Normen
AVG §8;
LStVwG Stmk 1964 §2 Abs1;
LStVwG Stmk 1964 §3;
AVG §8;
LStVwG Stmk 1964 §2 Abs1;
LStVwG Stmk 1964 §3;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 19. Dezember 1994 wurde gemäß den §§ 2 - 4 sowie § 58a Stmk. Landesstraßenverwaltungsgesetz 1964 festgestellt, dass der Verbindungsweg, beginnend vom öffentlichen Grundstück 578, KG P., in weiterer Folge sodann in westliche Richtung verlaufend auf den Grundstücken Nr. 270 und 277/2, sodann in eine südliche Richtung verlaufend auf dem Grundstück Nr. 277/1 und schließlich einmündend wiederum in die Wegparzelle Nr. 579/1, jeweils KG P., als öffentliche Straße anzusehen sei, wobei die Benützung seit jeher für Geh- und Fahrzwecke mit Fahrzeugen aller Art erfolgt sei. Die Einwendungen der Beschwerdeführer, dass die im erstinstanzlichen Verfahren einvernommenen Zeugen weitgehend Servitutsberechtigte an dem verfahrensgegenständlichen Weg seien, auf die Benützung von Servitutsberechtigten aber eine Öffentlicherklärung einer Straße nicht gestützt werden könne, wurden auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 6. August 1996 als unbegründet abgewiesen. Auch die Berufungsbehörde verwies die Einwendungen der Beschwerdeführer (u.a. betreffend die Frage, wer von den Benützern Servitutsberechtigte seien) auf den Zivilrechtsweg.
Die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführer wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die in § 2 Abs. 1 zweiter Satz Stmk. Landesstraßenverwaltungsgesetz angeführten Beurteilungskriterien zum Feststellungszeitpunkt kumulativ vorhanden sein müssten. Aus den von der Behörde erster Instanz und vom Gemeinderat als Berufungsbehörde durchgeführten Ermittlungsverfahren und den befragten Zeugen ergebe sich zweifelsfrei, dass dieser Weg seit vielen Jahren benutzt worden sei. Für die Voraussetzung der langjährigen Benützung sei nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Benützungsdauer von 10 Jahren ausreichend. Die mindestens 10- jährige Benützung sei aber einwandfrei nachweisbar. Das dringende Verkehrsbedürfnis für die Benützung sei durch die Stellungnahme des Bürgermeisters der Nachbargemeinde, J.G., hinlänglich erwiesen. Sowohl der Bürgermeister als auch der Vorstand des Postamtes M.L. und der Bezirkssekretär des Roten Kreuzes hätten übereinstimmend angegeben, dass dieser Weg die einzige Verbindung zu einem Ortsteil der benachbarten Gemeinde G. darstelle. In diesem Ortsteil würden ca. 45 Gemeindebürger leben. Das seien knapp weniger als 10 % der Gesamtbevölkerung der Gemeinde G. Die Annahme eines dringenden Verkehrsbedürfnisses, um einen Ortsteil zu erreichen, widerspreche nicht § 2 Abs. 1 zweiter Satz Stmk. Landesstraßenverwaltungsgesetz. Es sei von den Beschwerdeführern bei einigen Zeugenaussagen darauf hingewiesen worden, dass diese den Weg als Servitutsberechtigte benützten. Die Benützung eines Weges auf Grund eines Servituts hindere die Behörde jedoch nicht an der Feststellung der Öffentlichkeit. Es ergebe sich aus den Zeugenaussagen, dass dieser Weg auch von nicht Servitutsberechtigten benützt werden könnte. Die Benützung unabhängig vom Willen der Grundeigentümer ergebe sich ebenfalls aus den Zeugenaussagen und auch aus der Feststellung des Leiters des städtischen Wirtschaftshofes der Stadtgemeinde Köflach, wonach dieser Weg vom Wirtschaftshof der mitbeteiligten Stadtgemeinde instandgehalten würde. Der Winterdienst würde ebenfalls von der mitbeteiligten Stadtgemeinde durchgeführt. Der Hinweis, dass die Beschwerdeführer Auskehren errichtet hätten, um die Benützung des Weges zu erschweren, stehe im Widerspruch zum Akteninhalt, wo die Beschwerdeführer behauptet hätten, dass diese Auskehren Erhaltungsmaßnahmen ihrerseits gewesen seien. Es sei daher für den Benützer dieser Straße durch diese Maßnahmen nicht erkennbar gewesen, dass hier ein Wille des Grundeigentümers vorliege, dass bestimmte Personen diesen Weg nicht benützen dürften. Es sei das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 zweiter Satz leg. cit. zu Recht angenommen worden.
