgebühr vom Gesetz nicht vorgesehen ist.

Wien, am 21. Juni 2000

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