VwGH 99/05/0049

VwGH99/05/004923.3.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Otto Schrödl in Traiskirchen, vertreten durch Fürst & Domberger Rechtsanwälte Kommandit-Partnerschaft in Mödling, Wiener Straße 9, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 18. Jänner 1999, Zl. RU1-V-96088/01, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Marktgemeinde St. Aegyd am Neuwalde, vertreten durch den Bürgermeister, 2. Herbert Eder in Kernhof, Hoyossiedlung 34), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO NÖ 1996 §19 Abs1;
BauO NÖ 1996 §19 Abs2 Z6;
BauO NÖ 1996 §48;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z2;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauRallg;
ROG NÖ 1976 §19 Abs2;
ROG NÖ 1976 §19 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §19 Abs1;
BauO NÖ 1996 §19 Abs2 Z6;
BauO NÖ 1996 §48;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z2;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauRallg;
ROG NÖ 1976 §19 Abs2;
ROG NÖ 1976 §19 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerde und dem dieser angeschlossenen angefochtenen Bescheid ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:

Der Zweitmitbeteiligte beantragte am 26. August 1997 die baubehördliche Bewilligung zur Erweiterung des bestehenden Stallgebäudes im Zuge der Errichtung eines Schaugeheges auf dem im Grünland-Forstwirtschaft liegenden Grundstück Nr. 290/1, KG Keeramt.

Nach der am 24. September 1997 abgehaltenen mündlichen Verhandlung, zu welcher auch der Beschwerdeführer persönlich geladen worden war, erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom 23. April 1998 die beantragte Baubewilligung, welche sich auf ein Betriebskonzept zur Ausübung eines nebenerwerbslandwirtschaftlichen Betriebes des mitbeteiligten Bauwerbers, eine schriftliche Stellungnahme des landwirtschaftlichen Sachverständigen des NÖ Gebietsbauamtes III - St. Pölten sowie ein Gutachten des landwirtschaftlichen Sachverständigen des NÖ Gebietsbauamtes V - Mödling stützte.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung rügte der Beschwerdeführer die Verletzung des Parteiengehörs, weil ihm die vorerwähnten Urkunden nicht zur Stellungnahme übermittelt worden seien.

Aufgrund dieser Berufung brachte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde dem Beschwerdeführer die vorerwähnten Entscheidungsgrundlagen mit Schreiben vom 19. Mai 1998 nachweislich zur Kenntnis und räumte dem Beschwerdeführer die Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer Frist von zwei Wochen ein.

In seiner Stellungnahme vom 8. Juni 1998 führte der Beschwerdeführer lediglich aus, eine Berufungsvorentscheidung sei nur zulässig, wenn dadurch der Berufung vollinhaltlich stattgegeben werde.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 21. September 1998 wurde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Der in der Berufung gerügte Formmangel sei durch die Übermittlung der Urkunden und die Einräumung der Möglichkeit einer Stellungnahme saniert worden. Der Beschwerdeführer sei in seiner Stellungnahme auf die Gutachten nicht eingegangen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der NÖ Landesregierung vom 18. Jänner 1999 wurde die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen.