Die Behandlung der dagegen zunächst beim Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wurde von diesem mit Beschluss vom 7. Juni 1999, B 1727/98-3, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. In der nach Aufforderung ergänzten Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die mitbeteiligte Stadtgemeinde - eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 Stmk. Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1964, LGBl. Nr. 154 (LStVG 1964), sind öffentliche Straßen im Sinne dieses Gesetzes alle Straßen, die entweder von den zuständigen Stellen bestimmungsgemäß dem öffentlichen Verkehr gewidmet worden sind oder die in langjähriger Übung allgemein, ohne Einschränkung und unabhängig vom Willen des Grundeigentümers und dritter Personen für ein dringendes Verkehrsbedürfnis benützt werden. Bestehen Zweifel, ob eine Straße als öffentlich anzusehen ist oder in welchem Umfang sie der allgemeinen Benützung freisteht (Gemeingebrauch), entscheidet gemäß § 3 leg. cit. die Gemeinde auf Antrag oder von Amts wegen. Gemäß § 4 Abs. 2 leg. cit. sind Parteien, die aus einem privatrechtlichen Titel Einwendungen erheben, vor die ordentlichen Gerichte zu verweisen, wenn hierüber ein gütliches Übereinkommen nicht erzielt wird.
Die Beschwerdeführer machen geltend, dass die Behörden lediglich Personen einvernommen hätten, denen ohnehin ausdrücklich ein Servitutsrecht zum Befahren des Weges eingeräumt worden sei bzw. Personen, die die ihnen gehörigen dort befindlichen Parzellen unbedingt als Bauland gewidmet haben wollten, wobei letztere nur eine geringe Anzahl bilden würden. Bei letzteren wäre von der Behörde zu prüfen gewesen, ob diesen nicht ohnehin konkludent ein Fahrrecht eingeräumt worden sei.
Nach der hg. Judikatur (vgl. das Erkenntnis vom 23. Juni 1988, Slg. Nr. 12.744/A, und den Beschluss vom 26. Juni 1997, Zl. 97/06/0127) sind Benützungen, die auf Grund von Sonderrechten bestehen, von der Beurteilung einer Straße als Gemeingebrauch ausgeschlossen. Mit dem von den Beschwerdeführern immer wieder wiederholten Einwand, die meisten der einvernommenen Personen seien Servitutsberechtigte an dem verfahrensgegenständlichen Weg auf ihrem Grundstück, haben sich die Gemeindebehörden nicht auseinander gesetzt, da sie der Auffassung waren, es handle sich dabei um eine Einwendung, die gemäß § 4 Abs. 2 leg. cit. auf den Zivilrechtsweg zu verweisen sei. Die belangte Behörde hat zwar dazu festgestellt, dass die Benützung eines Weges auf Grund einer Servitut die Behörde nicht an der Feststellung der Öffentlichkeit hindere und dass sich aus den Zeugenaussagen ergebe, dass dieser Weg auch von nicht Servitutsberechtigten benutzt habe werden können. Diese Begründung stellt aber keine ausreichende Auseinandersetzung mit dem diesbezüglich von den Beschwerdeführern erhobenen Einwand dar. Die Beschwerdeführer haben in ihrer Äußerung vom 13. Februar 1996 zu den Einvernahmen der herangezogenen Zeugen in der Verhandlung am 1. Februar 1996 in Bezug auf fünf einvernommene Personen (betreffend AJ sen., AH, KD, PS und JW) das Vorliegen einer Servitutsberechtigung behauptet und in Bezug auf eine Person die Ersitzung eines Wegerechtes. Zwei weitere einvernommene Personen sind Söhne eines nach den Behauptungen der Beschwerdeführer Servitutsberechtigten, die nunmehr in dem vorliegenden Bereich auch Eigentümer von Grundstücken sind und unabhängig von der Zufahrt zu