VwGH 99/06/0108

VwGH99/06/010823.12.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der A in Z, vertreten durch Dr. A und Mag. M, Rechtsanwälte in Z, gegen die Salzburger Landesregierung wegen Verletzung der Entscheidungspflicht mangels Entscheidung über eine Vorstellung in einer Bausache (weitere Parteien des Verfahrens: 1. A in Z, 2. Stadtgemeinde Zell am See, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauPolG Slbg 1997 §7;
BauRallg;
AVG §8;
BauPolG Slbg 1997 §7;
BauRallg;

 

Spruch:

Gemäß den § 42 Abs. 1 und 4 und § 62 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit § 80 Abs. 4 der Salzburger Gemeindeordnung 1994, LGBl. Nr. 107, wird die Vorstellung der Beschwerdeführerin gegen den Berufungsbescheid der Gemeindevertretung der Stadt Zell am See vom 5. August 1998 als unbegründet abgewiesen.

Das Land Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.750,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Andreas Schwab (in der Folge kurz: Bauwerber) kam mit einem undatierten, am 17. April 1998 bei der erstinstanzlichen Baubehörde eingelangten Gesuch um baubehördliche Bewilligung zum Umbau eines bestehenden Gebäudes ein. Hiezu wurde von der Baubehörde eine Bauverhandlung für den 1. Mai 1998 anberaumt, zu welcher unter anderem die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG geladen wurde.

In der Bauverhandlung erstattete der beigezogene bautechnische Amtssachverständige sein Gutachten. Die Beschwerdeführerin brachte (nur) vor, das gegenständliche Gebäude liege zum Teil auf ihrem Grundstück. Bis zu einer privatrechtlichen Einigung könne "dem heutigen Bauverfahren" nicht zugestimmt werden.

Der Bauwerber erklärte, bezüglich einer "Grundstücksbereinigung" werde das Einvernehmen mit der Beschwerdeführerin hergestellt werden. Dessen ungeachtet werde jedoch ersucht, gemäß den Bestimmungen des Salzburger Baupolizeigesetzes 1997, unabhängig von einer allfälligen privatrechtlichen Vereinbarung, die baubehördliche Bewilligung zu erteilen.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 8. Juni 1998 wurde dem Bauwerber die angestrebte Baubewilligung mit verschiedenen Vorschreibungen erteilt. In der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides sind die verschiedenen Parteienerklärungen wiedergegeben und es heißt abschließend, die Bewilligung stützte sich "auf ein anstandsloses Ergebnis des Ermittlungsverfahrens und auf die angeführten Gesetzesstellen" (§ 9 Abs. 1, 2 und 4 BauPolG); festzuhalten ist, dass eine ausdrückliche Entscheidung über die Einwendungen der Beschwerdeführerin oder auch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit ihrem Vorbringen dem erstinstanzlichen Bescheid nicht zu entnehmen ist.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in welcher sie unter anderem geltend machte, dass sich das Gebäude zum Teil auf einem Grundstück befinde, das in ihrem Eigentum stehe (Anmerkung: ein "grundstücksüberschreitender" Bau). Eine Zustimmung der Beschwerdeführerin zur Bauführung liege nicht vor. "Schon seinerzeit" habe das Gebäude "den einschlägigen raumordnungs- und baurechtlichen Vorschriften" widersprochen, sodass nicht "von bestehenden Bebauungsgrundlagen (...) ausgegangen werden könne. Die geplanten Änderungen, insbesondere die Errichtung einer Garage und die Einrichtung einer Heizung" stellten zudem Veränderungen dar, für welche es jedenfalls "an einer Bebauungsgrundlage" fehle.

Mit Berufungsbescheid vom 5. August 1998 wurde die Berufung mangels Parteistellung der Beschwerdeführerin als unzulässig zurückgewiesen. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der Berufung und nach Rechtsausführungen (Wiedergabe des § 66 Abs. 4 AVG und des § 7 Abs. 1 Z. 1 lit. b BauPolG) führte die Berufungsbehörde begründend aus, gemäß § 66 Abs. 4 AVG habe die Berufungsbehörde nur dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Berufung nicht als unzulässig zurückzuweisen sei. Eine Berufung sei unter anderem dann unzulässig, wenn der Berufungswerber zur Einbringung der Berufung nicht legitimiert sei. Wer zur Einbringung einer Berufung berechtigt sei, ergäbe sich im Allgemeinen aus den Verwaltungsvorschriften. Die Partei des Verfahrens sei grundsätzlich auch zur Erhebung der Berufung berechtigt. Eine Person, die nicht Partei sei, sei dagegen zur Erhebung der Berufung nicht berechtigt. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe jemand, der im Verfahren keine Parteistellung habe, auch kein Berufungsrecht. Eine solche Berufung sei stets zurückzuweisen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 1985, Zl. 95/07/0257).

Es sei daher zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren Parteistellung habe. Gegenstand des Verfahrens sei die baubehördliche Bewilligung von Sanierungsarbeiten bzw. die Änderung des Verwendungszweckes eines bestehenden Objektes auf den Grundstücken X und Y. Das Grundstück X befinde sich im Eigentum des Bauwerbers, das Grundstück Y im Eigentum der Beschwerdeführerin. Gemäß § 7 BauPolG komme dem Eigentümer eines Grundstückes im Bauverfahren keine Parteistellung zu.