Der in der Berufung gerügte Mangel (Nichteinräumung des Parteiengehörs) sei durch die Mitteilung des Bürgermeisters vom 19. Mai 1998 vor Erlassung der Berufungsentscheidung geheilt worden. Die Tatsache, dass die Mitteilung nicht vom Gemeinderat sondern vom Bürgermeister erfolgt sei, schade nicht. Maßgeblich sei lediglich, dass die Verletzung des Parteiengehörs im Berufungsverfahren saniert worden sei. Das Baugrundstück sei als Grünland-Forstwirtschaft gewidmet. Gemäß § 30 Abs. 5 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 (NÖ ROG 1976) seien für die in den örtlichen Raumordnungsprogrammen und vereinfachten Flächenwidmungsplänen nach Abs. 3 ausgewiesenen Widmungs- und Nutzungsarten die Bestimmungen dieses Gesetzes anzuwenden. Nutzungsarten, die nach ihrer Bezeichnung nicht mit den Bestimmungen dieses Gesetzes übereinstimmten, gelten als nicht ausgewiesen. Daraus sei abzuleiten, dass die zulässige Nutzungsart des Grundstückes des mitbeteiligten Bauwerbers die Land- und Forstwirtschaft sei, weil § 19 Abs. 2 Z. 1 NÖ ROG 1976 zwischen Land- und Forstwirtschaft nicht unterscheide. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach ein Grundstück mit der Widmung Grünland-Forstwirtschaft nach dem aktuellen NÖ Raumordnungsgesetz nicht landwirtschaftlich genutzt werden dürfte, gingen somit ins Leere. Das Betriebskonzept und die gutächtliche Stellungnahme des landwirtschaftlichen Sachverständigen hätten sich auf die Frage des Vorliegens einer land- oder forstwirtschaftlichen Tätigkeit des mitbeteiligten Bauwerbers bzw. auf die Voraussetzungen des § 19 Abs. 4 des NÖ ROG 1976 bezogen. Diesbezüglich stünden dem Beschwerdeführer keine Anrainerrechte zu. Da die prozessualen Rechte einer Partei nur zur Durchsetzung ihrer materiellen Rechte dienten und daher nicht weitergehen könnten als diese, habe der Beschwerdeführer durch das Betriebskonzept und das Gutachten des landwirtschaftlichen Sachverständigen nicht in Rechten verletzt werden können. Auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Vorstellung sei daher nicht näher einzugehen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht "auf Immissionsschutz" verletzt, da unter Außerachtlassung der Widmungskategorie Land- und Forstwirtschaft ein gewerblicher Betrieb nicht als solcher erkannt und daher genehmigt worden sei. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer und die Baubehörden gehen - ebenso wie die belangte Behörde - im Beschwerdefall davon aus, dass der Beschwerdeführer Nachbar im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 3 der hier anzuwendenden NÖ Bauordnung 1996 (BO) ist.

Gemäß § 6 Abs. 1 zweiter Satz leg. cit. werden Nachbarn nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden.

Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle werden subjektiv-öffentliche Rechte begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die u.a.

"2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung des Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben,"

gewährleisten.

Vorausgesetzt, der Beschwerdeführer hat als Nachbar rechtzeitig Einwendungen erhoben, erstreckt sich die Prüfungsbefugnis der Berufungsbehörde auf jenen Themenkreis, in dem diese Partei mitzuwirken berechtigt ist. Dieses Mitspracherecht ist auf jene subjektiv-öffentlichen Rechte eingeschränkt, die die Bauordnung dem Beschwerdeführer als Nachbarn einräumt und bezüglich deren er fristgerecht Einwendungen erhoben hat (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 1991, Zl. 90/05/0201). Auf die Einhaltung der einzelnen Widmungskategorien des Flächenwidmungsplanes besitzt der Nachbar im Hinblick auf die Regelung des § 6 Abs. 2 BO nicht schlechthin ein subjektiv-öffentliches Recht (vgl. hiezu Hauer, Der Nachbar im Baurecht4, Seite 234 f), weshalb der Beschwerdeführer in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten nicht verletzt sein kann, wenn die belangte Behörde die Regelungen über die Grünlandwidmung gemäß § 19 Abs. 2 und 4 des NÖ ROG 1976 nicht beachtet haben sollte (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 20. Dezember 1978, Slg. Nr. 9726/A, vom 22. September 1992, Zl. 92/05/0060, u.v.a.). Ob daher bezüglich des vorgelegten Betriebskonzeptes falsche Angaben vorliegen, betrifft keine subjektiv-öffentlichen Rechte des Beschwerdeführers. Auch die Frage, ob der mitbeteiligte Bauwerber das bewilligte Gebäude (nicht) der Baubewilligung entsprechend nutzen wird, kann von einem Nachbarn im Baubewilligungsverfahren, bei dem es sich um ein Projektgenehmigungsverfahren handelt, nicht releviert werden. Entscheidend ist der in den Einreichplänen in der Baubeschreibung und (im vorliegenden Fall) im Betriebskonzept zum Ausdruck gebrachte Bauwille des mitbeteiligten Bauwerbers (vgl. hiezu Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 5. Auflage, Seite 66,und die dort referierte hg. Rechtsprechung). Insofern in der Beschwerde diese Grundsätze nicht beachtet werden, war auf diese Ausführungen nicht näher einzugehen.