dem Grundstück ihrer Eltern auch die Zufahrt zu ihren nicht als Bauland gewidmeten Grundstücken ins Treffen geführt haben. Dem Argument der Behörde, dass Versorgungsunternehmen die an dem Weg gelegenen Grundstücke über den verfahrensgegenständlichen Weg betreuen würden, haben die Beschwerdeführer gleichfalls entgegengehalten, dass dies im Rahmen der bestehenden Servitutsberechtigungen erfolge. Dies wurde auch für die Benützung des Weges durch das Rote Kreuz im Bedarfsfalle ins Treffen geführt. Mit all diesen Einwänden haben sich die Behörden (einschließlich der belangten Behörde) nicht auseinander gesetzt. Eine "langjährige Übung" einer im Sinne des § 2 Abs. 1 Stmk. Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1964 (u.a. allgemein) erfolgten Benützung einer Straße liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 1990, Zl. 89/06/0099) ab einem Zeitraum von 10 Jahren vor. Sollte die Behauptung der Beschwerdeführer zutreffend sein, dass die meisten der einvernommenen Zeugen Servitutsberechtigte an der verfahrensgegenständlichen Straße sind und die Versorgungsunternehmen und das Rote Kreuz diesen Weg im Rahmen der eingeräumten Servitutsrechte benützen durften, kann auf Grund der vorliegenden Aktenlage vom Verwaltungsgerichtshof die Frage nicht abschließend beantwortet werden, ob auf Grund der dann verbleibenden Benützer dieser Straße gemäß § 2 Abs. 1 leg. cit. davon gesprochen werden könnte, dass die verfahrensgegenständliche Straße in langjähriger Übung allgemein für ein dringendes Verkehrsbedürfnis benützt wurde. Der jeweils aufgezeigte Verfahrensmangel der Gemeindebehörden einerseits und der belangten Behörde andererseits stellen sich somit daher jedenfalls als wesentlich im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c) VwGG dar. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften die Gemeindebehörden bzw. die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Das vorliegende Verwaltungsverfahren bedarf im Übrigen in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung des Sachverhaltes im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG.
Auch das Vorliegen des gleichfalls gemäß § 2 Abs. 1 leg. cit. erforderlichen Kriteriums eines dringenden Verkehrsbedürfnisses ist unabhängig von der Benützung durch allfällige Servitutsberechtigte zu beurteilen. Angemerkt wird, dass gemäß der hg. Judikatur (siehe das Erkenntnis vom 10. Oktober 1991, Zl. 90/06/0180) bei Wegen, die nur die Funktion einer Zufahrtsstraße erfüllen (wie auch im vorliegenden Fall) der Kreis von Benutzern dieses Weges eher klein sein wird. Die geringere Anzahl der Personen, die den "Gemeingebrauch" tatsächlich ausüben, steht allerdings der Öffentlicherklärung eines solchen Weges nicht entgegen, wenn die (weitere) Voraussetzung hiefür vorliegt, nämlich, dass diese Benützung zur Befriedigung eines dringenden Verkehrsbedürfnisses erfolgt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1985, Slg. Nr. 11.923/A, und das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 90/06/0180).
Da die belangte Behörde selbst einerseits die Frage der Servitutsberechtigung nicht ausreichend behandelt hat bzw. andererseits den wesentlichen Verfahrensmangel des gemeindebehördlichen Verfahrens nicht aufgegriffen hat, belastete sie ihrerseits den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 23. Februar 2001
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