Nach Auffassung der Berufungsbehörde werde aber auch durch den Umstand, dass die Beschwerdeführerin zugleich Anrainerin sei, keine Parteistellung begründet. Wie den Ausführungen des bautechnischen Amtssachverständigen zu entnehmen sei, liege das verfahrensgegenständliche Objekt gemäß dem Flächenwidmungsplan im Grünland und sei ehemals als Tischlerwerkstätte genutzt worden. Durch die nunmehrige Nutzung als Lagerobjekt und Garage werde "die Nachbarschaft" weit weniger beeinträchtigt, als durch die Nutzung als Tischlerwerkstätte. Auch werde die Größe und die Art des Objektes nicht verändert, vielmehr werde das Objekt nur saniert. Die gegenständliche Baubewilligung sei somit gemäß § 24 Abs. 8 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1992 zulässig, weil die Größe und Art des Baues nicht in einer Weise verändert werde, die die festgelegte Nutzungsart oder Widmung bzw. "die Nachbarschaft" mehr als bisher beeinträchtige. Da somit durch die genehmigte Zweckänderung die im § 9 Abs. 1 Z. 1 und 2 BauPolG angeführten raumordnungs- und baurechtlichen Voraussetzungen nicht berührt würden, komme der Beschwerdeführerin vorliegendenfalls auch nicht als Nachbar Parteistellung zu.

Zusammenfassend sei daher festzustellen, dass der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Bauverfahren keine Parteistellung zukomme, weshalb die Berufung unzulässig sei.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin rechtzeitig die nun verfahrensgegenständliche Vorstellung; der Schriftsatz wurde beim Gemeindeamt eingebracht und von dort aus der belangten Behörde übermittelt (wo er am 28. August 1998 einlangte).

Mangels Entscheidung über die Vorstellung erhob die Beschwerdeführerin die gegenständliche Säumnisbeschwerde vom 16. Juli 1999 (Postaufgabe unleserlich; beim Gerichtshof eingelangt am 19. Juli 1999). Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juli 1999 wurde das Vorverfahren eingeleitet.

Die belangte Behörde hat die ihr zur Nachholung des versäumten Bescheides eingeräumte dreimonatige Frist ungenützt verstreichen lassen und - ohne Entscheidung über die Vorstellung - mit Erledigung vom 17. November 1999 dem Verwaltungsgerichtshof die Akten des Verwaltungsverfahrens übermittelt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Aus dem zuvor Gesagten ergibt sich, dass die Zuständigkeit zur Entscheidung über die verfahrensgegenständliche Vorstellung auf den Verwaltungsgerichtshof übergegangen ist.

Die Beschwerdeführerin bringt in ihrer Vorstellung vor, dass der Grundeigentümer gemäß § 7 BauPolG zwar ausdrücklich keine Parteistellung mehr habe (gemeint: dass eine Parteistellung des Grundeigentümers nicht ausdrücklich vorgesehen sei), dennoch könne "die Behörde über die Tatsache, dass ein geplantes Bauvorhaben, welcher Natur auch immer, das auf fremden Grund erfolgen soll, ohne dass die Zustimmung des Grundeigentümers dafür vorliegt, nicht ohne Weiteres hinweggehen". Anders wäre nicht zu verstehen, weshalb der Konsenswerber nach § 4 Abs. 1 lit. a BauPolG verpflichtet wäre, einen beglaubigten, aktuellen Grundbuchsauszug vorzulegen, aus welchem sich der Eigentümer des Grundstückes ergebe, auf welchem die baulichen Maßnahmen erfolgen sollen. Insbesondere dann, wenn die Zustimmung des Grundeigentümers, wie vorliegendenfalls, ausdrücklich verweigert werde, sei darauf sehr wohl Bedacht zu nehmen. Hier kämen die Überlegungen der Verfahrensvereinfachung, wie "in den Kommentaren zu § 7 BauPolG angeführt", nicht zum Tragen, weil die Feststellung des Fehlens der Zustimmung des Grundeigentümers (als positive Voraussetzung für eine Baubewilligung) keines besonderen Verfahrensaufwandes bedürfe. Sollte § 7 BauPolG tatsächlich so auszulegen sein, dass der Grundeigentümer keine Handhabe gegen eine widerrechtliche Bauführung auf seinem Grund haben sollte, wäre dies verfassungswidrig. Er wäre dann schlechter gestellt als sein Nachbar, dem in den Fällen des § 7 leg. cit. Parteistellung wegen wesentlich geringerer Beeinträchtigungen seiner Liegenschaft gewährt werde.