Gemäß § 48 Abs. 1 BO dürfen Emissionen, die von Bauwerken oder deren Benützung ausgehen,

  1. 1. das Leben oder die Gesundheit von Menschen nicht gefährden;
  2. 2. Menschen durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase, Erschütterungen, Blendung oder Spiegelung nicht örtlich unzumutbar belästigen.

    Ob Belästigungen örtlich zumutbar sind, ist gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle danach zu beurteilen, wie sich die durch die Bauwerke und deren Benützung verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen auswirken.

    Die im Flächenwidmungsplan festgelegte Widmungs- und Nutzungsart ist dabei zu berücksichtigen.

    Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung zur Grünlandwidmung im Sinne des § 19 Abs. 2 und 4 NÖ ROG 1976 ausgeführt, dass diese keinen Immissionsschutz gewährt (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 17. März 1992, Zl. 91/05/0193, und vom 29. November 1994, Zl. 92/05/0148). Die nunmehr im § 48 BO getroffene Immissionsschutzregelung gibt einem Nachbarn gemäß § 6 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. das subjektiv-öffentliche Recht, dass von einem Bauwerk oder dessen Benützung keine Emissionen ausgehen, die das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährden oder Menschen durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase, Erschütterungen, Blendung oder Spiegelung örtlich unzumutbar belästigen.

    Dass der Beschwerdeführer durch Emissionen, die vom bewilligten Bauwerk oder dessen Benützung ausgehen, in seinem Leben oder seiner Gesundheit gefährdet würde, wird von ihm auch in der Beschwerde nicht behauptet. Die Behauptung, er würde durch - vom bewilligten Bauwerk bzw. dessen Benützung ausgehende - Staub- und Geruchsimmissionen belästigt, bezieht sich nicht auf die baubehördlich erteilte Bewilligung der Erweiterung eines bestehenden Stallgebäudes im Zuge der Errichtung eines Schaugeheges, sondern auf den Straßenlärm der zufahrenden und parkenden Autos. Ein Verbot eines Bauvorhabens und dessen Betriebes deshalb, weil durch dessen Verwirklichung die Luft infolge der Abgase von den auf öffentlichen Straßen sich bewegenden Kraftfahrzeugen verschlechtert wird, kennt jedoch auch die NÖ Bauordnung 1996 nicht. Dass grundsätzlich ein Bauwerk einen entsprechenden Verkehr auslöst, muss der Nachbar hinnehmen (vgl. hiezu Hauer a.a.O., Seite 316 f). Dass aber vom Verkehr auf der zu bebauenden Nachbarliegenschaft örtlich unzumutbare Belästigungen im Sinne des § 48 Abs. 2 BO ausgehen, wobei bezüglich der örtlichen Zumutbarkeit gemäß dem letzten Satz dieser Gesetzesstelle von der festgelegten Widmungsart Grünland auszugehen ist, wird aber in nachvollziehbar begründeter Weise in der Beschwerde nicht dargelegt.

    Die behauptete Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wird nicht gesetzmäßig ausgeführt. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, aus welchen Gründen die Berufungsbehörde bei Einhaltung der als verletzt behaupteten Verfahrensvorschriften zu einem anderen Ergebnis hätte kommen sollen. Im Übrigen wird darauf verwiesen, dass der Mangel hinreichenden Parteiengehörs im Verfahren der ersten Rechtsstufe durch die Möglichkeit, den Standpunkt im Berufungsverfahren auszuführen, geheilt wird (vgl. hiezu Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, Entscheidung 36 zu § 66 AVG).

    Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

    Im Hinblick auf die Erledigung des Beschwerdeverfahrens erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

    Wien, am 23. März 1999

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