Der Beschwerdeführerin hätte aber jedenfalls nach § 7 Abs. 1 Z. 1 lit. b und c BauPolG Parteistellung als Nachbarin zuerkannt werden müssen. Danach habe ein Nachbar Parteistellung im Verfahren wegen Änderung der Art des Verwendungszweckes von Bauten oder Teilen davon. Dass die Änderungen der Verwendung von einer Tischlerei zu einem Lagerraum die in § 9 Abs. 1 Z. 1 und 2 BauPolG angeführten raumordnungs- und baurechtlichen Voraussetzungen nicht berühre, stehe vorliegendenfalls entgegen der Auffassung der Gemeindebehörden nicht fest. Der Einbau einer Garage stelle einen massiven Eingriff in die raumordnungs- und baurechtlichen Voraussetzungen dar (beispielsweise durch die Gefahr von Öl- und Treibstoffverlust eingestellter Fahrzeuge), ebenso die Anlage eines Holzlagerraumes (Hinweis auf Feuergefahr). Der erstinstanzliche Bescheid beruhe lediglich auf einem bautechnischen Gutachten, welches nicht geeignet sei, die raumordnungsrechtlichen Fragen zu beurteilen. Der bekämpfte Berufungsbescheid übernehme den Standpunkt des bautechnischen Gutachtens ungeprüft. Es mangle also an jeglicher fachkundiger Prüfung der raumordnungsrechtlichen Beurteilung des Bauvorhabens.

Ebenso habe im Verfahren wegen erheblicher Änderungen von Einfriedungen gegen Nachbargrundstücke, wenn sie als Mauern ausgebildet seien, der Nachbar Parteistellung. Umsomehr müsse er Parteistellung haben, wenn eine Mauer nicht nur als Einfriedung, sondern als Teil eines Gebäudes unmittelbar an der Nachbargrundgrenze, oder sogar - wie vorliegendenfalls - auf dem Nachbargrundstück stehe (Hinweis auf die Errichtung neuer Fenster in der südlichen Mauer). Der Umstand, dass anstelle einer verfallenen nunmehr eine massive Decke eingezogen werde, dass eine Stahlbetonmassivtreppe neu errichtet werde, eine Wasserleitung und eine Heizung eingebaut werde, sowie dass Fensteröffnungen verändert und zusätzlich eingebaut würden (noch dazu unmittelbar zum Grund der Beschwerdeführerin hin) sei als Baumaßnahme nach § 2 Abs. 1 Z. 1 BauPolG zu werten. Dies gebe der Beschwerdeführerin als Nachbarin Parteistellung nach § 7 Abs. 1 Z. 1 lit. a BauPolG.

Dem ist Folgendes zu entgegnen:

Im Beschwerdeverfahren ist das Salzburger Baupolizeigesetz 1997, LGBl. Nr. 40 (BauPolG) (Wiederverlautbarung), anzuwenden.

Wie die Berufungsbehörde zutreffend erkannt hat, sieht das BauPolG eine Parteistellung des Grundeigentümers im Baubewilligungsverfahren nicht (mehr) vor (weder in § 7 betreffend die Parteien solcher Verfahren noch etwa an anderer Stelle). Dies ist durchaus gewollt, wie den in Hauer, Salzburger Baurecht3, Seite 59f, wiedergegebenen diesbezüglichen Erläuternden Bemerkungen (zur Novelle 1996) zu entnehmen ist. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass der Grundeigentümer somit schlechter gestellt wäre als ein Nachbar, beruht auf einer unzutreffend eingeschränkten Betrachtung, weil dabei nicht bedacht wird, dass der Grundeigentümer kraft seines Eigentumsrechtes eine nach dem Privatrecht unzulässige Bauführung auf seinem Grund zivilrechtlich unterbinden kann. Der Umstand, dass daher vorliegendenfalls eine Zustimmung der Beschwerdeführerin als Grundeigentümerin nach den baurechtlichen Vorschriften nicht erforderlich ist, erscheint dem Verwaltungsgerichtshof nicht verfassungswidrig (siehe dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 6. März 1997, B 3509/96-11, zu einer insofern vergleichbaren Problematik nach der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989, und auch das hg. Erkenntnis vom 30. November 1999, Zl. 97/05/0262, und die dazu zitierte Judikatur).

Die Beschwerdeführerin beruft sich aber auch darauf, dass ihr die Stellung eines Nachbarn nach dem BauPolG zukomme (was allerdings nur für den Teil des Projektes gelten kann, der auf dem Grund des Bauwerbers realisiert werden soll). Dazu gilt aber Folgendes:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10317/A, uva.).

Die Beschwerdeführerin, die zur Bauverhandlung unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG geladen worden war, hat solche Einwendungen nicht rechtzeitig erhoben. Die erst in der Folge, nämlich in der gegenständlichen Vorstellung erhobenen Einwendungen in ihrer Eigenschaft als Nachbarin sind daher präkludiert, sodass darauf nicht Bedacht genommen werden darf.

Zusammenfassend hat die Berufungsbehörde zutreffend erkannt, dass der Beschwerdeführerin als Grundeigentümerin im gegenständlichen Baubewilligungsverfahren keine Parteistellung zukam. Aus diesem Blickwinkel gesehen wurde die Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid zutreffend zurückgewiesen.

Die Vorstellung war daher als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht - im Rahmen des Kostenbegehrens - auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 23. Dezember 1999

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